Politischer Winter

Rumänien hätte 2017 ein schönes Jubiläum feiern sollen: 10 Jahre in der EU. Leider gab es absolut keinen Grund zum Feiern. Das Jahr begann mit der ominösen Dringlichkeitsverordnung Nr. 13, die Massenproteste ausgelöst hat. Der Sturz der eigenen Regierung durch Misstrauensantrag der PSD war ein politisches Novum in der jüngsten Geschichte Rumäniens. Der kurzen Regierungskrise wurde vom Staatspräsidenten ein Ende gesetzt, indem er Mihai Tudose als Premierminister designiert hat. Das Parlament hat ihn im Amt bestätigt in der Hoffnung, dass es besser gehen wird. Die neue Regierung hat sich schnell als große Enttäuschung erwiesen. Die Zusammensetzung war sehr schwach, aber auch die seltsamen Aussagen des neuen Premiers, der Banken und ausländische Investoren pauschal angegriffen hat, besorgniserregend. Die Aussage war: Ihr zahlt eure Steuern nicht. Wie falsch die Behauptung war, zeigt die Liste der Schuldner der ANAF, auf der die ersten Plätze mit Abstand von rumänischen Staatsbetrieben eingenommen werden. Gleichzeitig ist mir bekannt, dass es Altschulden des Staates in Millionenhöhe gegenüber deutscher Firmen gibt. Danach folgten die sogenannten wirtschaftlichen Reformmaßnahmen der Regierung: Die Übertragung der Lohnnebenkosten vom Arbeitgeber zum Arbeitnehmer und dadurch die implizite „Konfiszierung“ von Millionen Euro aus dem Haushalt der Städte (Temeswar, Hermannstadt, Kronstadt, Klausenburg, etc.). Die angedeutete und nicht beschlossene Kompensierung dieser Verluste vom Staatshaushalt wird vermutlich nur für Bürgermeister der Regierungspartei funktionieren. Alle sind dagegen Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Gewerkschaften, Staatspräsident, EU-Kommission. Trotzdem wurde es per Dringlichkeitserlass beschlossen, am Parlament vorbei und kaum anzugreifen, da nur der Ombudsmann, der ein treuer Diener der Regierungskoalition ist, es tun darf. Man rühmt sich mit dem Wirtschaftswachstum, basiert auf Konsum, ohne öffentliche Investitionen oder ins Land gebrachte EU-Gelder. Das Handelsdefizit in Höhe von Milliarden Euro zeigt, dass wir Importgüter konsumieren, wobei die durch Dragnea beschlossene Abschaffung der Umwelttaxe für Autos uns Schrott aus Europa gebracht hat, für den die Rumänen Milliarden Euro ausgegeben haben. Nach sechs Monaten gibt es ein Haushaltsdefizit von 4,1 Prozent, weit über 3, was die oberste Grenze darstellt. Es besteht die Gefahr, dass Rumänien als Defizitsünder von der EU-Kommission bestraft wird. Der Kurs ist gestürzt, die Wirtschaft instabil geworden, sodass unser vermeintliches Ziel der Euro-Zone beizutreten noch weiter in Ferne gerückt ist. Dazu will die Regierung den Mindestlohn rasant auf 1.900 Lei erhöhen, was natürlich in keinem Verhältnis zur Produktivität steht. Dadurch werden die unterentwickelten Regionen im Süden und Osten unseres Landes noch unattraktiver für ausländische Investoren und die Menschen dort werden verstärkt auswandern oder immer mehr von der Sozialhilfe abhängig. Ist das Dummheit oder Absicht? Parallel dazu versuchen PSD, ALDE und der Ungarnverband die Justiz zu eigenen Gunsten zu „reformieren“. Geschieht dies,weil prominente Mitglieder dieser Parteien Probleme mit der Justiz haben? Vor Kurzem hat OLAF (EU-Behörde, die die korrekte Ausgabe von EU-Geldern kontrolliert), die DNA auf die mögliche Veruntreuung von 21 Millionen Euro durch die Firma Teldrum hingewiesen. Auch in diesen Fall scheint der Parteivorsitzende der PSD und Parlamentspräsident Liviu Dragnea verwickelt zu sein; so die Aussagen von Ponta, Sova und Teodorovici (seine Kabinettskollegen in der Regierung Ponta). Die Opposition verlangt zu Recht den Rücktritt Dragneas als Parlamentspräsident, der aber nicht einmal daran denkt. Seine Parteigenossen haben sich solidarisch benommen, indem sie ihn zur DNA begleitet haben. Auf dem Parteitag der jungen Sozialisten wurde er bejubelt. Soll das also heißen, dass er ein politisches und moralisches Beispiel für diese jungen Leute darstellt? Soll das die künftige politische Elite Rumäniens sein? Dadurch, dass Dragnea Parlamentspräsident ist, stellen wir ein Unikum in der EU dar. Nirgendwo ist der Parlamentspräsident vorbestraft und wird auch noch in anderen Fällen von der Justiz verfolgt. Ich bin fest davon überzeugt, dass Dragnea gehen muss. Die Parteigenossen verlangen aber, eine Megademonstration in Bukarest um Dragnea zu unterstützen. Soll das eine neue Mineriade werden? Die von 1990 ist leider immer noch nicht aufgeklärt. Wobei der Mentor der Sozialisten Ion Iliescu und andere deswegen vor Gericht stehen. Also wäre die Erfahrung diesbezüglich vorhanden. Neulich äußerte sich ein PSD-Abgeordneter vehement im Parlament darüber, dass er und seine Kollegen es nicht mehr akzeptieren würden, dass Rumänien eine Kolonie Brüssels wäre. Eine Rhetorik des Nationalkommunismus von Ceaușescu der seinerzeit von „Einmischung in interne Angelegenheiten“ sprach. Bleibt die PSD die Nachfolgepartei der Kommunistischen Partei, bzw. hat sich bei den sogenannten Sozialdemokraten von der Ideologie her nichts geändert? Wenn man sich solche Sachen anhört, muss man sich wirklich fragen, ob Rumänien tatsächlich seit zehn Jahren EU-Mitglied ist. Gleichzeitig muss ich feststellen, dass es keine bzw. sehr schwache Reaktionen seitens der EU gibt. Zu meiner großen Enttäuschung reagieren die europäische Sozialdemokraten auf diese Aggression gegenüber Rechtsstaat, Justiz und EU-Verträge nicht. Billigen sie also das Handeln der PSD? Wie soll unser gemeinsames Haus Europa unter solchen Umständen in Zukunft aussehen? Ich habe mir unser Land zehn Jahre nach dem Beitritt sicherlich anders vorgestellt. Viele tausend rumänische Staatsbürger auch, wobei viele von ihnen inzwischen das Land verlassen haben, weil sie sich keine Illusionen mehr machen. Aus meiner Sicht erleben wir erneut einen rumänischen „politischen Winter“. Was uns übrig bleibt, ist zu hoffen, dass irgendwann der Frühling wieder kommen wird.