„Der Dramaturg baut eine Brücke“

Interview mit der Dramaturgin Andrea Reisz

Die Nikolaus-Lenau-Absolventin ist eines der neuen Gesichter am DSTT. Andrea Reisz ist seit drei Monaten Dramaturgin am deutschen Staatstheater.
Foto:Zoltán Pázmány

Das Deutsche Staatstheater Temeswar hat seit fast drei Monaten eine neue Dramaturgin. Sie heißt Andrea Reisz, hat in Wien Theater-, Film- und Medienwissenschaften studiert und hatte sich schon einmal am DSTT für eine Stelle beworben, für die sie aber überqualifiziert war. Jetzt ist sie die Frau für alles, so wie man oft den Dramaturgenjob beschreibt. BZ-Redakteur Robert Tari sprach mit Reisz über ihre Tätigkeiten und Herausforderungen.

 

Hermann Beil meinte über den Dramaturgen, dass er täglich zwischen "Denkfabrik" und "Mädchen für alles und nichts" hin und herpendeln muss. Welche Eigenschaften braucht denn deines Erachtens eine Dramaturgin?

Eine Dramaturgin braucht ein breites Allgemeinwissen. Sie muss über aktuelle Theatertrends Bescheid wissen, sich aber auch mit Theatergeschichte auskennen. Es stimmt, dass eine Dramaturgin von sehr vielen Sachen eine Ahnung haben muss. Sie muss in Geschichte, Kunst und Politik bewandert sein. Hat aber kein besonderes Spezialfach.  Ihre Hauptaufgabe ist die Arbeit mit dem dramatischen Text. Das heißt, ich muss Texte suchen, aber auch diese bearbeiten. Es bedeutet Kürzen und Verbessern oder gegenwartstauglich machen. Ich erstelle auch das Programmheft, schreibe die Pressemitteilungen oder übersetze sie, falls es der Fall ist. Außerdem muss ich mich um die Rechte für eine Aufführung kümmern. Die Verträge mit den jeweiligen Verlagen abschließen und Berichte schreiben. Der Dramaturg baut eine Brücke zwischen dem, was im Büro und was auf der Bühne passiert. Ich arbeite sowohl direkt mit den Regisseuren als auch mit meinen Kollegen von der Presseabteilung zum Beispiel. Darum finde ich meine Arbeit auch so spannend, weil sie nicht nur organisatorische Fähigkeiten voraussetzt, sondern auch kreative.

 

Die Auseinandersetzung mit den dramatischen Texten muss ja für einen Dramaturgen sehr spannend sein. Er sucht Texte, er beäugt sie kritisch und schaut sich auch den Kontext an. Woran hast du zuletzt gearbeitet?

Wir suchen zurzeit ein Stück für den Wiener Regisseur Volker Schmidt. Meine Aufgabe ist es Jugendtheaterstücke zu finden. Das bedeutet, ich suche, ich lese und schreibe dann ein Feedback dazu. Die letzte Entscheidung trifft der Intendant, aber ich beteilige mich an der Recherche. Ich habe mir auch das Stück angeschaut, das Simona Vintila inszenieren möchte. Ich musste entscheiden, ob es inszeniert werden soll oder nicht.

 

Hast du auf deiner Suche nach Jugendstücken schon einige Favoriten gefunden?

Was momentan sehr oft in Deutschland und Österreich gespielt wird, sind die Stücke "Tschick" und "Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone". Ich habe mir gedacht, vielleicht wäre es für unser Theater interessant, besonders populäre Stücke zu inszenieren. Populär vor allem für Jugendliche. Aber die Themen passen nicht unbedingt zu unserem Publikum. Was diese Adaptionen bekannter Jugendromane behandeln, treffen auf den rumänischen Alltag nicht zu. Darum haben wir uns dagegen entschieden. Ich suche weiter. Es ist schwer vor allem Stücke auf Deutsch zu finden, die für das rumänische Publikum relevant ist. In Deutschland ist Migration ein aktuelles Thema, nicht aber in Rumänien. Wir brauchen etwas allgemeingültiges ohne aber den Bezug zu unserem Alltag zu verlieren.

 

Woran arbeitet denn Simona Vintila? Darf man das schon verraten?

Sie inszeniert eine Komödie. Simona kam mit dem Stück, sie traf die Wahl und ich habe es nur gelesen und ihrer Wahl zugestimmt. Es handelt sich um eine Travestie-Komödie, die in Deutschland der 1990er Jahre spielt. Zwei Russen wollen nach Deutschland. Um dafür die nötigen Papiere zu erhalten, verwenden sie die Geburtsurkunde der Großmutter, die eine gebürtige Deutsche ist. Diese stirbt allerdings vor der Abreise und deshalb verkleiden die Zwei eine Puppe als die Großmutter und reisen mit ihr nach Deutschland ein.

 

Was gefällt dir an deiner Arbeit am meisten?

Was ich besonders mag, ist die Arbeit mit den Grafikern und die Arbeit an den Programmheften und den Plakaten. Es gefällt mir mitzuentscheiden und selbstverständlich direkt mit den Künstlern zu arbeiten. Das betrifft auch die Schauspieler und Regisseure. Den Entstehungsprozess einer Produktion von Anfang an mitzuverfolgen ist schon spannend.