Zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt

Veröffentlichung der Korrespondenz der Elisabeth zu Wied mit ihrem Gemahl König Karl I. von Rumänien

Silvia Irina Zimmermann (Hg.): Der Briefwechsel Elisabeths zu Wied mit ihrem Gemahl Carol I. von Rumänien. 1869-1913. Teil 1: 1869-1890. Anfangsjahre in Rumänien. Unabhängigkeitskrieg. Königreich Rumänien, 494 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-8382-09067.

Dr. Silvia Irina Zimmermann, Leiterin der Forschungsstelle „ Carmen Sylva“, hat kürzlich den gesamten Bestand an Korrespondenz aus dem Rumänischen Nationalarchiv zwischen Elisabeth und Karl I. (Carol I) von Rumänien aus dem Zeitraum 1869 -1913 in zwei Bänden (Teil 1 1869-1890 – Teil 2: 1891-1913) publiziert. Nahezu fünfhundert Briefe, der Löwenanteil aus der Feder der Königin Elisabeth (432 von Elisabeth, 52 von Karl) wurden hier in transkribierter Form vorgelegt, dazu viele Fotografien des Königspaars und Faksimiles von Originaldokumenten. Eine Einleitung, eine Zeittafel, gleich zwei Inhaltsverzeichnisse und das Namensverzeichnis helfen, sich in der Fülle der Informationen zurechtzufinden. Der erste Teil umfasst 218 Briefe und deckt inhaltlich die Zeit von der Verlobung mit Karl von Hohenzollern-Sigmaringen, dem späteren König Karl von Rumänien, bis zu den Reisen u. a. nach Großbritannien.

Bei dieser Gelegenheit trifft sie nicht nur Queen Victoria in Balmoral, die sie als „schüchterne, überaus freundliche alte Frau“ (T.1. S.464) beschreibt, sondern erwähnt bereits deren Enkelin Maria von Edinburgh, die ihr als reizend und durchaus empfehlenswert für eine Ehe mit dem Thronfolger Ferdinand erscheint. Kaum zu glauben, dass nur wenige Monate später eine Staatskrise um Ferdinand, der sich mit ihrer Hofdame Elena V˛c˛rescu verlobt, ausbricht. Teil zwei (mit 214 Briefen von Elisabeth und 15 von Karl) beginnt daher mit den Briefen aus dem Exil in Venedig, in das sie wegen dieser Affäre flüchtet, und endet 1913 mit einem getippten Brief, da die Königin bereits an grauem Star litt, an Karl während des Balkankrieges 1913.

Das Bild der „rheinischen Prinzessin auf dem rumänischen Thron“ (nach der Biografie von Gabriel Badea-Păun, 2011) wurde durch ihr karitatives Wirken, ihr Mäzenatentum für Musiker wie George Enescu und vor allem durch ihr umfangreiches schriftstellerisches Werk geprägt, das sie unter dem Pseudonym „Carmen Sylva“ (Lied des Waldes) veröffentlichte. Vieles davon lässt sich auch in den Briefen nachverfolgen. Erstaunlich jedoch auch, wer alles nicht vorkommt. So kommen George Enescu oder ihre Mitautorin Mite Kremnitz höchstens in einer Randbemerkung vor. Aus den dunkleren Kapiteln ihres Lebens gibt es leidenschaftliche und oft widersprüchliche Aussagen.

Erste glückliche Jahre bis zum Tod der Tochter Maria

Als Überschrift der Brief-Editionen wählte Zimmermann die Redewendung „In zärtlicher Liebe Deine Elisabeth“ – „Stets Dein treuer Carl“, mit der Königin und König ihre Briefe zu beenden pflegten. Das zeugt von ehelicher Zuneigung, anders als in der vor Kurzem veröffentlichten Korrespondenz zwischen Königin Maria und König Ferdinand, in der Maria in brutaler Offenheit ihre Antipathie für ihren königlichen Gemahl bekundet. Mit mehr Gefühl als man dem als soldatisch streng verschrienen König zugetraut hätte, sind seine wenigen erhaltenen Briefe verfasst. Mitunter unterschreibt er mit „ewig Dein aus ganzer Seele liebender C.“ (T.1, S. 101). Elisabeth entschuldigt sich oft wegen ihrer „Vulkannatur“, ihrer oft überschwänglichen Gefühle. Karl spricht sie mit „lieb, lieb Meini“ an, später erscheint „gut Ibi“, was wohl auf einen Ausdruck der Tochter Maria für „Lieber“ zurückgeht. Während einer Kur in Italien sehnt sie sich nach dem zurückgelassenen Gatten und „Kleinchen“, wie sie die Tochter Maria zu nennen pflegte. Bis zu deren frühen Tod 1874 klingen die Briefe meist heiter, aber selbst danach gibt es kaum Verweise auf dieses Unglück. Erst im Rückblick wird klar, wie belastend dieses einschneidende Erlebnis für sie war.

Gemeinsam an getrennter Front

Im Briefwechsel zum russisch-türkischen Krieg, der ja 1878 zur rumänischen Unabhängigkeit führen sollte, zeigt sich Karl als Feldherr, während Elisabeth ihm von der Pflege der Verwundeten im Spital in Cotroceni berichtet. Karl schildert die strategische Lage oder seine militärischen Leistungen, aber auch die schlimmen winterlichen Bedingungen Ende 1877 und den bedrückenden Anblick der zahlreichen Toten auf den Schlachtfeldern. Elisabeth hat auch Opfer zu bringen: „…es wäre zuviel Glück gewesen, Dich als heimkehrenden Sieger zu begrüßen & zugleich etwas unter dem Herzen zu tragen,…“ (T.1,S. 224). Während oder wegen ihrer unermüdlichen Spitalarbeit scheint sie im November 1877 eine Fehlgeburt erlitten zu haben, eine von zahllosen, die sie zu ertragen hatte.

Der Körper der Königin

Die körperliche Verfassung einer Königin war keine private Angelegenheit. Bis offiziell der Neffe Ferdinand von Hohenzollern-Sigmaringen 1880 zum Thronerben gekürt wurde, versuchte Elisabeth nahezu verbissen, einen Erben zu produzieren. Ihre „Sterilität“ empfand sie als persönliche Niederlage. Deshalb nehmen recht intime Berichte über ihren Gesundheitszustand breiten Raum in ihrer Korrespondenz ein. Einige der Methoden des Arztes und Masseurs, Johann Mezger, Vater der Physiotherapie, der Patientinnen wie Kaiserin Sissi behandelte, wirken aus heutiger Sicht bizarr. Der Masseur mit dem „goldenen Daumen“ nutzte seinen Einfluss weit über das übliche Maß. In einem verstörenden Brief spricht sie von ihren tiefsten Ängsten, ganz offensichtlich auf Veranlassung von Mezger, der ihr ein „Arzt der Seele“ geworden ist.

Nach äußerst schmerzhaften Massagen gesteht sie, Selbstmordgedanken nach dem Tod ihres Kindes gehegt zu haben. Schuld an ihrer „Sterilität“ wäre ihr Stolz und Mezger empfiehlt: „Das ist so schön, wenn man geprügelt ist, da liegt man wie willenlos da, läßt Alles mit sich machen“ (T. 1, S. 300). Frei nach Nietzsches, „Wenn du zum Weibe gehst, vergiss die Peitsche nicht!“, fleht sie Karl an, sie zu züchtigen, um die Leidenschaft zu wecken. Auch wenn die Antworten Karls auf dieses Ansinnen nicht überliefert sind, so zeigen die schriftlichen Reaktionen Elisabeths, dass Karl darauf nicht eingeht, ja er Kinder gar nicht als zwingend notwendig erachtet. Die Wirksamkeit der Mezger-Behandlungsmethoden stellt sie später selbst in Frage und hält Mezger sogar für „erschöpft & geistig etwas gestört.“ (T. 1, S. 461). Aus heutiger Sicht könnten einige ihrer zahllosen Krankheiten psychosomatischer Natur gewesen sein. Bisweilen gibt sie selbst einen Hinweis: „Wenn ich mir nur eine dickere Epidermis anschaffen könnte, dann wäre ich längst gesund. Jeder Rückfall ist einer Gemüthsbewegung zu verdanken.“ (T.2, S. 137)  


Die dichtende Königin Carmen Sylva

Auch wenn Elisabeth bereits in ihrer Jugend Verse verfasste, richtig Fahrt nahm ihre Karriere erst nach 1880 auf, parallel zur Ernennung Ferdinands zum Thronfolger. Zunächst gibt sie sich mütterlich, aber in späteren Briefen nennt sie ihn sogar einen „Idioten“ (T. 2, S. 338-340). Als Kompensation, mehr jedoch um auf diese Weise die Monarchie, d. h. Karl, zu unterstützen, ging sie in ihrer Rolle als Schriftstellerin auf. Zuspruch für ihre Leidenschaft erfährt sie z. B. auf Sylt „Ich erzähle & lese immer von Rumänien, das auf diese Weise bekannt werden wird“ (T. 1, S. 379). Auf ihrer Reise nach Großbritannien, wo sie in Llandudno, Wales, den berühmten Barden-Wettbewerb besucht, feiert sie eine Volksmenge für ihre in der Heimat verpönten „Handwerkerlieder“. „In Deutschland war ich conspuée & in der Fremde begrüßt“ (T.1, S. 434). Vor allem verübelt man ihr das Romanschreiben. Im August 1890 berichtet sie aus dem Segenhaus: „Sehr amüsant ist es, wie ich hier taboo bin wegen ‘Defizit’, das natürlich noch kein Mensch gelesen hat. Es ist ja ein Roman!“ (T.1, S. 420). Mehr als die allgemeine Ablehnung verletzt Elisabeth jedoch die Entfremdung von der Familie. Im August 1890 schreibt sie: „Schwer ists aus schwer! Man wird so räthselvoll & unverstanden! (T.1,S. 423/424 )


Die Văcărescu- und Scheffer-Affären

Neben der gemeinsamen Liebe zur Literatur lassen Elisabeths Faible für Séancen sie in das Fahrwasser der Elena Văcărescu geraten. Geisterbeschwörungen waren bereits in ihrem Elternhaus gang und gäbe. „Ich bin ja in Dingen von Magnetismus, Somnambulismus, Hypnotismus so bewandert wie jeder Arzt, ich habe soviel hysterische Frauen gesehen, daß ich Bücher darüber schreiben kann. Ich weiß also ganz genau, wie weit ich gehen darf…“(T.2, S 72). Bei Hofe wurden diese Séancen vor allem durch ihre Hofdame, die berühmte Pianistin Elena Bibescu, eingeführt, die bereits 1876 als Medium fungierte. Die erst 1889 bei Hofe erscheinende Schriftstellerin Văcărescu, scheint nun laut Karl dies zur Manipulation genutzt zu haben, um eine Ehe mit Ferdinand zu erreichen, obwohl diese Verbindung ausdrücklich nicht verfassungskonform war. Karl müht sich Elisabeth zu beweisen, dass diese einer Intrige zum Opfer gefallen sei.

Er vertieft sich eigens in die Schriften ihres Vaters zum Thema Geisterbeschwörung, um sie von dieser Praxis abzubringen. Gibt Belege für Verleumdungen, u. a. dichtete Văcărescu der Königin eine Affäre mit dem rheinischen Komponisten August Bungert an. Elisabeth wirft Carl Vertrauensbruch vor, weil ihre Briefe kontrolliert wurden, und Konspiration mit ihrer Mutter und deren morganatischen Ehemann Franz von Roggenbach, der sie angeb„Rgbch. muß mich um jeden Preis unschädlich machen, bevor Mama die Augen schließt“ (T. 2, S. 70-71). Konkret geht Elisabeth wenig auf Karls Briefe ein. Stattdessen immer wieder Verweise auf ihre besten Intentionen und Traumata aus ihrer Kindheit.

Der Kuraufenthalt in Venedig führt, nach der Entlassung der Hofdame, zum Aufenthalt in Pallanza am Lago Maggiore, um ihr Nervenleiden zu kurieren, wogegen Elisabeth kaum etwas einzuwenden hat. So lobt sie den Doktor dort und behauptet, wegen der Schmutz-kampagne nach Bukarest gar nicht zurück zu wollen. „Ich bin aus tiefster Seele dankbar für die stille friedliche Zeit“ (T.2, S. 134). Hingegen hadert sie mit ihrer Unterbringung im elterlichen Segenhaus und es empört sie, dass man sie in Bukarest nicht haben wolle, wenn sie nicht gesund sei.

Verlängert wird der ungeliebte Aufenthalt durch die Indiskretion ihres ehemaligen Privatsekretärs Robert Scheffer, der 1893 das Buch „Misčre royale“ veröffentlicht, wodurch der Skandal um sie erneut aufgeheizt wird. Die Reaktion von Karl ist diesmal sehr schroff. „Ein geradezu niederschmetternder Beweis für deine grenzenlose Indiscretion liegt jetzt vor“,…„ruft hier wahres Entsetzen und in ganz Europa grosses Erstaunen hervor“ (T.2. S.275), und „Du fühlst nur ein an Dir begangenes Unrecht…, von einer Erkenntnis Deiner eigenen Schuld stand keine Sylbe in Deinen Briefen“ (T.2 S. 288), während Elisabeth in Selbstmitleid versinkt: „Wenn ich an die Zukunft denke, so erscheint mir mit Grausen der Gedanke, daß sich die Menschen für das entsetzliche Buch an mir rächen werden“ (T.2, S. 294). Paradoxerweise kehrt nach diesem Tiefpunkt eine Wende ein.

Ganz allmählich, vor allem weil ihre Mutter ihr ein Atelier im Segenhaus einrichten lässt, kehrt ihre Lebensfreude zurück, selbst ihr Verhältnis zu Roggenbach bessert sich. „Sobald wir allein sind, ist es geradezu köstlich“… „& wir bringen die angenehmsten Plauderstündchen zu …“ (T.2, S. 360). Damit nähert sich die schwerste Krise in ihrer Ehe dem Ende – pünktlich zu ihrer silbernen Hochzeit kehrt die Königin nach Bukarest zurück.

Dies sind nur einige Aspekte aus der Fülle dieses Quellenmaterials. Vieles ließe sich noch aufführen über Elisabeths Verhältnis zu Politik und Religion im Allgemeinen oder persönlich zu Ferdinand und Maria, denn auch da standen neue Skandale an, die zu bewältigen waren.