DER BZ-KOMMENTAR: Kruger-Dunning und Peter

Erwischt, erklärte ein Bankräuber in den USA, er sei äußerst überrascht, dass ihn die Überwachungskameras gefilmt hätten: er hätte sich doch vorher zur Unsichtbarmachung gründlich mit Zitronensaft eingerieben. Davon ausgehend haben die Psychologen J.Kruger und D.Dunning die Grenzen zwischen Selbsteinschätzung und Inkompetenzniveau untersucht und den Kruger-Dunning-Effekt definiert: die kompetenzlosesten Individuen überschätzen ihre Kompetenzen, die kompetentesten unterschätzen sie. Die Unkompetentesten sehen sich nicht nur für sehr oder gar extrem kompetent an, sie sind strukturell unfähig, Kompetenzen anderer zu verstehen.

Hätte Theophrastos, ein Schüler des Aristoteles, neben seinen 30 auch einen 31. Charakter definiert, hätte er wohl über den Unkompetenten geschrieben, er sei gut Freund mit Ungeschicktheit, Unwürdigkeit, Dummheit, Nichtanpassung an eine Aufgabe, Unfähigkeit, etwas zum guten Ende zu bringen. Das Gegenteil, die Kompetenz, ist demnach die Eigenschaft eines Menschen, etwas zu gutem Ende zu bringen, sich auf etwas zu verstehn, also Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung zur Besetzung eines Amtes oder Postens mitzubringen. Kompetenzlosigkeit würde, logisch, auch verbieten, die Fähigkeiten eines anderen einzuschätzen.

Unkompetent sein setzt auch Unehrlichkeit, Prinzipien- und Wertlosigkeit voraus. Unehrlichkeit sich selbst gegenüber, implizite Unkenntnis seiner selbst. Unkompetenz kommt einher mit Kriecherei, Arschleckerei, Misstrauen, Lüge, politischen Spielen und Szenarien, Verrat, Lästerung, Klatsch und Boshaftigkeit, aber auch mit maßloser Selbstüberschätzung und Überheblichkeit. Den Kompetenzlosen erkennt man meist am übersicheren Auftreten und am unaufhörlichen Von-Sich-Geben absoluter Weisheiten. Der Unkompetente kann sowieso alles besser. Unkompetente suchen die Nähe Unkompetenter. Haben sie Macht, umgeben sie sich mit Gleichen.

Zwei andere amerikanische Psychologen, L.Peter und R.Hull, haben das auch bei Humanitas (1999) erschienene Buch „Peters Prinzip/Principiul lui Peter“ veröffentlicht. Dieses lautet: „In jedwelcher Hierarchie hat jeder Angestellte die Tendenz, bis zu seinem höchsten Inkompetenzniveau hochsteigen zu wollen.“ Im Umkehrschluss: jede Institution/Organisation umfasst eine Anzahl Individuen, die unfähig sind, ihre Verantwortlichkeiten wahrzunehmen. Peters Prinzip besagt auch, dass es zur Fatalität jedes Menschen gehört, zur Kompetenzlosigkeit vorzustoßen. Das soll niemand erschrecken, meinen Psychologen, eher dazu ermutigen, zur Bescheidenheit zurückzukehren, zur „kreativen Inkompetenz“, also Beförderungen abzulehnen und auf jenem Posten zu verharren, wo man glücklich ist.

Die Ablehnung der Chance des Berufsaufstiegs ist psychologisch schwierig.

Ablehnung eines Berufsaufstiegs, Förderung der „kreativen Inkompetenz“, Wahrung des persönlichen Glücks setzen laut Peter/Hull die Zähmung des Ego voraus, ein effizientes Selbstmanagement. Ohne Ehrlichkeit sich gegenüber geht das nicht, auch nicht ohne Selbstkenntnis („Erkenne dich selbst...“). Kompetenzlose sind unfähig, eine Aufstiegschance abzuschlagen. Auch die, die am Überheblichkeitskomplex leiden. Die sehen sich als einzig Geeignete zum Aufstieg. Je weniger unternehmerische, Manager- oder Führungskompetenz sie haben, für umso geeigneter halten sie sich. Peter/Hull nennen das „Denk-Pattern der Kompetenzlosen“.

Sie führen einen Großteil der heutigen Welt. Sie treten zwei Grundhaltungen der Menschheit mit Füssen: „Erkenne dich selbst“ und „Vermeide Exzesse“.

Unwürdige Manager erkennt man an überstarker Motivation, ihren Einfluss und ihre Macht zu vergrößern („Chef-Sein-Krankheit“), aber auch durch ihren Einfluss auf ihre Mitarbeiter: die Kompetentesten und Engagiertesten unter ihnen werden demotiviert, verringern ihre Bemühungen und gehen schliesslich. Andere werden über Nacht ebenfalls kompetenzlos, nach dem Erfolgsmodell des Chefs. Es entsteht die „Kultur der Kompetenzlosigkeit“. Schätzungen zufolge (nach D.L.Dotlich und P.C.Cairo, 2011) sind zwei Drittel aller heutigen Geschäftsführer („CEO“) so kompetenzlos, dass sie nicht mehr als drei Jahre ihre Posten zu besetzen vermögen, wobei sie entweder von selbst gehen oder gefeuert werden. Zwei Fünftel der CEO scheitern nach durchschnittlich 18 Monaten. Peter/Hull sagen, sie hätten „das ihnen eigene Inkompetenzniveau erreicht“.

Die Frage, die sich stellt ist, wie das Selektionsgitter des beruflichen  Aufstiegs ausschaut, dass „den Geeignetesten an den rechten Ort“ hievt. Es geht um Vertrauens-Würdigkeit, um „den Menschen, der seinen Ort heiligt“. Dafür reicht Kompetenz allein nicht. Es gehört Ehrlichkeit, Motivation und Entschlossenheit dazu, Werte und Haltungen, die Suche nach Selbstverwirklichung und Exzellenz. Dies die ideale Seite.

Die reale ist weniger hehr. Die Führung durch Kompetenzlose verdreht das Selektionsprinzip. Petru Cre]ia spricht von der „sorgfältigsten Auswahl der Ungeeignetesten“. Prävalentes Auswahlprinzip ist das Politische (zur Ceau{escu-Zeit: Pile, Cuno{tin]e, Rela]ii), Nepotismus, Beziehungen, Gevatterschaft. Das untergräbt die Integrität der Gesellschaft.

Grundlage einer Heilung ist gnadenlose Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Das ist auch eine Erziehungsfrage. Offenes In-den-Spiegel-Schauen ist hilfreich. Sehen, was dort zu sehen ist. Nicht, was man sehen möchte.

Man sollte sich auch Albert Einstein in Erinnerung rufen: „Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit. Bei ersterem bin ich mir noch nicht so sicher...“

 

 

 [1] Dieser und der nächste Beitrag fussen auf Überlegungen von Dr. Dorin Bodea, dem Autor des hier schon mal zitierten Buchs „Valorile angajaţilor români“ (2013)