Die exemplarische Normalität

Offensichtlich haben Premierminister Dacian Cioloş und Präsident Johannis nicht den Mut aufgebracht, den ominösen Gesetzesartitel per Dringlichkeitsbeschluss abzuschaffen, der die überfüllten Gefängnisse zu „wissenschaftlichen Forschungsinstituten“ gemacht hat – egal, was man unter „wissenschaftlich“ versteht, so lange das dort Produzierte von Hochschulen als solche anerkannt wird. So konnte der Verteidiger eines der korruptesten Schwerverbrecher aus dem Parlament, der nach knapp vier Jahren aus einer über siebenjährigen Haftstrafe vorzeitig entlassen wurde, vollernst sagen, sein Mandant habe „durch Arbeit und sechs Bücher“ seine Freiheitsstrafe um „meiner Berechnung nach 2000 Tage verkürzt“. „Knastliteratur“ als Freiheitsbringer.

Die Wirkung des betreffenden Gesetzesartikels ist jetzt bloß auf Zeit ausgesetzt. Immerhin: ein Schritt in jene Richtung, die sich Justizministerin Raluca Prună gewünscht hat, zur „Normalität“, im Sinne von Adam Michnik. Der meinte bei einem seiner Besuche in Bukarest, dass es im Kommunismus keine große Sache gewesen sei, zum Helden und Disidenten zu werden: Wer in einer abnormalen Welt, der kommunistischen, lebte, der musste einfach normal denken und handeln - und schon wurde er zum Dissidenten. Aufs Heute Rumäniens gestülpt: die Spitzen der Politik und Gesellschaft sind bis aufs Knochenmark korrupt – finanziell, politisch, moralisch, wissenschaftlich – so dass jede normale Geste, das Ehrliche, exemplarisch wird. Dass jeder, der seine Pflicht tut, zum leuchtenden (leider auch leicht donquijotesken) Beispiel wird. Gelebte Normalität ist in Rumänien ein Ritterkampf gegen die Windmühlen. Exemplarisch, aber ziemlich lächerlich.

Ein solches Team donquijotesker Ritter ist die Bukarester Gruppe für Sozialen Dialog (GDS), rund um die Zeitschrift „22“, die sich der Aufrechterhaltung und Verteidigung der Ideale des Kampfes gegen den Kommunismus vom Dezember 1989 verschrieben hat. Die Gruppe verleiht alljährlich einen (schwach dotierten, aber hoch respektierten) Preis der Zivilgesellschaft. Für 2015 an Marian Popescu und die Ethikkommission der Universität Bukarest. An jene Aufrechten des akademischen Lebens, die sich mit den Plagiatdoktoren unter den höchsten Würdenträgern Rumäniens angelegt haben: Ex-Premier V.V.Ponta, Ex-Vize-Premier G.Oprea, mit dem amtierenden Innenminister Tob². Mit Dutzenden weiteren „Doktoren“, die den Gebrauch der Anführungszeichen „“ und der bibliographischen Hinweise ignorierten und damit zu akademischen Titeln und Würden gelangten. Was aber hüten die staatlich hochgehätschelten Mitglieder der Akademie der Wissenschaften? Das ist ein anderes Thema.

Erschreckend in Rumänien (so Gabriel Liiceanu): der Zynismus des intellektuellen Diebstahls durch Würdenträger und Politiker, ihre Frechheit bei dessen Enthüllung, die Protektion, derer sie sich bei den Enttarnungspflichtigen erfreuen.

Unterrichtsminister Curaj verspricht: in der Doktortitelverleihung wird Ordnung geschaffen.