Zwischen Lyzeen und Bars

Klausenburger Studenten touren durch Rumänien, um für ein deutschsprachiges Studium zu werben

Studenten des Gutenbergvereins unterwegs durch Bukarest

Als der Sprinter auf die Ausfallstraße nach Galatz einbiegt, ist es bereits kurz vor Mitternacht. Schlaglöcher versetzen ihn in heftiges Schaukeln. Hinter den Leitplanken reflektiert die Donau das Halogenlicht von Werbetafeln. Mit Schrittgeschwindigkeit bewegt sich die Gutenberg Karawane ihrem Etappenziel entgegen. „Willkommen in Galatipolis“, sagt Alexandru, während der Bus durch eine Menschentraube rollt, die sich um einen Unfall und stumm gestellte Polizeisirenen versammelt hat.
Es beginnt im „Oktoberfest“, wo ich die Studenten des Gutenbergvereins zum ersten Mal treffe. Vor der Eingangstür schwebt ein Bierkrug mit stilisierten Flügeln, darüber der altdeutsche Schriftzug. Hauptsächlich wird Tuborg ausgeschenkt. Auf einem Bildschirm unter der holzvertäfelten Decke läuft das Rückspiel zwischen Arsenal London und Bayern München. Soso, Aha, das also stellt sich Bukarests Altstadt unter deutscher Kneipenkultur vor. Andreea Breaz, Generalsekretärin und Tourplanerin, begrüßt mich sehr offiziell und förmlich, was hier ein bisschen lustig wirkt. Später wird sie mir ihre Visitenkarte geben, und ich werde denken: Wow, die meinen das wirklich ernst.

Um die deutschsprachigen Studiengänge der Babeş-Bólyai-Universität landesweit in Lyzeen zu bewerben, fährt der Gutenbergverein einmal im Jahr kreuz und quer durch Rumänien. Zwar bietet die Klausenburger Hochschule als einziger Standort in Südosteuropa ein breitgefächertes Studienangebot in deutscher Sprache – so können neben Germanistik, Europastudien, Psychologie und Journalistik auch Natur- oder Wirtschaftswissenschaften gewählt werden –, was aber lange Zeit fehlte, war ein Umfeld, das die deutsche Sprache auch in außeruniversitären, alltäglichen Situationen zum Einsatz brachte. Deshalb gründeten Studenten 2009 den Gutenbergverein, der zuerst die Fakultäten untereinander vernetzte, um anschließend mithilfe verschiedener Projekte, wie der Sommerschule, dem Wintercamp, Theaterworkshops und Medientagen, sein Netzwerk landesweit auszubauen. Viele Schüler, erzählt Andreea, seien auf die Babeş-Bolyai-Universität erst durch die Karawane aufmerksam geworden.
Ordentlicher, investigativer Journalismus führt mich zu der Frage, ob Gutenberg nicht ein eher altbackener Namenspatron für einen Studentenverein sei, besonders nach McLuhans „Ende der Gutenberg-Galaxis“. Andreea lacht und sagt etwas über Zeitlosigkeit und ich bemerke, dass mir gerade auch niemand einfällt, der als Aushängeschild 2.0. herhalten könnte. Die Figur Gutenberg ist tatsächlich von einer Neutralität, gegen die sich schwer etwas sagen lässt. In der 90. Minute verschießt Thomas Müller einen Elfmeter. Dann zieht die Karawane weiter nach Regie, diesem merkwürdig zwischen Dâmboviţa und Studentenwohnheimen eingezwängten Partyviertel. Die Kneipen sind brechend voll. Irgendwo singt ein dicker Mann Volkslieder. Ich winke nach einem Taxi.

Vor der deutschen Botschaft treffen wir uns wieder. Auch die wirkt eingezwängt, was weniger an den umstehenden Gebäuden liegt, als an Sicherheitszaun und Eingangspforte, in der wir nun unsere Handys und Ausweise abgeben. Wer hier Mist baut, denke ich, baut ihn auf deutschem Boden und wird nach deutschem Recht bestraft, was im Zweifelsfall immer von Vorteil ist. Aber nach dem Metalldetektor wird klar: der Gutenbergverein ist sauber, keinerlei Gefahr, ja super, hier entlang, danke. Im Konferenzraum hängt eine hübsche Fotografie vom Bundespräsidenten, weshalb mir auch gleich der Bundespräsident a. D. einfällt und sein Eigenheim in Großburgwedel und ich denke, dass dieses Haus ebenfalls ziemlich eingezwängt dasteht, worüber sich Wulff aber nie beschwert hat, und daran dass ihm diese Genügsamkeit kaum einer dankt. Neben der deutschen Flagge posieren wir für ein Gruppenfoto. Draußen auf dem unasphaltierten Parkplatz wartet der Karawanen-Sprinter.

Überhaupt dieser Bus. Da machen sich natürlich große Bilder auf: Die Merry Pranksters im bunten Schulbus auf Acid-Tour, die Beatles auf Magical Mystery und ganz am Ende, zugleich Abgesang und Karikatur, die Vengaboy im Vengabus. Ob sich die Karawane auch ein wenig danach anfühle, will ich von Tibi Titieni wissen, als wir abends in einer Karoakebar sitzen. Was Tibi dann erzählt, ist eine Geschichte zwischen Promo und Roadtrip, die Skizze der effektivsten Werbung, die in diesem Zusammenhang überhaupt vorstellbar ist. Sicher, es gibt ein Dutzend guter Gründe, warum ein Studium auf Deutsch sinnvoll und zukunftsorientiert sein kann, doch viel wichtiger als das Aufzählen harter Fakten, ist die Generierung einer Marke, und diese Marke behauptet: Klausenburg ist der Ort in Rumänien, wo gerade etwas aufregend Neues passiert. Epizentrum, Sammelbecken, so was in der Art. Tibi selbst ist dafür kein schlechtes Beispiel. Seine blondierten Haare sind eine Erinnerung an die Castingshow X-Factor, die allmählich rauszuwächst. Bis in die Liveshows kam er, dann hörten die Zuschauer auf, für ihn anzurufen. Er erzählt, wie ihm die Produzenten hinter den Kulissen eine Typberatung verpassten. Viel Fassade sei das, sagt Tibi, aber eben auch eine gute Erfahrung, immerhin verdiene er nun etwas Geld als Sänger. Manchmal erkennen ihn Passanten auf der Straße. Hier beim Karaoke erkennt ihn niemand, dafür beginnt die ganze Bar Michael Jacksons „Heal the world“ zu singen, was auch nicht schlecht ist.
Am nächsten Tag brechen wir auf nach Galatz.