Ein exzellenter Anfang für TM2021: „Cirkus Cirkör“ in Temeswar

„Zusammen kreieren“ – die Bürger sollen sich in die Events einbringen

Foto 1: Szene aus der Vorstellung „Limits“.
Foto: Mattias Edwall

Foto 2: Schüler machten bei den Workshops mit.
Foto: Zoltán Pázmány

Drei Zirkusaufführungen sowie mehrere Workshops für Kinder und eines für Künstler innerhalb einer Woche – mit dem Auftritt des „Cirkus Cirkör“ hat der Verein „Temeswar Kulturhauptstadt Europas 2021“ die Reihe der Großveranstaltungen im Vorfeld des Jahres 2021 begonnen. An den Workshops nahmen zirka 2000 Schüler teil, die vom Sportlyzeum „Banatul“, dem Kunstkolleg „Ion Vidu“ sowie vom Pädagogischen Lyzeum „Carmen Sylva“ stammten. Ausgesucht wurden die Schulen von den Organisatoren, nachdem sie ihr Interesse bekundet hatten und die Sportsäle von der Raumbeschaffenheit her überprüft worden waren, so die Veranstalter.

„Warum haben Sie den Zirkus für die erste große Veranstaltung im Rahmen des Vorprogramms für das Jahr 2021 ausgewählt?“ Diese und ähnliche Fragen ließen eine gewisse Skepsis einiger Journalisten erkennen, als sie in der Pressekonferenz vergangener Woche gestellt wurden. Bei der Pressekonferenz waren Bürgermeister Nicolae Robu, Simona Neumann, die Geschäftsführerin des Vereins „Temeswar – Kulturhauptstadt 2021“, Chris Torch, der künstlerische Direktor des Programms sowie weitere Mitglieder des Vereins und Vertreter des „Cirkus Cirkör“ anwesend.

„Eben weil es etwas Neues darstellt, weil diese Kunst des Gegenwartszirkus noch nicht so bekannt ist weder in Temeswar noch in Rumänien, wollten wir dieses Risiko eingehen, neue Wege gehen und den Publikumsgeschmack testen. In Rumänien kommt man oft beim Ausdruck ‚Zirkus‘ auf den negativen Sinn des Wortes. Wir haben zu viel Zirkus. Wir wollten aber auf den eigentlichen und damit den positiven Sinn des Wortes aufmerksam machen“, hat Simona Neumann, die Geschäftsführerin des Vereins in einer Pressekonferenz erklärt. Und: „Es ging uns darum, auch etwas zu hinterlassen. So sind die Temeswarer nicht nur eingeladen, die Vorstellungen zu besuchen, sondern auch mitzumachen. Es geht um einen Prozess des Mit-Schaffens, wodurch sie ihre Stadt ändern können“.

Chris Torch, der künstlerische Direktor des Programms, unterstrich: „Wir wollten etwas Einzigartiges suchen und damit die Stadt kennzeichnen. Wir wollen Temeswar zur Hauptstadt des Zirkus in Rumänien machen, weil Zirkus sowohl fieberhafte Aufregung als auch Fähigkeiten bedeutet und Temeswar als die multikulturelle, multikonfesionelle Stadt als auch ihre Kapazitäten in den Bereichen Technologie und Innovation widerspiegelt. Es geht um Gegenwartszirkus, um die Verbindung von neuer Kunst und neuer Technologie“.

All das konnte man aber nur dann erfassen, wenn man die Vorstellungen auch besucht hat und die jede Skepsis weggewischt haben. Mit der Vorstellung „Limits“ haben die Künstler des schwedischen Ensemble, das weltweit bekannt ist und das aktuelle Themen in die Aufführungen aufnimmt und künstlerisch bearbeitet wurden tatsächlich auch in Temeswar Grenzen gesprengt. Die Vorstellung hielt alle Versprechungen ein und übertraf sie noch dazu: Es war keine klassische Zirkusvorstellung, sondern übernahm von dem, was man allgemein „Zirkus“ nennt, nur die Kunst der Akrobaten und Jongleure, die aber hier viel risikobereiter waren mehr können mussten, so auch singen zum Beispiel, um dem gerecht zu werden, was man unter Gegenwartszirkus versteht: Performance, Theater, Musik. Vor allem aber genossen die Besucher alles andere als eine niedere Kunst: Der Zirkus brachte Gedankengänge, es ging um Grenzen aller Art, Landesgrenzen, Grenzen, die in den Köpfen gesprengt werden müssen, es ging um das Mittelmeer und das Jahr 2015, und alle anderen darauffolgenden, um Immigranten, um Zäune, um Gedanken über Europa, über die Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, um das, was sie mitnehmen können, um alles, was sie hinterlassen, ums Überleben, ums Kämpfen, um den Tod. Es ging um Vorurteile, um die Freiheit und über Zahlen, Zahlen, die bedrücken, wenn man sie liest: Menschen, die in Containern nach Europa kommen, Menschen, die in Schlauchbooten nach Europa kommen, Menschen, die auf dem Weg sterben. Viele, die unbekannt bleiben: „Male, 32? Afghanistan“.

Der Zirkus brachte alles, was die Veranstalter versprochen hatten: Innovation, Europa, Gedankengänge. Der Zirkus hat heute viel mehr anzubieten als nur die Vorstellung. Er bringt ein politisches Statement. Und das auf eine elektrisierende Weise. Mitgerissen waren große und kleine Zuschauer gleichermaßen.

Weitere Zirkusauftritte sowie auch die Mitmachbereitschaft des Publikums stehen an, alles gipfelt im Juni 2018 mit der ersten Auflage eines „Festivals des Gegenwartszirkus“ in Temeswar. Den Organisatoren ist es wichtig, denn „Zirkus“ stellt ein Thema, ein sogenanntes Cluster im Programm dar. Weitere Clusters kündigte Simona Neumann an: „Bega“, wobei Aufführungen auf dem Wasser stattfinden sollen, „Heaven“, wobei sich die Veranstaltungen mit der Multikonfessionalität und der Ökumene in der Stadt befassen werden, dazu kommt noch das Thema „Brot“, wobei es um Events geht, die um Gastronomie, Nachhaltigkeit und gesunden Lebensstil gebaut sind, sowie „Plätze“. Mit diesem Thema werden dann Veranstaltungen in den Plätzen der Stadt angeboten.

Bürgermeister Nicolae Robu kündigte auch an, dass die Stadtverwaltung ab 2018 ein neues Büro für die Organisierung von Events im Organigramm haben, wodurch die Zusammenarbeit mit dem Verein auch verbessert werden soll.

Der Bürgermeister versicherte, dass die Stadt „ihre Hausaufgaben gemacht hat. Außer unseren laut Vertrag angenommenen Engagements wird es sicherlich noch mehr andere Projekte geben. Die Stadt soll modernisiert und verschönert werden. Im Kulturhauptstadtjahr muss alles das Superlativ erreichen, wir vertreten Rumänien und Europa“.