Jubiläum am Wirtschafts- und Kulturstandort

Eisenbahnstrecke nach Serbien bleibt vorerst geschlossen

„Es ist der Ort, an den die ausgewanderten Deutschen zurückkehren. Ihre Vorfahren haben das Sumpfgebiet trocken gelegt, und wir wollen nun unser Hatzfeld auf dem Niveau behalten, das sie, die Schwaben im Ort, einst vorgegeben haben“. Darius Postelnicu, Bürgermeister der Kleinstadt Hatzfeld, hält seine Aussagen als Messlatte. „Man nährt sich an sentimentalen Sachen“, setzt der Ortsvorsteher fort. In dieser Woche begehen die Hatzfelder 250 Jahre seit der Ansiedlung der Deutschen.

 

Bürgermeister Darius Postelnicu (2.v.l.) und der Stadtarchitekt Eugen Gain auf der Baustelle vor der Katholischen Kirche im Stadtzentrum, dem Heiligen Wendelin gewidmet. Kirchweih ist hier am 20. Oktober angesagt.

Imposante Häuser säumen die Hauptstraßen von Hatzfeld. Sie stehen als Symbol einstigen Wohlstandes. Heute kommen darin meist öffentliche Einrichtungen unter.

Hatzfeld wurde nach dem 1. Weltkrieg für einige Jahre Serbien einverleibt. Der Bahnhof (im Bild) war auch danach viele Jahre lang Haltestelle international verkehrender Züge.

Die wohlhabende Industriellenfamilie Bohn baute in der Nähe der Hatzfelder Ziegelei im Futok-Viertel eine zweite - im neugotischen Baustil errichtete - katholische Kirche. Ihr Kirchweifest feierte sie am 29. September. Fotos: Zoltán Pázmány

Deutsche Besiedlungsgeschichte nicht allen bekannt

 

Schräg gegenüber vom Bürgermeisteramt renovieren Bauarbeiter die katholische Kirche. Die Fassadensanierung ist bereits abgeschlossen, zwei Wochen vor dem Dorfjubiläum arbeiten Bauarbeiter im Inneren der Kirche, vom Plateau davor soll das Gotteshaus beleuchtet werden. Hans Jirkowsky, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Hatzfeld ist überzeugt, dass allein die Generation der heute 50-55-Jährigen noch so richtig zu deuten vermag, was es mit 250 Jahren Ansiedlung der Schwaben auf sich hat. "Weder der jüngeren Generation der heutigen Bewohner von Hatzfeld, noch der jüngeren Generation der ausgewanderten Deutschen aus Hatzfeld ist das noch so richtig bewusst oder bekannt", glaubt Jirkowsky. Selbst in der Schule der Ortschaft bedurfte es der Anregung des HOG-Vorsitzenden Josef Koch, um das Thema zu behandeln. Am Wochenende werden die vier besten Schüleraufsätze ausgezeichnet. „Wichtig ist, dass auch die jüngere Generation jetzt darüber um einiges mehr weiß“, sagt Koch. Er glaubt, die Jugend mit Hatzfelder Wurzeln in Deutschland ist durch die Medienpräsenz im Vorfeld des Ereignisses besser zu diesem Thema informiert, als dies in Hatzfeld selbst der Fall ist.

 

Wirtschaft und Kultur – fast Hand in Hand

 

Durch die gesamte Hauptstraße ziehen sich prunkvolle Häuser vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Reiche Kaufleute bewohnten diese, aber auch der Mittelstand  – getragen von vielen Handwerksbetrieben – hatte ein gutes Auskommen. Zunächst waren es Landwirte, die sich im Ort angesiedelten - die Industrialisierung brachte die Zünfte auf Vordermann. Kleinunternehmen und die Industrie, die sich zunächst um die Ziegelei der Familie Bohn ballte, prägte auch architektonisch das Stadtbild im heutigen Grenzstädtchen. Vielleicht ist es ungewollt symbolträchtig für Hatzfeld, dass der Sitz der heutigen Handwerksgenossenschaft bereits vor mehr als 100 Jahren der Treffpunkt des Gesangvereins, die Vereinigung der damaligen Zünfte galt. Im heutigen Kulturhaus der Stadt hatten die Bauern ihr sogenanntes Bauernheim als Begegnungsort. Die Ziegelfabrik in diversen Entwicklungsstadien und unter verschiedenen ökonomischen Voraussetzungen, die Schuhfabrik, in der lange Jahre die gefragten "Otter" hergestellt wurden, aber auch die Knopffabrik galten Jahrzehnte lang als Symbole für den Wirtschaftsstandort und trugen den Namen der Kleinstadt weit hinaus. Genauso wie dies der Sport tat, mit seiner in der dritten Liga etablierten Ceramica-Elf und der Sideful-Handballmannschaft, in der die Herren viele Jahre in der zweiten Liga spielten. Heute klopft die private Fußballmannschaft Marcel Băban an die Tore der dritten Liga, die von der Stadt finanzierten Fußballer von Unirea und die jungen Handballerinnen des HC Florian gestalten das Sportgeschehen der Stadt.

 Neben dem Wirtschaftsstandort, mit seiner praktisch Null-Arbeitslosigkeit, hat sich eine ausgesprochene Kulturstadt herauskristallisiert“, sagt Josef Koch und Hans Jirkowsky vervollständigt: „Gerade die Wirtschaft hat über ihre Vereine gute kulturelle Voraussetzungen geschaffen“. Er blickt dabei in der Geschichte zurück, als die Vereine den Grundstein für Chöre, Theater, für den Fußball- und Turnverein geliefert haben. Presse- und Stefan-Jäger-Museum, Gedenkhäuser ihrer Schriftsteller. Dichter und Musiker, dass alles lässt Josef Koch vom „Weimar der Banater Schwaben“ sprechen.

 

Erschöpftes Personalreservoir

 

Heute sind Unternehmen wie Sumida, Faulhaber, Vitronic, Johnson die Träger der Wirtschaft. Zwar gehen die Gewinnsteuern dieser Unternehmen ins Ausland, da wo die Mutterbetriebe sitzen, doch durch ihre Ansiedlung ist die Arbeitslosigkeit so stark gesunken ist, dass "nur Menschen mit reellen Problemen oder solche, die nicht arbeiten wollen, keinen Arbeitsplatz haben". (Bürgermeister Darius Postelnicu). Eine Lösung findet der Bürgermeister, sei langfristig ein Abkommen mit Serbien, um Arbeitskräfte aus dem Nachbarland zu verpflichten - die räumlich am nähesten gelegene Gemeinde liegt nur vier Kilometer von Hatzfeld entfernt. "Die derzeitige Gesetzgebung macht es jedoch unmöglich, mit dem Nicht-EU-Land Serbien einen solchen Deal einzugehen“, sagt Bürgermeister Postelnicu. Vor dem Hintergrund dieser Möglichkeiten für die Grenzstädte Hatzfeld und Großsanktnikolaus sprach vor Kurzem auch der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganţ mit den rumänischen Arbeits-, Wirtschafts- und Finanzminister in Bukarest. Käme ein Abkommen mit Serbien zustande, könnte auch die Zugverbindung nach Serbien bei Hatzfeld einen neuen Sinn und neuen Antrieb erhalten. Seit 2014 ist die Bahnverbindung für Personenzüge nach Serbien unterbunden. Einst verbanden internationale Züge über Hatzfeld die Hauptstädte Budapest mit Bukarest; in der näheren Geschichte verkehrten täglich Motorzüge zwischen Hatzfeld und Kikinda, eine Strecke, die vor etwa zwei Jahren geschlossen wurde. Auch wenn auf dem Bahnhof selbst recht wenig passiert: Schräg gegenüber liegt die am meisten besuchte Kneipe des Städtchens. Auch das mag ein Stückchen Bahnhofsnostalgie bedeuten...

„Border Crossing Point“ ist deutlich auf dem prunkvoll gebauten Bahnhofsgebäude von 1857 zu lesen. Derzeit haben Grenzübergang und Bahnhof jedoch nur mit dem Güterverkehr zu tun. Der Personenverkehr vom Hatzfelder Bahnhof beschränkt sich auf sechs Paar Züge, die das Grenzstädtchen mit der Kreishauptstadt Temeswar verbinden - so viele wie keine andere Kleinstadt im Verwaltungskreis Temesch. Der Fahrkartenschalter ist im Acht-Stunden-Programm geöffnet - zu den Hauptverkehrszeiten wohl, denn vor allem die Nachtzüge verkehren außerhalb der Öffnungszeiten. Die Rumänische Eisenbahngesellschaft rechnet erneut mit Personentransport nach Serbien, nachdem sie auch die einige Zeit privat betriebene Strecke wieder unter ihre Obhut genommen hat, heißt es inoffiziell aus Eisenbahnerkreisen. Die Hoffnung stirbt wohl immer zuletzt – auch am Wirtschaftsstandort Hatzfeld, wo Arbeiter aus Serbien auch dem Handel einen zusätzlichen Schub verleihen würden. Vielleicht funktioniert auch der umgekehrte Weg: Dem grünen Licht für Gastarbeiter könnte nämlich ein solches auch für das Schienenfahrzeug folgen.