Aus dem Bauch heraus

Fotoausstellung „Fashion Food“ bringt Essen und Mode zusammen

Lebensmittel statt auf dem Teller auf dem Körper. Während der Nacht entstanden die Fotografien. Es war für Helge Kirchberger und Roland Trettl ein Projekt außerhalb der Arbeitszeiten.
Foto: Helge Kirchberger

 

Wenn ein Starkoch und ein Starfotograf zusammenkommen, um gemeinsam ein Projekt aus der Taufe zu heben, dann landet das Essen nicht mehr auf dem Teller, sondern auf dem Körper. Das ungewöhnliche Fotoexperiment tauften Helge Kirchberger und Roland Trettl „Fashion Food“ und seine Umsetzung geschah über Nacht.

Auf der Suche nach einer ausgefallenen Idee für den Canon Pro Fashional Photo Award kam der Werbefotograf Helge Kirchberger auf diese kuriose Verbindung. „Alles was Mode ausmacht“ hieß das Thema des Fotowettbewerbs, das der Kamerahersteller Canon ausschreibt. Durch seine Arbeit für das Gourmetrestaurant „Ikarus“ schlug er dem Starkoch Roland Trettl eine Zusammenarbeit vor. Das Ergebnis: Lauchzwiebeln als Kopfschmuck, Lachsstreifen als Tank-Top, sepiagefärbter Nudelteig als hautenges Kostüm, ein Oktopus als Tunika. Trettl kleidete Kirchbergers Models mit Essen ein. Er ging dabei so akribisch vor, wie in der Küche. „Rolands Ansatz war sicher auch der, weil er in der Küche auch ein Künstler ist“, so Kirchberger. „Die Gerichte, die er am Teller anrichtet, sind Kunstwerke, die nicht nur schön zum Anschauen sind, sondern auch geschmackliche Kunstwerke.“ Das Problem für den international gefeierten Koch bleibt die Zeit. Was er kreiert, sein Kunstwerk am Teller, ist mit dem ersten Stich, mit der Gabel, mit dem Löffel innerhalb von einigen Minuten weg. Durch die Bilderserie konnte Trettl seine Arbeit verewigen, indem er etwas geschaffen hat, das man in zehn oder in 15 Jahren noch anschauen kann.

Für Helge Kirchberger brachte das Projekt neue Erkenntnisse, die er in seinen Werbeaufträgen für Restaurants gut einsetzen kann. „Wie reagiert Schokolade, wie reagiert eine Fischhaut, wenn ich mit einem weichen Licht arbeite, wenn ich mit einem Gegenlicht arbeite, mit Streiflichtern, wie hole ich Strukturen raus, aber immer in Verbindung mit Haut, mit Gesichtern“, erklärt der Fotograf. „Es geht ja nicht nur um Detailaufnahmen, sondern es geht um das Gesamte, um den Eindruck.“ . Für Kirchberger ist es wichtig, dass seine Bilder eine Geschichte erzählen. „ Ob das die Körperhaltung ist, ob es eine Handhaltung ist. Oft sieht man nur Augen und es fasziniert einen, aber dann, was könnte der oder die sich gedacht haben, wie geht es dem in diesem Moment mit diesen Lebensmitteln am Kopf auf der Haut und das ist das Spannende“, sagt er.  „Sachen zuzulassen, die passieren, nichts zu planen, es ist ganz schwierig, wir können also nicht planen, dass man sagt, wir wollen heute acht Aufnahmen oder mit diesem Teig muss das und das passieren.“

 

Kritik an Fashion Food

Schon vor drei Jahren ist der Kontakt mit dem Deutschen Kulturzentrum aus Temeswar zustande gekommen. Aus beruflichen Gründen hat erst jetzt eine Zusammenarbeit geklappt. Auch die „Fashion Food“-Bilder wurden in Kirchbergers und Trettls Freizeit gemacht. Die Fotoshoots fanden immer in der Nacht von Freitag auf Samstag statt. „Für mich als Fotograf dauerte die Arbeit manchmal zwei bis drei Minuten, manchmal 15 Minuten.“ Den größten Aufwand hatte Trettl, der die Models mit seinen Essenskreationen einkleiden musste. Die Bearbeitung der Bilder nahmen die beiden im Studio am Samstag Nachmittag vor.

„Das Experiment war immer, hochwertige Beauty- und Fashion-Fotografie, ästhetische Fotografie zu liefern“, sagt Kirchberger. „Roland ist Ästhet, ich bin es auch, wenn ich das von mir behaupten darf, und diese Kombination von vergänglichen Produkten, wirklich präsent zu sein, Strukturen herauszuholen, die vielleicht nicht sichtbar sind oder die man nicht beachtet, dann ist das eine ganz spannende Angelegenheit, die Kombination war perfekt.“

Lebensmittel auf Menschen? Viele Menschen stellten sich sehr kritisch darauf ein. Schließlich würde man mit Essen nicht spielen. „Mir und dem Roland seine Mama hat man das natürlich auch gesagt“, scherzt der Fotograf.  „Man muss diesen Menschen sagen, dass wir nicht die richtigen Ansprechpersonen sind, solange es Tourismusattraktionen gibt, wo Tonnen von Tomaten vernichtet werden, wo eine Überproduktion an jeglichen Lebensmitteln stattfindet. Der Skandal ist eher der, was passiert bei großen Lebensmittelketten am Samstag Nachmittag, wenn die Geschäfte schließen?“

In Temeswar/Timi{oara wurden die Arbeiten des Duos nicht kritisch aufgenommen. Helge Kirchberger hat auch als Dankeschön für die Einladung eines seiner Bilder aus der Ausstellung dem Deutschen Kulturzentrum Temeswar geschenkt.