Aloisia Lang, eine der letzten Deutsch-Saskaerinnen, vor Kurzem verstorben

Bokschan: ÖSK-Auszeichnung für Luise Lang durch Dr. Herwig Brandstetter im Jahr 2006

Luise Lang, 2012 - Deutsches Konsulat Temeswar Fotos: DFBB

Vor Kurzem verstarb in Deutsch-Saska / Sasca Montană im südlichen Banater Bergland Aloisia Lang (*22. Juni 1932, Deutsch-Saska - †15. Juli 2020, Deutsch-Saska), allseits als Luise Lang bekannt, eine der letzten Deutschen in diesem Raum. Ihr ist so manches zu verdanken, was hier, besonders im Bereich des Kriegsgräberfürsorge geschehen ist. In einem Interview, das sie im Jahre 2006 Gerhard Chwoika gab, erzählte sie über die Geschehnisse in diesem südlichen Raum des Banater Berglands in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs. Hier ein Auszug aus ihrem Interview von damals: „ ...Es geschah im Oktober des Jahres 1944, als ich 12 Jahre alt war. Die deutschen Soldaten sind aus Serbien gekommen, es war nach dem 23. August 1944, ein historischer Wendepunkt, der Tag, an dem Rumänien sein Waffenbündnis mit Deutschland kündigte, um sich den Alliierten anzuschließen. Wir waren alle zu Hause, mein Vater kehrte aus der rumänischen Armee infolge einer Erkrankung heim. Zuerst marschierten die rumänischen Soldaten durch Deutsch-Saska Richtung Bosowitsch und nach zwei Tagen sind die deutschen Soldaten eingezogen. Der Abend ließ sich still über unsere Gemeinde nieder. Es war einfach zu viel Stille. Eines Abends aber fingen die Kanonen zu schlagen an. Die Projektile sind nur so über Saska geflogen. Eines schlug oben am Kreuzberg ein. Die abgebrochenen Felsenstücke flogen uns bis vor die Tür. Gemeinsam mit allen Gemeindebewohnern entschlossen wir uns in einen alten verlassenen Grubeneingang zu flüchten, um dort zu übernachten. Am Morgen des nächsten Tages, als sich die Lage beruhigt hatte, gingen mein Vater und noch einige Männer runter und stellten fest, dass die deutsche Armee in unsere Gemeinde eingezogen war. Die Stille der Gemeinde beunruhigte aber die deutschen Soldaten. Mein Vater erklärte ihnen, dass die meisten Bewohner ins Almasch-Tal geflüchtet waren. Einige von uns sind dann wieder in ihre Häuser zurückgekehrt. Die deutschen Soldaten, obwohl sie als Feinde angesehen wurden, hatten sich sehr schön aufgeführt und freuten sich auch irgendwie, dass wir Deutsche waren. Sie blieben einige Tage in Saska, danach zogen sie weiter. Wir hatten damals hier im Haus ein kleines Geschäft mit Allerlei. Die Soldaten kauften sich, was sie auf ihrem Weg noch brauchten. Was mir damals schon auffiel, trotzt Kriegszeit, die Menschlichkeit starb niemals, die deutschen Soldaten bezahlten alles bis aufs letzte gekaufte Stück. Es vergingen einige Tage, die deutschen Soldaten zogen auf und ab. Eines Tages kam ein deutscher Offizier zu meinem Vater und bat ihn, das Haus mit uns allen zu verlassen. Die Deutschen konnten die Front nicht mehr halten, kein Nachschub kam mehr, die Vorräte schrumpften von Tag zu Tag, die Situation wurde kritisch. Ich konnte diese eine Nacht nicht vergessen, als sich die Soldaten zurückzuziehen versucht haben. Mein Vater war beim Tor gestanden und hat ihren gruppenweisen Rückzug beobachtet. Einige von ihnen waren verletzt, einige verwundet. Mein Vater lud eine Gruppe ins Haus, um sie zu ernähren und die Verwundeten zu verbinden. Wir hatten am kommenden Tag, dem 4. Oktober, Kirchweihfest. Meine Großmutter hat gerade frisches Brot gebacken und als sie sich satt gegessen hatten, sagte mein Vater, dass sie einige Tage bei uns bleiben könnten. Sie lehnten ab und sagten: Wenn wir hierbleiben, dann erschießen sie auch Euch alle. Sie haben keine Ahnung, was da hinter uns kommt....  Sie waren fortgegangen, die Nacht ließ sich nieder. Es war sehr viel Stille wieder da. Einige Nachbarn waren noch bei uns im Keller gemeinsam gesessen. Mein Vater sagte dann, dass es Zeit wäre, um uns ins Bett zu legen. Meine Mutter und ich legten uns hin, so angezogen, wie wir waren. Mein Vater ging noch kurz bis zum Fenster um nachzusehen, ob vielleicht noch jemand auf der Straße sei. Als er das Fenster schließen wollte, sah er Finger, die das Fenster auf einmal aufrissen. Die Russen waren eingetroffen! Mein Vater konnte sehr gut serbisch sprechen und verstand sich sofort mit ihnen. Er sperrte die Tür auf und die Russen füllten das Haus. Meine Mutter teilte ihnen die übergebliebene Ware aus den Regalen aus. Sie nahmen alles, was sie für brauchbar gehalten haben mit, sogar das ganze Geld meines Vaters aus einer alten Jacke. Kurz nachdem sie das Haus verließen, fing man zu schießen an. Granaten flogen, sie schrien, es war schauderhaft. Wir flüchteten durch den Garten zum Nachbarn. Die Russen kamen über die Berge und überraschten die letzte deutsche Gruppe, die ihren Rückzug angetreten hatte. Zuerst sind vier Mann erschossen worden und um drei Uhr früh noch drei, die von einer Einheimischen, die sie in ihrer Scheune fand, verraten worden sind. Die Russen suchten sofort alle Häuser durch und wir konnten nicht mehr zu den Nachbarn flüchten, wir versteckten uns im Keller unseres Hauses. Als wir dasaßen, kam ein russischer Offizier mit einem Revolver in der Hand. Als ich die Pistole sah, fing ich zu schreien an. Der Offizier fragte meinem Vater, weshalb ich so schreie. Mein Vater sagte ihm, dass ich Angst hätte. Mit Tränen in den Augen sagte der russische Offizier, dass seine Familie auch von den Deutschen getötet worden war. Man kann sich ja vorstellen, was mein Vater und wir damals in diesen Momenten empfunden haben. Der Offizier setzte sich nieder und trank ein Gläschen Wein mit meinem Vater. Nach einer Weile hat er meinen Vater auf die Straße mitgenommen, um ihm die getöteten deutschen Soldaten zu zeigen. Als es wieder Tag wurde, marschierte die russische Armee auf und ab, den ganzen Tag lang. Die Toten lagen dort, wo sie erschossen wurden, halb nackt, ohne Schuhe, keiner traute sich sie anzurühren. Nach einer Woche ließ endlich das tägliche Auf- und Abmarschieren nach. Dann gingen die deutschen Männer unserer Gemeinde hinauf zum Friedhof und gruben ein Grab. Die alten Frauen luden die Körper auf kleine Wägen und führten sie nach oben auf den Friedhof und da wurden sie bestattet. Meine Mutter hat sich ab diesem Tag um das Soldatengrab gekümmert, viel mehr, nachdem mein Vater in Russland, drei Jahre nach seiner Deportation sein Ende fand. Sie sagte: Wenn ich mich nicht um meinem Mann sein Grab kümmern kann, dann wenigstens um das. Wir machten schwere Zeiten auch in den 50-er Jahren unter dem kommunistischen Regime mit, weil wir mal ein Geschäft hatten und als Ausbeutergalten. Seit meine Mutter 2003 ihre letzte Ruhe fand, kümmere ich mich um das deutsche Soldatengrab weiter. Es ist ja nicht viel zu machen, außer es mit frischen Blumen zu schmücken und Kerzen anzuzünden. Wenn ich es immer wieder erzähle, wiedererlebe ich jede Szene von damals“.

Mit Unterstützung des Österreichischen Schwarzen Kreuzes, Kriegsgräberfürsorge (ÖSK) - Landesgeschäftsstelle Steiermark, unter der direkten Leitung seines Kurators Dr. Herwig Brandstetter, wurde im Oktober 2007 die Renovierung des Grabmals in Deutsch-Saska vollendet. Der Abschluss der Arbeiten wurde mit Unterstützung des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen in Reschitza ermöglicht. Nun steht neben dem Kreuz aus Eisen, das von den Deutsch-Saskarern hier errichtet wurde, auch ein mit Hilfe des ÖSK aus Graz angefertigtes Kreuz aus Stein mit einer Grabinschrift. Der Text darauf ist folgender: „Hier ruhen drei deutsche Soldaten, die am 4. Oktober 1944 gefallen sind: Hauptwachtmeister Walter Feeser (geb. 15.11.1907), Unterwachtmeister Martin Kaun (geb. 10.01.1923) und Eduard Kuhn, sowie vier weitere unbekannte Soldaten der Deutschen Wehrmacht, die ebenfalls am 4. Oktober 1944 gefallen sind”. Seit dem Volkstrauertag am 14. November 1999 kam wiederholt der Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar oder sein Vertreter nach Deutsch-Saska, um hier einen Blumenkranz niederzulegen. In der Zeitspanne 2008 - 2012 geschah das alle zwei Jahre, das letzte Mal am 18. November 2012. Am 26. Juni 2014 fand eine Ehrung der Gefallenen zu hundert Jahren seit dem Beginn des Ersten Weltkrieges am römisch-katholischen Friedhof von Deutsch-Saska beim Grabmal der Gefallenen, statt. Für ihre Tätigkeit im Bereich der Kriegsgräberfürsorge wurde Luise Lang im Laufe der Jahre ausgezeichnet. So bekam sie in Bokschan seitens des Österreichischen Schwarzen Kreuzes, Kriegsgräberfürsorge das Goldene Ehrenzeichen am 6. Oktober 2006 im Rahmen des Heimattags der Banater Berglanddeutschen durch Kurator Dr. Herwig Brandstetter aus Graz ausgehändigt. Am 25. April 2012 bekam Luise Lang in den Räumlichkeiten des Konsulats der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar durch Konsul Klaus Christian Olasz die „Baruch-de-Spinoza“-Medaille des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., „in Anerkennung besonderer Verdienste um das Werk der Kriegsgräberfürsorge, das der Verständigung und der Erhaltung des Friedens dient“, wie es auf der Urkunde heißt, ausgehändigt. Luise Lang wird auch im Leben der kleingewordenen katholischen Kirchengemeinde von Deutsch-Saska fehlen. Durch ihr Sterben bleibt eine unersetzbare Lücke im Leben der deutschen Gemeinschaft im Ort und Raum…