Zum vierten Mal: Stradivari versus Guarneri

ADZ-Gespräch mit den Violinvirtuosen Liviu Prunaru und Gabriel Croitoru

Gabriel Croitoru und seine Guarneri-Geige

Liviu Prunaru spielt auf einer Stradivari-Geige.
Fotos: Zoltán Pázmány

Zwei der besten Geigenspieler Rumäniens mit zwei der besten Violinen der Welt standen in der vierten Auflage eines „Duells“ auf der Bühne, zuerst in Bukarest, danach in Temeswar und die Tournee soll im Dezember weitergehen. Das Publikum schwankt mit seiner Vorliebe zwischen den warmen Tönen der Guarneri-Geige und den himmlischen Tönen der Stradivari. Gewinnen kann man als Zuhörer auf jeden Fall, wenn man sich an der hohen Kunst erlabt, man erlebt ein Schmuckstück von „Duell“, das man jetzt schon mit Vorfreuden erwartet. Das Interview mit den beiden Künstlern führte ADZ-Redakteurin Ştefana Ciortea-Neamţiu.

Für das Publikum war das Konzert ein raffiniertes Zusammenspiel, kein Duell. Was haben Sie dabei empfunden?

Gabriel Croitoru: Für uns war es ein Treffen unter Freunden. Es ist ja nun schon die vierte Auflage. Es gewinnt zunehmend an Attraktivität für uns, das Programm zusammenzustellen, wir haben Neues gelernt. In diesem Jahr haben wir als eine Premiere für Rumänien die „Jahreszeiten“ von Piazzolla in einem Arrangement für zwei Geigen und Klavier gespielt. Wir versuchen, je mehr Leute für diese Art Vorstellung zu gewinnen. Es ist auch tatsächlich so, dass es den Menschen gefällt, nicht nur dort, wo wir bisher waren, wir waren erstaunt zu sehen, dass man uns auch in andere Städte einlädt. Leider erlaubt uns die Zeit nicht, eine längere Tournee zu veranstalten.
Liviu Prunaru: Wir hatten keine Zeit, auch noch an das Duellieren zu denken. Es ist vor allem die Musik, die uns ganz für sich einnimmt. Wenn wir zusammen sind, überlegen wir, was Klang, Volumen usw. betrifft, dann könnte dieses Element der Rivalität auftauchen, aber nicht, solange jeder mit seiner Partitur beschäftigt ist.

Warum ist die Stradivari-Geige besser?

Liviu Prunaru: Ich könnte nicht behaupten, dass sie besser ist. (Lacht.) Ich kann sagen, dass die beiden Geigen verschieden sind. Man könnte sie mit einem Sopran und einem Tenor vergleichen. Man kann nicht behaupten, dass der Sopran besser ist als der Tenor. Sie ergänzen sich sehr gut, deshalb spielen Gabriel und ich auch gemeinsam. Und nicht nur die Geigen ergänzen sich, auch wir als Persönlichkeiten. Ein jeder hat etwas, was dem anderen fehlt.

Warum ist die Guarneri-Geige besser?

Gabriel Croitoru: Weil sie bei mir ist. (Lacht.) Nein, sie ist besser, weil zurzeit viel weniger Guarneri-Geigen noch in Konzerten gebraucht werden, weltweit sind es unter hundert. Zweitens wächst der Wert eines Instruments nicht nur durch die Qualität des Klangs, sondern auch durch die Hände derer, die daran gespielt haben. Diese Geige war auch in George Enescus Händen.

Wie fühlte es sich an, diese Geige zu übernehmen?

Gabriel Croitoru: Es war unbeschreiblich, außerordentlich. Das George-Enescu-Museum wurde geschlossen, niemand hatte die Geige gesehen, seit 50 Jahren. Ich hatte meine Geige von zu Hause mitgebracht, es ist übrigens eine italienische Geige, die aber nicht klingt wie diese. Alle waren erwartungsvoll, um zu hören, wie die Guarneri klingt. Ich habe zuerst an meiner Geige gespielt, sie dann sehr stolz auf die Seite gelegt. Dann habe ich die Guarneri ausprobiert, nach zwei Klängen hatte ich meine Violine in den Kasten eingeschlossen, es war ein klarer Fall! Es ist ein außerordentliches Gefühl gewesen, ich hatte die Chance, in Enescus Zimmer zu studieren, wo noch seine Brille, die Füllfeder und ein Fragment der Partituren vom „Ödipus“ sind. Es ist ein sehr emotionaler Moment, so ein Instrument zu berühren, noch emotionaler, sich seiner Unterstützung auf der Bühne zu erfreuen. Ich freue mich, dass ich dieses Instrument wiederbelebt habe. Die Violinen, die nicht berührt werden, sterben zwar nicht, aber sie sind auch nicht am Leben, Instrumente sind keine Gemälde, die man aus der Distanz, ohne sie anzutasten, bewundert. Sie müssen in die Hand genommen werden, wodurch sie erblühen. Die Spezialisten aus unserem Bereich erkennen, dass die Geige durch ihre Wiederbenutzung in Konzerten seit nun fast sieben Jahren ihren alten Glanz wiedergewinnt.

Welches Gefühl hatten Sie, als Ihnen die Stradivari-Geige anvertraut wurde?

Liviu Prunaru: Es war Angst, Überraschung, Ergriffenheit. Ich hatte schon eine Guarneri-Geige. Als ich beim Royal Concertgebouw Amsterdam aufgenommen wurde, hat man mir ebenfalls eine Guarneri-Geige vorgeschlagen, eine sehr gute Geige. Also habe ich sogar auf zwei Guarneri gespielt. Aber irgendwann hat man mir gesagt, als unser Solist und Konzertmeister brauchst du eine Violine, die sich von den anderen abhebt. Dann habe ich mehrere Violinen ausprobiert, schließlich kam man auf zwei Stradivari. Fast hätten wir den Vertrag für die erste Stradivari-Geige unterzeichnet, als im letzten Augenblick die zweite aus London vorgestellt wurde. Nach dem ersten Klang haben alle gesagt: Das ist die Geige!

Welches war aus Ihrer Perspektive die schönste Komposition an diesem Abend?

Gabriel Croitoru: Das ist in meinen Augen „Nigun“ von Ernst Bloch, ich glaube, dass diese Komposition von äußerster emotionaler Kraft ist.
Liviu Prunaru: Ich kann keine nennen. Mir haben alle sehr gut gefallen, auch die Kompositionen, die Gabriel interpretiert hat. Gabriel hat mir auch gesagt, er wähle Kompositionen, die ihm gefallen. Ich wähle auch Kompositionen, die neu für mich sind, zum Beispiel Chopins „Nocturne“, die ich heute Abend als eine Art Hommage an Michael Rabin interpretiert habe, der sie meisterhaft gespielt hat. Und die Polonaise von Henryk Wieniawski habe ich seit meinem 15. Lebensjahr nicht mehr gespielt, seit 30 Jahren also. Die Havanaise  von Camille Saint-Saëns ist eine mir ebenfalls sehr liebe Komposition, sie hatte mich als Kind schon berührt, ich wollte sie dann spielen lernen.

Die Beziehung des Künstlers zum Instrument hängt nicht nur von seiner Virtuosität ab, sondern auch von seinem Temperament.

Gabriel Croitoru: Ich würde eher sagen, sie hängt eher von der Periode ab, zu der die Komposition gehört, Barock und Moderne sind grundverschieden, eine Komposition aus der Romantik ist anders als eine aus der Klassik. Natürlich scheint auch das Temperament hindurch, und auch den einzelnen Moment im Leben eines Künstlers. Das ist ja das Schöne an den Noten, sie sind fertig geschrieben, werden aber jedes Mal anders interpretiert, selbst von demselben Künstler.
Liviu Prunaru: Auf die Virtuosität, das Temperament und auch letztendlich auch auf den Moment kommt es. Wir sollen nicht vergessen, dass die Musik an Ort und Stelle entsteht. Natürlich kann man etwas zu Hause planen und dann nur das Einstudierte darbieten, aber wer das macht, bringt etwas Artifizielles auf die Bühne. Die Musik, so wie das auch Celibidache gesagt hat, wird auf der Bühne geboren.

Junge Geigenspieler sind am Ende des Konzertes zu Ihnen für ein Foto gekommen. Was würden Sie einem jungen Geigenspieler raten, um hoch hinaus zu kommen?

Gabriel Croitoru: Um auf die Worte des Meisters George Enescu  zurückzugreifen: Wenn man auf der Bühne steht, ist ein Prozent von dem, was man sieht, das Talent, der Rest ist Arbeit. Es ist so, dass sich im letzten Jahrzehnt die jungen Leute zu sehr auf den schnellen Gewinn ausgerichtet haben und zu wenig auf die Vertiefung des Studiums dieses schönen Instruments.
Liviu Prunaru: Studium, Beharrlichkeit, Seriosität, Konzentration und viel Liebe für das, was sie machen. Man kann nicht etwas gut machen, wenn man es nicht liebt, wenn man dazu gezwungen wird, von der Schule, den Eltern oder von der Konjunktur. Das geht überhaupt nicht. Wer tatsächlich weit, ganz weit kommen will, der muss dieses Opfer bringen, die nötige Zeit dem Geigenstudium zu widmen.