Persona suprimata

Als Vorsitzende des Vereins 'musica suprimata e.V.', der sich (...) mit Musik befasst, (...) die in den Ideologien des 20. Jahrhunderts  unterdrückt worden ist und die wir auf Deutsch "Verfemte Musik" nennen, habe ich das Bedürfnis, mich in eine Diskussion einzuschalten (...).

Vom 28.-30. April 2015 tagte an der Humboldt-Universität Berlin die InternationaleKonferenz „Aus den Giftschränken des KommunismusMethodische Fragen zum  Umgang mit den Überwachungsakten in Südost- und Mitteleuropa“. Selbst wenn ich mir als politisch aufmerksame Bürgerin meine Gedanken über die Behandlung des Themas "Securitate" in der deutschen und deutschsprachigen Presse mache, hat das (...) noch einen persönlichen Impetus.  Ich bin seit vielen Jahren befreundet mit dem Pfarrer und Schriftsteller Eginald Schlattner, der  sich als Kuratoriumsmitglied mit den Zielen von 'musica suprimata' verpflichtet weiß.

In den vergangenen Jahren hatte ich (...) oft Gelegenheit, die journalistische Etikettierung Eginald Schlattners als Informant der rumänischen staatlichen  Spitzelorganisation Securitate lesen zu müssen. Dass diese jahrzehntelange Diffamierung der Grundlage entbehrte, interessierte niemanden von denen, die auf dieser Verdächtigung unbeirrbar bestehen. "Immer auf den Kopf und immer auf dieselbe Stelle" einzuhauen, tut (...) vielen gut.

Seine Zellenhaft im Securitate-Gefängnis von Kronstadt von Weihnachten 1957 bis Sylvester 1959 hat Schlattner in dem Roman "Rote Handschuhe" beschrieben, und er hat auch benannt, was „an  ihm und durch ihn geschehen ist. Was daran als Schuld angelastet werden kann, steht nicht in  unserem Ermessen. (...) Aber es gibt keine Schuld, die nach dieser Zeit durch freiwillige oder unfreiwillige Informantentätigkeit entstanden wäre. Das ist, so oft es auch behauptet wurde, böswillige Verleumdung.

Endlich jetzt, nach der stattgehabten Konferenz an der Humboldt-Universität (...) könnte man die vergiftende Verleumdung endgültig korrigieren, endgültig löschen. Aber das scheint nicht so einfach zu sein, denn was setzt man an die leergewordene Stelle?

Vielleicht philosophische Betrachtungen über Rufmord, über Häme, über den Irrtum und wie schwer sich Menschen tun, liebgewordene Meinungen fahren zu lassen. Wohin mit einem, jahrzehntelang als Spitzel verteufelt, der keiner war? Nicht einsehbar wäre, weshalb Schlattner sich in diesen Jahrzehnten der Hetzkampagne nicht zu Wort gemeldet hat, alles über sich hat ergehen lassen?

An der Konzeption und Organisation dieser Tagung war federführend Dr. Michaela Nowotnick beteiligt. Die Literaturwissenschaftlerin (...) hat über 'Rote Handschuhe' promoviert und dazu (...) immer wieder in den Überwachungs-Akten der Securitate geforscht. Sie wäre befragbar. Und auf einen Artikel des (...) Journalisten Werner Kremm möchte ich (...) aufmerksam machen. Er hat alles auf den Punkt gebracht.

Entscheidend aber hat bereits vor Jahr und Tag William Totok, Berlin, die Diskussion um Schlattners Nichtspitzeltätigkeit angestoßen, über wissenschaftliche Recherchen.

Heidemarie T. Ambros[1]

 


[1] Dieser (hier leicht gekürzte) Beitrag erreichte uns als Rektion auf unseren Beitrag “Rufmord“ in der BZ vom 29. April. (wk)