Die Stadtarchitektur enthüllt sich

Wenn bisher kaum beachtete Gebäude einen Namen bekommen

Temeswarer zeigen großes Interesse für Stadtgeschichte.

„Die Plätze und die Stadtkarte“ war die erste Führung innerhalb des Pilotprojekts. Die Teilnehmer durften viele Details über den Temeswarer Dom-, den Sankt-Georgs-, Freiheits- (im Bild) und Opernplatz erfahren.
Foto: die Verfasserin

Der römisch-katholische Dom, das Miksa-Steiner-Gebäude oder das Salamon-Brück-Haus und das Barockpalais am Domplatz, der Sankt-Georgs-Platz mit dessen umringenden Häusern und Palästen, der ehemalige Paradeplatz und der Opernplatz mit dessen Gebäuden, die nach 1910 gebaut wurden – jedes Gebäude hat seine eigene Geschichte. Wie sie aber entstanden sind, ihre Architektur, welche Architekten dahinter standen, welches der Zweck war, für den sie in erster Linie gebaut wurden und wie sie sich im Laufe der Jahre entwickelt haben, das alles waren die Hauptthemen der ersten Architekturführung in Temeswar.

25 interessierte Leute versammelten sich zum Anlass der ersten solchen Führung vor dem Hohen Dom zu Temeswar. Mit warmen Kleidern angezogen und in bequemen Schuhen begaben sie sich dann auf einen drei Stunden langen Spaziergang durch die Innenstadt von Temeswar. Der kühle Wind oder die scheue Sonne, die sich ab und zu hinter dicken Wolken versteckte, hat niemanden verschreckt. Bis zum Schluss blieben die Teilnehmer dabei, um von der interessanten Geschichte der Altbauten der Stadt mehr zu erfahren.

Der Rundgang unter dem Titel „Die Plätze und die Stadtkarte“ startete am Domplatz, ging dann durch die naheliegenden Plätze vom Sank-Georgs-  zum Freiheitsplatz bis hinüber zum Endziel der Führung am Opernplatz. Plötzlich bekamen viele der grauen sanierungsbedürftigen Häuser einen Namen -  das Ferencz Emmer-, das Agoston-Galgon, das Lloyd-, das Löffler und Söhne-Palast, das György-Dauerbach-, Anton-Merbl, Weisz-, Ernö-Neuhausz- und das Széchényi-Gebäude. Gebäude, die heute Banken, Cafés und Restaurants sowie verschiedene Geschäfte beherbergen, wandelten sich plötzlich in wertvolle Zeitzeugen der Stadtentwicklung.

Auch andere Rundgänge sollen in den kommenden Wochen mehr Informationen über die vergessene Stadtgeschichte enthüllen: Die Stadt und das Wasser – die Bega-Ufer; Das Wohnen in der Vergangenheit – Elisabethstadt und seine Parks; Eigentümer und Bewohner – Stammbaum. Auch für Kinder zwischen 9 und 11 Jahren wurden Führungen ausgedacht. Wie kleine „Stadtdetektive“ werden die Jüngsten informative altersangepasste  Rundgänge unternehmen können. Diese Führungen werden in Zusammenarbeit mit der Förderkampagne „De-a Architectura în oraşul meu“ (auf Deutsch: „Das Architektur-Spiel in meiner Stadt“ – unter diesem Motto werden in den Schulen Architekturstunden abgeboten) durchgeführt.

Die Architekturführungen sind Teil eines Pilotprojekts, das vom Temescher Architektenorden zum Anlass der ersten Biennale für Architektur (BETA 2016), organisiert werden. Ziel ist es, die Architektur und das bebaute Temeswar der Öffentlichkeit detailreicher bekannt zu machen – ein Projekt, das von der Temescher Filiale des Architektenordens unterstützt wird. Die Führungen basieren auf dem Thema der Architekturbiennale „Priveşte oraşul“ (zu deutsch „Betrachte die Stadt“) und ist eine Aufforderung zum Dialog, aber auch eine Aufforderung, sich für die Stadt und für eine gesunde städtische Umwelt einzusetzen. Im kommenden Jahr sollen sogar mehr solche Architekturführungen organisiert werden, wünschen sich die Organisatoren. „Die Menschen sind an der Architektur interessiert, da aber ihre Freizeit beschränkt ist, haben sie keine Zeit, Informationen zu suchen und es ergibt sich nur selten die Möglichkeit, die Stadt von diesem Standpunkt genauer kennenzulernen. Ich denke, unser Angebot kommt zum richtigen Zeitpunkt und ist auch sehr attraktiv, denn wir nehmen uns vor, den Leuten kompakte, interaktive Informationen zu vermitteln“, so die Architektin Roxana Pătrulescu, Initiatorin des Projekts.

Die Teilnehmer durften sich kostenlos auf der Webseite www.turdearhitectura.ro einschreiben. Kurz nach dem Aufruf waren schon sämtliche Plätze belegt.