Gospel trifft auf Klassik

Gespräch mit Dominic Samuel Fritz zum Jubiläum seines Gospel-Projektes

Dominic Samuel Fritz ist Initiator des Projektes. Der Deutsche kommt jedes Jahr nach Temeswar, dirigiert und komponiert für die Gospelkonzerte. Foto: TGP

Vor zehn Jahren, saß er in der Elisabeth-Kirche am Lahovary-Platz an einem alten Klavier, das er extra in die Kirche geschleppt hatte und dabei auch noch verstimmt war. Zehn weitere Leute standen vor dem Altar – zusammen sangen sie Gospel. So begann die Geschichte des Timisoara Gospel Projektes (TGP), ein Projekt, das Dominic Samuel Fritz ins Leben gerufen hatte. Das Projekt feiert nun sein zehnjähriges Jubiläum. Aus den zehn Sängern in der Kirche wurden es mittlerweile hunderte von Laiensängern, die immer wieder für dieses Projekt zusammen finden. Und aus dem kleinen Konzert in der Kirche wurde inzwischen eine bis ins Detail geplante Aufführung im Saal der Temeswarer Philharmonie, ein Konzert zusammen mit einem Symphonieorchester: „Gospel meets Symphony“. Der deutsche Dirigent Dominic Samuel Fritz kommt seit 2005 Jahr für Jahr nach Temeswar, dirigiert und komponiert für das Gospelprojekt. Über die Entwicklung sowie über weitere Ziele führte BZ-Redakteurin Andreea Oance ein Gespräch mit dem Initiator des Projektes.

 

„Timi{oara Gospel Projekt“ feiert Jubiläum. Wie hat eigentlich alles begonnen?

Am Anfang stand eigentlich nur der Gedanke, hier in Temeswar ein bisschen Gospelmusik zu singen. Ich hatte ein Jahr als Freiwilliger im Kinderheim der Caritas gearbeitet und hatte ja im Domchor Gospel gesungen, habe es aber nie geschafft, in dem Jahr, in dem ich da war, auch etwas anderes zu singen, weil das Programm so voll war. Dann dachte ich mir, ich komme für ein Wochenende zurück nach Temeswar und wir singen übers Wochenende mal Gospel. Das war zu Pfingsten 2005. Es sind dann auch weniger Leute gekommen, als ich es erhofft habe. Wir waren nur zehn Leute, hatten aber ein tolles und spannendes Wochenende mit viel Gospelmusik. Am Ende hielten wir tatsächlich auch ein Konzert in der Elisabeth-Kirche. Das Konzert war so mitreißend und dem Publikum hat es so gut gefallen, dass ich gesagt habe, OK, das mache ich nächstes Jahr einfach nochmal. So bin ich dann im nächsten Jahr wiedergekommen. Mit dem zweiten Mal ist es schon wie eine kleine Tradition geworden. So machte ich es jedes Jahr wieder. Irgendwann wurde es so groß, dass es organisatorisch nicht mehr so leicht war. Man brauchte ein richtiges Team vor Ort, das alles vorbereitet. So habe ich eine kleine Truppe gefunden, die immer mehr gewachsen ist. Immer mehr Leute haben davon erfahren, immer mehr Leute, die mitgesungen haben, von anderen Chören, aus anderen Kirchengemeinden. Katholiken, Neoprotestanten, Reformierte, Orthodoxen -alle machten mit und machten aus dem Projekt ein rein ökumenisches Projekt. Jedes Jahr haben wir uns weiter entwickelt. Vor zwei Jahren gründeten wir auch den Verein, weil die Sache noch größer geworden ist. Alles hatte eine ganz rasante Entwicklung, die ich so am Anfang nicht erwartet hätte. Der Titel heißt eben „Timisoara Gospel Projekt“ – also das war eher nur als ein Projekt gedacht und nie als eine dauerhafte Institution. Dieser Projektcharakter hat sich aber bewahrt, denn wir sind kein ständiger Chor, sondern wir lernten, speziell für bestimmte Projekte neu zusammenzufinden.

 

Wie kam es zu Gospelmusik?

Gospel, erstmal ganz persönlich, aus egoistischen Gründen, weil es eine Musik ist, die mir gefällt. Aber auch weil es eine Musik ist, von der ich glaube, dass sie Laien, die keine Chorerfahrung haben, sehr schnell lernen können und ich meine nicht nur schnell die Töne lernen, sondern auch einen leichten emotionalen Zugang dazu finden. Die Sänger können sehr schnell verstehen, worum es in der Musik geht. Was will ein bestimmtes Lied ausdrücken? Wie kann man das musikalisch ausdrücken? Daher eignet sich diese Art von Musik für kurzfristige Projekte. Das ist auch eine Musik die die Leute mitreißt. Ich hatte damals den Eindruck es ist eine Art von Musik, die auch mehr gesungen werden muss. Das auch deshalb, weil es eben, zumindest damals, vor elf Jahren, keinen Gospelchor in Temeswar gab.

 

Wie erwähnt: Am Anfang waren es bloß zehn Teilnehmer beim Timi{oara Gospel Projekt. Nun sind es mittlerweile hunderte Laiensänger dazu gekommen. Was bewegt die Leute Jahr für Jahr Teil dieses Projektes sein zu wollen?

Das ist eine Frage, die die Leute selber beantworten müssten. Ich kann nur spekulieren. Ich glaube, dass es erstens die Musik ist, weil eben Gospel eine mitreißende Musik ist. Ich glaube, die Leute kommen, weil sie relativ schnell zu einem musikalischen Erfolg kommen. Grade auch diejenigen, die nicht gewohnt sind in Chören zu singen, die ganz schnell merken, dass mit relativ schlichten Mittel schöne Musik gemacht werden kann und dabei auch vieles erreicht werden kann. Das ist eine Erfahrung, die vielen gut tut. Letztendlich versuchen wir auch durch unsere Projekte mehr zu sein als ein einfacher Chor. Wir haben ja auch eine ganze innere Haltung dahinter – die Haltung des Respekts und der Achtsamkeit gegenüber anderen, die Haltung der Gleichheit der Menschen jenseits aller Unterschiede, denn es ist egal ob du jung bis oder alt, ob du Bulgare, Serbe, Deutscher, Rumäne oder Ungar bis. Es ist egal was für soziale Hintergründe du hast, ob du ein Obdachloser bist, Student, Professor oder Rentner. Es ist auch egal zu welcher Kirche du gehörst. Es fragt dich auch keiner nach deinem Glauben, es will dich auch keiner missionieren oder bekehren. Es geht wirklich nur darum, gemeinsam diese Musik zu singen und jeder kann selber dort reinlegen was er möchte und auch entscheiden, wie weit er dieses spirituelle Erlebnis in sein Herz lässt; denn es ist eben ein spirituelles Erlebnis. Es ist so eine Mischung zwischen musikalischen, menschlichen und spirituellen Faktoren, die die Menschen anzieht.

 

Bei den Konzerten geht es immer auch um einen wohltätigen Zweck.

Ja, es geht eigentlich nicht nur um Wohltätigkeit, sondern uns geht es eher darum, bestimmte Ansichten und Verhaltensweisen wirklich zu verändern. Wir wollen mit unserer Musik, mit unserer Kunst den sozialen Wandel in diesem Land voranbringen und wollen dazu eine positive Kraft darstellen. Wir wollen nicht in der Haltung der Gönner und der Helfer, von oben herab, uns den Armen und Bedrängten zuwenden, sondern es geht darum, dass wir zunächst auch bei uns selbst nachschauen, wo wir Probleme haben, wo wir uns ändern müssen. Diesmal sammeln wir zwar Geld für das Hospiz hier vor Ort und das ist auch ein sehr wichtiger Teil, aber es geht nicht nur um das Geld, sondern darum, generell darüber nachzudenken: Wie gehe ich mit dem Thema Tod um, wie gehen wir mit Menschen um, die krank sind? Das ist immer eine Frage an uns selber, bevor wir anderen helfen wollen. Und letztendlich auch mit unseren Projekten „Gospel ohne Grenzen“ geht es dahin, Grenzen in der Gesellschaft zu entdecken und zu überwinden. Vielleicht auch zu entdecken, wo wir selber Vorurteile haben, ob wir andere Menschen ausgrenzen. Durch Musik können wir erfahren, dass wir eigentlich alle gleich sind. Musik kann dafür ein ganz tolles Mittel sein. Genauso singen wir für das Publikum: egal ob dies aus Obdachlosen, aus Gefängnisinsassen oder aus Besuchern der Philharmonie besteht.

 

„Gospel Meets Symphony - das klingt ziemlich außergewöhnlich. Wie geht das?

Man muss tatsächlich sagen, das ist etwas Außergewöhnliches. Und das nicht nur für Temeswar oder Rumänien, sondern das ist weltweit so. Sehr selten wird diese Art von Musik mit einem Symphonieorchester kombiniert. Wir haben alle Stücke speziell für diese Zwecke arrangiert und orchestriert. Alle Lieder wurden in dieser Variante uraufgeführt. Es verändert durchaus ein Stück weit auch die Musik. Ich betrachte das Orchester wie eine große Band. Die Orchesterinstrumente übernehmen die Rolle von Bandinstrumenten. Das Orchester passt sich eher uns an, als wir uns dem Orchester. Der Chor wird nicht plötzlich, wie ein Opernchor klingen, sondern der Chor wird weiterhin ein Gospelchor sein, der eben von einem Orchester begleitet wird und eher das Orchester wird sich plötzlich wie ein Gospelchor anhören. Ich glaube diese Erfahrung war auch für die Musiker spannend.