Beiträge zur Banater Erinnerungskultur (19)

Foto: Zoltán Pázmány

In der Gegenwartsgeschichte werden die zwei Jahrzehnte vor Ausbruch des ersten Weltkriegs gern klischeehaft als „Ruhe vor dem Sturm“ bezeichnet. Dem war überhaupt nicht so. Österreich-Ungarn durchlebte in diesen Jahren – nicht selten schmerzlich – den letzten Schritt in Richtung Moderne: es begann die Emanzipation der Frauen, Siegmund Freud vertiefte sich ins Unbewusste unserer Existenz, die Musik verließ die soliden Fundamente der Harmonielehre, die Malerei warf die Gegenständlichkeit ab und erhob sich in immer abstraktere Räume, bis Malewitsch 1915 sein erstes „Schwarzes Quadrat“, und 1918 das „Weiße Quadrat auf weißem Grund“ malte.

Das war die endgültige Loslösung der Moderne in der Malerei vom Gegenständlichen (obwohl: Quadrate sind auch schon wieder Gegenständlichkeit – aber eine ganz andere...). Die Nationalismen erstarkten im nichtverwobenen Vielvölkerstaat, der Antisemitismus trieb Blüten (auch, aber nicht nur, als Reaktion auf die Aktivitäten Herzls – man lese hierzulande nur mal die Publizistik des Nationaldichters Eminescu und man wird staunen, wieviel Judenhass der Nationaldichter der Rumänen damals aufs Papier brachte!),

Begriffe wie „Subkultur“ und „Gegenkultur“ kamen in liberalen Intellektuellenkreisen auf. Alldiese, teils zentrifugalen Tendenzen waren den Intellektuellen durchaus bewusst: „Wir wenigen sollten zusammenhalten“, schrieb Siegmund Freud an Karl Krauss schon im November 1906. Wien wurde zur Stadt, „in der man an einem Tag hunderte Tage erleben kann“, wie Robert Musil festhielt.

Der alte Kaiser Franz Joseph I, der immer noch ein immenses Tagespensum an Arbeit bewältigte, stand der Kunst neutral, der Kunstförderung – vor allem im öffentlichen Raum – positiv gegenüber. Er sah in der Kunst einen Faktor des Zusammenwachsens im Vielvölkerstaat: „Ich habe die bildenden Künste (...) stets mit Freude gefördert, und insbesondere schien Mir die Gründung von Pflegestätten für die Küste als eine Meiner schönsten Regentenverpflichtungen“, schrieb er 1901 in einem seiner „Allerhöchsten Handschreiben“.

Es ist die Zeit der „Sezessionsausstellungen“, eines Gustav Klimt, Kolo(man) Moser, Josef Hoffmann oder Alfred Roller, aber auch der Elena Luksch-Makowsky, der Broncia Koller-Pinell, der „Jungen Wilden“ Oskar Kokoschka und Egon Schiele (von denen vieles von der Brutalität und dem extremen Schmerz des ersten Weltkriegs in ihren Bildern vorweggenommen wurde. Oder des Architekten Otto Wagner.

Man mag kaum an einen Zufall glauben: im Jahr, als mit dem ersten Weltkrieg eine Epoche Mitteleuropas zu Ende ging, starben Gustav Klimt, Koloman Moser, Egon Schiele und Otto Wagner. Das Goldene Wien verblich mit ihnen.

Wien hatten die Söhne der Banater Schwaben im ersten Weltkrieg wohl nur zufällig sehen können – wenn überhaupt. Dafür umso schmerzlicher die Schlachtfelder des Kriegs. Seinen Gefallenen hat Warjasch eines der beeindruckendsten wappenadlergeschmückten Denkmäler gewidmer, das auf einem eigens dafür sorgfältig hergerichteten Teil des römisch-katholischen Friedhofs steht. Gedacht wird hier sowohl der Gefallenen und Vermissten des ersten und zweiten Weltkriegs als auch der während der Deportationen nach dem zweiten Weltkrieg Verstorbenen.