„Es gab keine Zeichen der Unzufriedenheit weder über das DSTT noch über mich!“

Interview mit Lucian Vărşăndan über die Situation am Deutschen Staatstheater Temeswar

Lucian Vărşăndan hat bisher zwei erfolgreiche Mandate am DSTT gehabt.
Foto: Zoltán Pázmány

„We are experiencing anarchy – Wir erleben Anarchie!“ steht an der Tür zum Sekretariat des DSTT. Eine Pressemitteilung hat Mitte der vergangenen Wochen die Redaktionen erreicht, darin hieß es, dass die zweite Amtszeit von Lucian Vărşăndan am Deutschen Staatstheater Temeswar ein Ende genommen hat. Im Frühjahr wurde der Intendant für die auslaufende Amtszeit mit 9,88 benotet. Daraufhin erstellte er ein Managementprojekt für eine neue Amtszeit. Als es dann soweit war, das Projekt vorzustellen, begann sich die Prozedur zu verzögern. Seit dem 1. November hat das DSTT keinen Intendanten. Das Interview mit Lucian Vărşăndan führte Ștefana Ciortea-Neamțiu.

Bitte, erkläre den Lesern, was passiert ist.

Das Problem ist dadurch entstanden, nicht dass etwas Gewisses passiert sei, sondern dass etwas nicht passiert ist, das nach dem Gesetz hätte passieren müssen. Das Gesetz sieht folgendes vor: Gegen Ende einer Amtszeit – bei mir waren es zwei volle Amtszeiten von je fünf Jahren –ist die Stadtverwaltung verpflichtet, die Evaluierung der sich abschließenden Amtszeit zu veranstalten. Das erfolgt durch einen von der Stadtverwaltung einberufenen Fachausschuss, der die Arbeit des Managers für die jetzt dem Ende neigende Amtszeit benotet. Das ist auch in meinem Fall gewesen, ich wurde mit 9,88 benotet. Dieses Ergebnis hat das Plenum des Stadtrates im April genehmigt. Genehmigt wurde im gleichen Beschluss auch die weitere Prozedur, die vom Gesetz als Pflicht vorgesehen wird, wenn der Manager mindestens die Note 9 bekommt: dass der Manager ein neues Managementprojekt einreicht für eine weitere Spielzeit, im Einklang mit den Anforderungen der Stadtverwaltung, die in einem Lastenheft oder Anforderungskatalog enthalten sind. Das wurde eingehalten. Ein paar Monate später ist der Anforderungskatalog durch Beschluss des Bürgermeisters genehmigt und mir mitgeteilt worden, mit der Anforderung an mich, dass ich ein neues Managementprojekt für 2017-2022 einreiche. Das habe ich dann auch eingereicht. Am 19. September hat die Stadtverwaltung auf ihrer Internetseite die Information veröffentlicht, dass ich am 25. September mein Projekt vor dem Fachausschuss vortragen werde. Am 22. September hat mir die Beamtin für Kulturbelange telefonisch mitgeteilt, dass es nicht am 25. September stattfinden wird. Dann habe ich mir gedacht, dann wird mir wohl mitgeteilt, wann es stattfinden soll. Ab da kam nichts mehr.

Was hast du unternommen?

Anfangs habe ich gedacht, es ist ein Prozedurfehler oder aufgrund von vielen anderen Aufgaben hat die Behörde einfach dem nicht Rechnung getragen. Da habe ich aktiv dahin gewirkt, dass ich die Menschen darauf hinweise. Ich habe mir gedacht, es war irgendeine Terminverschiebung, das kann vorkommen, dann habe ich Gespräche geführt einschließlich mit dem Vizebürgermeister und ich habe darum gebeten, dass man mir die Prozedur, den Kalender mitteilt.

„Es gab keine Zeichen der Unzufriedenheit weder über das DSTT noch über mich!“

Nach zirka zwei Wochen, ich glaube am 6. Oktober, habe ich in einem sehr sachlich gehaltenen Brief an den Bürgermeister zu Kenntnis, an den Vizebürgermeister Diaconu, dass man mir den Kalender der begonnenen Prozedur mitteilt. Es kam auch keine Antwort. Auf dieses Schreiben hin bin ich in noch zwei Schreiben zwei Wochen später zurückgekommen und als ich gesehen habe, dass auf diese Ansuchen immer noch keine Antwort kommt und als ich erfahren habe, dass die Ankündigungen für die identische Situation die Prozedur für das Ungarische Staatstheater stattfindet, dann habe ich begonnen, daran zu zweifeln, dass es nur ein Versehen ist. Ich hab da noch einmal in einem Telefonat mit der Leiterin des Kabinetts des Bürgermeister am 23. oder 25. Oktober gut eine Woche vor dem Ende der Amtszeit noch einmal darauf hingewiesen und ausdrücklich gebeten, dass das von mir zuletzt verfasste Papier beim Bürgermeister persönlich landet, dass man sich der Sache annimmt und eine Entscheidung trifft, denn es gibt die Gefahr, dass, wenn man gar keine Entscheidung trifft, das Theater in eine Managementnotsituation gerät. Darauf gab es auch keine Antwort. Der alte Vertrag ist abgelaufen. Ich hatte am 31. Oktober meinen letzten Amtstag, am 1. November habe ich meine alte Stelle als Leiter der Dramaturgie- und Öffentlichkeitsarbeit satzungsgemäß wieder angenommen.

Was willst du unternehmen?

Wenn innerhalb der gesetzlichen Frist der Träger die gesetzliche Prozedur nicht veranlasst und nicht verfügt, dann werde ich ernsthaft überlegen, gegen diesen Missbrauch und für meine nicht eingehaltenen Rechte gerichtlich vorzugehen. Die Prozedur ist sehr deutlich, was in welchen Situationen geschehen muss, es ist eben nur eine Frage der Zeit und eine Frage, ob man im Bürgermeisteramt im Augenblick einsehen wird, dass man einen Fehler begangen hat, den man noch zurechtbiegen kann. Der Bürgermeister kann in jedem Augenblick die Fortsetzung der Prozedur verfügen. Das Managementprojekt, das ich eingereicht habe, muss seinen Gang gehen. Die Prozedur sieht vor, dass es von einem Ausschuss geprüft wird, der Inhalt wird benotet, dann werde ich zu einem Interview eingeladen, das Interview wird noch einmal benotet, wie ich das Projekt vertrete. Danach gibt es eine Frist, in der ich die Note anfechten darf. Danach wird die Note genehmigt durch eine Administrativakte der Behörde.

Gab es irgendwelche Anzeichen, dass es zu dieser Situation kommen würde?

Ich muss ausdrücklich signalisieren, es gab nie von Seiten der Temeswarer Stadtverwaltung auch nur annähernd negativ konnotierte Zeichen im Hinblick auf das DSTT, weder von der Stadtverwaltung insgesamt, noch den Beamten oder Stadträten oder vom Vizebürgermeister Diaconu, der direkt für das DSTT zuständig ist, oder vom Bürgermeister Robu. Es gab immer lobende, gute, schöne Worte und keinerlei Zeichen der Unzufriedenheit über das DSTT oder über mich persönlich. Es wirkt alles umso überraschender, dass all diese Ansuchen vom Theater und von mir persönlich wie auf taube Ohren gestoßen sind. Das ist mir äußerst rätselhaft. Ich kann das in keinster Weise nachvollziehen, zumal der ganze Ablauf der bisherigen Kommunikation störungsfrei war. Was man auf fairer Weise auch sagen kann, das Theater hat sehr viel leisten können, viel mehr als in anderen Zeiten, weil man verstanden hat, dass die Kultur eine wichtige Rolle spielt. Es gab nie eine Blockade, als es darum ging, uns entgegenzukommen. Umso schwieriger ist es, jetzt nachzuvollziehen, wie es dazu gekommen ist, abgesehen jetzt von meiner Person, aber auch dass ein öffentliches Theater ohne jegliche Leitung ist.

Welche neuen Punkte enthält der jetzt vorgeschlagene Managementplan?

Es sind sehr viele Daten, über 30 Seiten. Neu sind im Einklang mit dem Anforderungskatalog Bestimmungen für die Organisationsstruktur, für den personellen Aufbau, auch im Hinblick auf die erhoffte Erlangung der zweiten Spielstätte, im Hinblick auf das Repertoire, eine stärkere Berücksichtigung des klassischen Repertoires; der personelle Ausbau, den ich vorschlage, die Zusammenarbeit mit Künstlern aus dem Ausland, eine stärkere Vernetzung und Internationalisierung, dann im Hinblick auf die Kulturhauptstadt den Ausbau des Eurothalia-Festivals.

Wie hast du Eurothalia empfunden?

Es hat gut funktioniert, es war aber alles andere als leicht. Ein Festival, das immer größer wird, bei einer fehlenden Infrastruktur, bei nicht genügend Räumen, bei Anmietung von Hallen am Ende der Stadt, bei der Veranstaltung von Bustransfer und und und. Das ist kein Geheimnis. Aber die Reaktionen, die gekommen sind, waren äußerst positiv. Ich habe vor kurzem die Statistik bekommen: Bei allen Aufführungen des Eurothalia-Festivals, selbst bei denen die draußen in der Hydromatik-Halle waren, gab es eine Saalauslastung von 92-100 Prozent. Es gibt keinen Grund zur Unzufriedenheit. Aber das Festival soll noch ausgebaut werden, das ist noch ein in Entwicklung begriffener Prozess.

Wenn wir konkret vom DSTT sprechen, was wird beschwerlicher dadurch, dass es keinen Intendanten gibt zurzeit?

Niemand kann das Theater rechtlich vertreten. Niemand kann unterschreiben. Gestern sind Gastkünstler aufgetreten, heute treten sie wieder auf. Sie können nicht fristgerecht und vertragsgerecht bezahlt werden. Es gibt für das Tagtägliche einer Institution Hunderte von Schritten und Prozeduren, ohne die das Haus nicht funktioniert. Es geht um Banküberweisungen, Anschaffungsanträge. Viele Etappen sind nun blockiert. Der Verwaltungsleiter, der stellvertretende Intendant ist nicht kraft seines Amtes auch Intendant sondern nur Vertreter des Intendanten im Rahmen der Befugnisse, die ihm der Intendant ausdrücklich für eine Zeitspanne, wenn er auf Dienstreise oder krankgeschrieben ist, delegiert. Das gilt aber nur so lange es den Intendanten im Amt gibt. Der Intendant kann ihm keine Befugnisse übertragen, wenn er selbst diese nicht mehr hat. Für den jetzigen Fall gibt es keine Prozedur. Das Gesetz hat so eine Situation nicht vorgesehen, dass eine Behörde nicht dem Umstand Rechnung trägt, dass eine ihr unterstellte Einrichtung kopflos bleibt. Das ist eine Temeswarer Premiere.

Was wird geschehen, sollte die Prozedur nicht wiederaufgenommen werden?

Da bin ich überfragt. Im Hinblick auf die Geschicke des Theaters umso mehr. Das Problem ist, das Theater ist in keiner gesetzlichen Situation für eine neue Intendanzausschreibung und auch nicht für eine kommissarische Leitung. Das Gesetz sieht genau vor, welches die Fristen sind, damit man zu so einer Situation nicht kommt.

Wird das Publikum betroffen sein? Wird es Änderungen im Spielplan geben?

Das hängt davon ab, wie lange die Institution kopflos bleibt. Eine Zeit lang wird sie aus der Trägheit heraus funktionieren, dass sämtliche Prozeduren vor Tagen oder Wochen gemacht wurden. Ich hoffe allerdings, dass es nicht zu Auswirkungen im Spielbetrieb kommt, geschweige denn, dass es bis dahin in wenigen Tagen den Zahltag für die Gehälter gibt und die können nicht zur Zeit nicht zur Zahlung verfügt werden, weil es niemanden gibt, der die Papiere unterschreibt. Wir wollen hoffen, dass es sich demnächst klärt. Dann werden wir in Hermannstadt auftreten. Ich weiß nicht, wer die Dienstreiseverfügung unterschreibt.

Nach dem Aufzeichnen des Interviews am 2. November ist Lucian Vărşăndan ins Bürgermeisteramt eingeladen worden: „Bürgermeister Robu hat mir das Interim-Management aufgetragen, bis zu einem neuen Wettbewerb. Ich habe das abgewiesen, ich bin zu einem Interim-Management nur dann bereit, wenn es dazu da ist, um meine Prozedur zu Ende zu führen. Ich akzeptiere es nicht, wenn es dazu da ist, um einen illegalen Wettbewerb zu organisieren“.