Folgenschwer: Privatisierung der staatlichen Unis

Rektor der West-Universität warnt vor „Franchising“

Vlad Chereches (Foto): „In einem privaten Hochschulsystem würde es viel schwieriger sein, die Qualitätsnormen einzuhalten. Auch heute sehen wir, dass die privaten Hochschulen die schwächsten sind.“
Foto: Zoltán Pázmány

Das Thema Privatisierung von staatlichen Hochschulen wurde während der letzten Wochen viel in den rumänischen Medien diskutiert. Prof. Anton Hadar, Vorsitzender der Nationalen Gewerkschaftsföderation „Alma Mater“ hatte sogar von „Druck“ gesprochen, den angeblich die Europäische Union auf Rumänien ausübt, um die staatlichen Hochschulen zu privatisieren. Die Zeilen wurden über Internet schnell verbreitet und bewirkten Panik unter den Lesern. „Es ist im Grunde ein falsches Thema“, so Vlad Chereches, Vorsitzender der Vereinigung der Studenten an der West-Universität Temeswar (OSUT). „Es wurde so hinausposaunt und falsch von den Medien aufgenommen. Es handelte sich um ein hypothetisches Gespräch zwischen Vertretern der Gewerkschaften. Es gibt keine Strategie der EU in diesem Sinne“, führt er weiter fort und betont, dass der rumänische Staat nicht so „unverantwortlich“ ist, um die Hochschulbildung endgültig in ein Business umzuwandeln.

Gefahr: „Franchising“

Der Rektor der West Universität Temeswar, Prof. Marilen Pirtea, warnt ebenfalls vor solch einer Aktion, das, seiner Meinung nach, zum „Franchising“ der Hochschulbildung führen könnte. „Ausländische Bildungsanbieter würden einen Teil der rumänischen Unis übernehmen. Dasselbe Personal und dieselbe Infrastruktur würden zu niedrigeren Kosten genutzt, doch die Gebühren wären höher – angepasst an den Bekanntheitsgrad“, so Marilen Pirtea in einer Pressemitteilung. Auf diese Weise würde man den Brand, und nicht die Qualität bezahlen. Er vermerkt auch, dass nicht einmal die USA ein vollständig privatisiertes Bildungssystem hat: Die Interessenten können in ihrem Herkunfts-Bundesstaat kostenlos studieren, da wo sie auch Steuern zahlen. Wenn sie in einem anderen Bundesstaat studieren möchten, dann müssen sie dafür bezahlen.

„Die Verbesserung der Qualität im Hochschulbereich kann auch anders erlangt werden“, so Rektor Marilen Pirtea, „und zwar dadurch, dass die Art der Finanzierung verändert wird“. Derzeit werden 90 Prozent des Budgets quantitativ vom Zentrum an die Hochschulen verteilt und nur 10 Prozent nach den Leistungen. Deshalb müssen viele Unis Kompromisse bei der Qualität machen, weil sie nach der Zahl der Studenten Geld bekommen. Es heißt also, so viele Studenten wie möglich zu haben. Rektor Marilen Pirtea schlägt vor, dass man die Finanzierung 50 Prozent quantitativ und 50 Prozent qualitativ machen sollte. „Wenn man die Leistung der Unis fördert, dann könnten sich jene mit guten Ergebnissen weiterentwickeln und die schwachen würden ihre Türen schließen müssen. Die Jugendliche würden sich so einer qualitätsmäßigen Bildung erfreuen können und das Risiko der ‘sinnlosen Diplome‘ würde sich erheblich verringern“. Der Rektor vermutet, dass in einem solchen Fall etwa 20 – 25 staatliche Hochschulen in Rumänien geschlossen würden. Derzeit sind diese „nur Verbraucher der Fonds, ohne der Gemeinschaft einen Mehrwert zu bringen.“

Studenten sind keine Kunden

Einem Bericht der Europäischen Kommission nach, ist Rumänien der EU-Staat mit der drastischsten Minderung der Investitionen im Bildungsbereich. Um 40 Prozent sind diese in der Zeitspanne 2007 – 2012 zurückgegangen. Es folgen Ungarn mit 30 Prozent, Großbritannien, Litauen, Griechenland, Italien und Portugal mit einem Minus von je 20 Prozent, wie Mediafax berichtet. Auch wenn die „chronische Unterfinanzierung“, wie Vlad Chereches sie nennt, und die inadäquate Verteilung des Geldes den rumänischen Universitäten die Existenz erschweren, sind sich der Rektor der West Universität Temeswar, sowie auch der Vorsitzende der Studenten einig, dass der Versuch, diese zu privatisieren schief laufen würde. „Natürlich würden die Studenten betroffen sein, denn dann müssten alle für das Studium bezahlen“, sagt Chereches. Die Uni-Aktionäre würden sich seiner Meinung nach auf Rentabilität fokussieren. Er glaubt, dass es also zwei Möglichkeiten gibt: Entweder hohe Gebühren und tatsächlich qualitative Bildung, oder so viele „Kunden“ wie möglich heranzuziehen, aber dies auf Kosten der Qualität. „Jetzt sind wir irgendwo dazwischen: der Staat gibt den Unis nicht genügend Geld, um diesen zu ermöglichen, die höchste Qualität den Studenten, die kostenlos studieren, anzubieten, und die Studenten, die ihr Studium bezahlen, sind ein Mittel, um die Einkommen der Hochschulen zu erhöhen. Die Unis können in diesem Fall die Gebühren nicht zu hoch ansetzen, sonst würden sie keine Studenten mehr haben, die diese bezahlen können“, so der Vorsitzender des OSUT.

Auch wenn heute in Rumänien die meisten Jugendlichen Zugang zu einer höheren Bildung haben, liegt die Zahl derer, die in gar keine Aktivität eingebunden sind, über dem europäischen Durchschnitt – dieser beläuft sich auf 13 Prozent. 16 Prozent der Jugendlichen in Rumänien, die zwischen 18 – 24 Jahre alt sind, studieren nicht, besuchen keine Fortbildungskurse und sind auch nicht angestellt, so ein Bericht der EU-Kommission. Eine Privatisierung der Hochschulen würde diese Zahl bestimmt erhöhen, da die jetzigen gebührenfreien Plätze nicht mehr existieren würden. „Ich glaube nicht, dass Rumänien so finanzkräftige Unternehmer hat, die im Stande sind, ein qualitatives, gebührenfreies Hochschulsystem oder eines, das niedrige Gebühren erfordert, zu tragen, ohne den sofortigen Profit zu verfolgen“, so der Vorsitzende der Studentenorganisation.