Eine Banater Schwäbin auf Weltreise (109)

Terra Sancta – am Drehort des weltweiten Bestsellers

Terra Sancta - Jerusalem im 21. Jahrhundert Foto: die Verfasserin

Wieso sich so viele Weltreligionen gerade um diesen vermeintlichen Nabel der Welt streiten, ist seit Jahrtausenden ein Mysterium. Irgendetwas muss dort los sein, vielleicht eine noch unentdeckte Strahlungsart oder vielleicht ist das Binom Informaterie und Lumation des Philosophen Mihai Drăgănescu dort besonders stark verbunden. Auf jeden Fall bewirkt der Ort moderne Wunder: sechs verschiedene Religionen teilen sich friedlich die Grabeskirche und drei Religionen beanspruchen die Geburtskirche gleichzeitig, auch wenn sie sich uneinig sind über das genaue Datum, wann genau denn nun Weihnachten ist. Schon allein deswegen ist Israel für Gläubige und/oder bloß Neugierige gleichermaßen eine Reise wert.

Wizzair verbindet neuerdings Temeswar mit Tel Aviv in nur zweieinhalb Flugstunden mit einem kostengünstigen Direktflug. An, bzw. vor Weihnachten und Ostern ist das Heilige Land natürlich das begehrtesten Reiseziel für Gläubige. Von Tel Aviv bis nach Jerusalem sind es ca. 70km. Züge bringen Pilger und Touristen in nur 25min von Tel Aviv nach Jerusalem und für Busse gibt es eine separate, staufreie Spur auf der von Israel gebauten, gegen Palästinenser umzäunten Autobahn.

Jerusalem bietet ein architektonisch einheitliches Bild, weil alle Gebäude per Bauverordnung mit Sandstein aus Jerusalem verkleidet sein müssen. Das Israelische Staatsmuseum, welches die Qumran-Rollen beherbergt, liegt auf dem Weg zwischen Tel Aviv und der Altstadt Jerusalems. Es ist definitiv einen Besuch wert, aber man sollte etliche Stunden Zeit einplanen, denn es ist sehr groß und hat viel Interessantes zu bieten.

Vom Ölberg aus gibt es die beste Aussicht auf die Wehrmauer der Jerusalemer Altstadt und die beste Fotografiergelegenheit der unzähligen vergoldeten Kirchen-, Tempel- und Moscheen-Kuppeln. Ein Selfie vom Kamel aus mit der in der prallen Sonne glänzenden Goldkuppel des Felsendoms im Hintergrund ist hier Pflichtprogramm. Der Hang des Ölbergs, welcher gen Jerusalem liegt, ist bis zum Tal und wieder hoch bis zu den Stadtmauern mit jüdischen Gräbern überseht. Eigentlich müsste der Ölberg heute in Gräberberg umbenannt werden. Ein seltsames Gefühl, von mehr Toten als Lebenden umgeben zu sein. Fast wie in den Katakomben von Paris, aber eben im prallen staubtrockenen Wüsten-Sonnenschein und nicht in feuchter Dunkelheit. Am Hang des Ölbergs liegt der Getsemani-Garten, mit 1500 Jahre alten Olivenbäumen. Und nur zu Fuß erreichbar, da gänzlich ohne Parkplätze. Dafür gibt es reichlich Parkplätze für PKWs und Busse vor allen sechs Toren der Altstadt Jerusalems. Die mächtigen Mauern sind intakt und imponieren, denn jeder Stein hier erzählt eine Jahrtausende alte, meist blutige Geschichte. Das gegenseitige Misstrauen liegt wie ein dicker Rauch in der Luft und über der Stadt. Die engen Straßen zeigen unmissverständlich an, welcher Religion das jeweilige Viertel angehört. Steintunnel und schwere, jederzeit verschließbare Eisentore trennen die unterschiedlichen Lebensräume der Glaubensgemeinschaften Jerusalems. Weit unter den Straßen erstreckt sich der noch immer begehbare römische Cardo-Säulengang, welcher, heute wie damals, Läden, Basare und Souqs mit Religiösem und Alltäglichem beherbergt. Zatar, das israelische Pendant der serbischen Suppenwürze Vegeta, ist das beste Souvenir von hier, neben Myrrhe, essbarem und Räucher-Weihrauch, Kreuzen aus Olivenholz (natürlich „alle vom Ölberg“…), jüdischen Chanukkaleuchtern oder muslimischen Halbmonden (je nach Glaubensrichtung). Alle jüdischen Wege führen zur Klagemauer, die für Männer und Frauen nur getrennt erreichbar ist. Alle christlichen Wege führen an den Stationen des Kreuzweges auf der Via Dolorosa entlang, welche gut gekennzeichnet sind und stark an die Tafeln erinnern, welche die Drehorte der TV-Serie „Game of Thrones“ markieren.

Die Grabeskirche selber ist ein Meisterwerk des friedlichen Kompromisses und der blinden Hoffnung, welche über so manche schwere Lebenskrise tatsächlich hinweghelfen kann (wie jeder gute Placebo-Effekt). Die Armenische Apostolische, Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo, Koptische, Römisch-Katholische, Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien und das Griechische Patriarchat von Jerusalem, sie alle teilen sich friedlich diese Kirche. Jede hat ihr Hoheitsgebiet. Das vermeintliche Grab Jesu unter der Ädikula, „gehört“ an Kopf- und Fußende sogar unterschiedlichen Kirchen. Davor liegt der Salbungsstein, der zwar im letzten Jahrzehnt erst montiert wurde, der aber immer noch, davor kniend, mit Taschentüchern abgerieben wird, um Segen nach Hause zu bringen. Der Golgota/ Galgatha- oder Kalvarienberg liegt ein paar steile Stufen rechts vom Eingang. Die Schlüssel zur Kirche sind zweigeteilt: eine muslimische Familie hat den Außenschlüssel, ein katholischer Mönch den Innenschlüssel. Auf- und Zuschließen geht mittels einer Holztreppe/-Leiter(?) die durch ein kleines Loch jeweils auf die andere Seite gereicht wird, denn die Schlüssellöcher befinden sich in Augenhöhe mythischer Riesen.

Ein Tag reicht für Jerusalem keineswegs, die Eindrücke wären nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ruhig mindestens eine Woche einplanen, denn es gibt ja auch noch Bethlehem, das Tote Meer, Masada und noch vieles mehr zu bestaunen auf der wirklich sehr interessanten, weil von der Globalisierung noch nicht (oder schon lange?) überrollten Terra Sancta.