Preise für Stafette-Autoren

Rumänischer Schriftstellerverband: Ehrung für Banater deutsche Autoren

Fotos: Zoltán Pázmány

Fotos: Zoltán Pázmány

Der Rumänische Schriftstellerverband, Zweigstelle Temeswar, mit 220 Mitgliedern aus dem Banat, aus Rumänien und anderen Ländern, nominierte heuer für seine Literaturpreise auch vier deutsche Autoren. Es sind dies Mitglieder des deutschen Literaturkreises „Stafette“, der bekanntlich  heuer sein 25. Jubiläum beging. Die „Stafette“ kann heuer wahrlich auf ein bemerkenswertes Verlagsjahr zurückblicken: Das Herausgeber-Duo Annemarie Podlipny-Hehn-Dagmar Şiclovan brachte die Jubiläumsanthologie „Stafette - 25 Jahre“ und vier Autorenbände heraus: Petra Curescu – „Gegenbild“, Robert Tari - „Barentsburg“, Benjamin Burghardt - „Katzbuckeln“, Balthasar Waitz - „Menschen und andere Träume“. Hierzu eine kurze Präsentation der Autoren, anschließend Auszüge aus den vorgenannten Bänden.

 

PETRA CURESCU, Lyrikerin, geb. 1983 in Temeswar, Absolventin des Lenaulyzeums, Fachärztin für Onkologie in Temeswar, schreibt seit 1990 Gedichte und Prosa. Schon als Fünftklässerin Mitglied der Stafette, veröffentlichte seit 1993 in den Sammelbänden. 1999 1. Preis der Stafette. Debütband „Regenbogen der Nacht“ (2001) , Lyrikband „Warum spreche ich(nicht)…“ (2003). Lyrikband „Gegenbild“ (2016). 2003 Nominierung für den Chamisso-Literaturpreis. 2002 Debütpreis „Nikolaus Berwanger“, 2003 Literaturpreis des Deutschsprachigen Wirtschaftsklubs Temeswar. Mitglied des Rumänischen Schriftstellerverbandes, seit 2011 Mitglied des Internationalen Exil P.E.N.

 

Schon vergessen

 

Wir sprechen nicht darüber

Nie.

Nie wieder.

 

Der Himmel ist doch so blau.

Das Meer ist doch so blau.

Die Rosen sind doch so rot.

 

Der Himmel ist doch so blau,

so blau.

Das Meer ist doch so blau,

so blau.

 

Das Blut ist noch so rot,

so rot.

 

Testament

 

Das Dorf meiner Großeltern ist jetzt

Menschenleer.

Das Land meiner Eltern existiert nicht mehr.

Die Welt meiner Kindheit ist untergegangen.

Unsere Zeit ist zu schnell vergangen.

 

Vergilbte Fotos hängen an der Wand.

Eine trockene Blüte zerbröckelt in der Hand.

Verblasst sind die Farben auf unseren Fahnen.

Verstummt sind die Lieder meiner Ahnen.

 

Die Großvateruhr ist stehengeblieben,

doch das Testament wurde nicht unterschrieben.

Und wenn dann die Letzten von uns sterben

Werden wir nur digitale Lügen vererben.

 

 

BENJAMIN BURGHARDT, Lyriker, geb. 1970 in Großsanktnikolaus, Absolvent des Nikolaus-Lenau-Lyzeums, studierte Maschinenbau und Politikwissenschaften in Temeswar, war in den 90er Jahren kurz auch als Journalist in  der deutschen Sendung von Radio Temeswar tätig. Derzeit in der Privatwirtschaft beschäftigt. Debütierte 2012, 2016 veröffentlichte er seinen Debütband „Katzbuckeln“ .

 

Kein Gedicht

 

Bin kein Gedicht,

nein, keine Poesie,

kein stolzer Prinz

auf hohem Ross, der über Dingen steht.

Bin bloß ne Fußnote,

tief unterm Meeresspiegel,

da wo die Dinge

auf einem stehen.

 

Abschied

 

Hier bröckeln wir nun auseinander.

Die Zeit ist ausgetickt.

Der Bahnsteig ist das Zuhause unsrer letzten Küsse.

Der Zug hat Verspätung,

das heute stirbt langsam,

das Morgen ist schon tot.

Uns bleibt nur die Hoffnung einer anderen Welt.

 

 

 

ROBERT TARI, Autor von Prosa und Theatertexten, geb. 1987 in Temeswar, Absolvent des Nikolaus-Lenau-Lyzeums. Seit 2007 Studium der Germanistik-Anglistik an der Temeswarer West-Uni. Seit 2006 Mitarbeiter der Deutschen Sendung bei Radio Temeswar. Bis 2015 Journalist in der BZ-Redaktion, darauf Kulturreferent am DKZ Temeswar, nun in der Privatwirtschaft tätig. Viermaliger Preisträger des österreichischen Literaturwettbewerbs „Literatur überwindet Grenzen“. Seit 2002 Mitglied der Stafette, veröffentlichte in den Sammelbänden. 2008 Debüt mit „Nostalgic Medley“.2010 erschien sein Theaterstück „Die Jötunnsleyer“, 2016 das Stück „Barentsburg“. 2011 erhielt er den Nikolaus Berwanger-Preis und 2012 den Stefan-Jäger-Preis.

 

Akt 01

Szene 01 (Oops.I Did It Again)

Ebene 01 / Der Multimediaraum der Schule. Jörg und Dieter.

 

JÖRG (schaut auf die Leinwand): Und ich sag dir Dieter. Eine Verschwörung ist im Gange.

DIETER (versunken in selbst gemalte Zeichnungen von den Verdächtigen): Zweifellos…zweifellos…

JÖRG: Ansonsten hätte uns der Oberschulleiter nicht eingeschaltet.

DIETER: Die Sache ist groß. Wie müssen aufpassen Jörg. Wer weiß, was alles drin steckt?

JÖRG: Die Oberklassenschüler.

DIETER: Die Lehrer.

JÖRG: Die Putzfrauen…

DIETER: Der Hausmeister.

JÖRG: Vielleicht sogar der Oberschulleiter selbst.

Entsetzte Pause. Jörg und Dieter schauen sich die Bilder auf der Leinwand an.

JÖRG: Also, was wissen wir bisher? Fakt 1!

DIETER: Täglich in den letzten zwei Wochen sind Sachen verschwunden.

JÖRG: Und zwar überall auf dem Schulgelände. (Wechselt Bild). Montag Punkt 14 Uhr 45. Hausmeister Jochmann meldet der Schulleitung, dass eine Wasserpumpenzange verschwunden ist.

DIETER: Die Wasserpumpenzange ist seitdem nicht mehr aufgetaucht.

JÖRG: Dienstag 14 Uhr 30. Die Putzfrau Dorothea beschwert sich, dass ihr Mopp und ihr Eimer weg sind.

DIETER: Ohne die zwei Gegenstände konnte Frau Dorothea ihre Arbeit nicht machen.

JÖRG: Mittwoch 14 Uhr. Es wurden Reagenzgläser aus dem Chemielabor gestohlen. Und irgend so eine chemische Substanz, die sich in Wasser auflöst und Schaum bildet.

DIETER: Hm…

JÖRG: Und die Liste geht immer weiter: Donnerstag Eine Rohreinziehzange. Freitag: die Hausmeisterschlüssel!!!

DIETER (schlägt mit der Faust auf den Tisch): Hier ist der Täter zu weit gegangen!!!

JÖRG: Es muss eine Verbindung zwischen diesen Sachen geben. Nur welche?

DIETER: Wie sollten die üblichen Verdächtigen verhören.

JÖRG: Du hast recht. Die Frage ist nur: Mit wem fangen wir an? (Dehnt die Worte während er überlegt) Mit wem fangen wir an (Schaut sich die Bilder an) Da wäre Ricky!!!

DIETER: Verhält sich sehr verdächtig in der letzten Zeit. Laut seinen Lehrern hat er nicht mehr geschwänzt, er hat uns und unser Taschengeld in Ruhe gelassen. Ricky versteckt etwas.

JÖRG: Der versteckt bestimmt etwas. Wieso würde sonst Ricky so auf einmal den Chorknaben spielen?.....(Auszug)

 

BALTHASAR WAITZ, Prosaautor und Lyriker, geb. 1950 in Nitzkydorf, Kreis Temesch, studierte Germanistik in Temeswar (1974),  ab 1979 als Journalist  darauf als Übersetzer tätig. Seit 2006 BZ-Redakteur. Vor der Wende Mitglied des AMG-Literaturkreises, seit 2006 Mitglied der Stafette, veröffentlichte konstant in den Sammelbänden. Bisher veröffentlichte Waitz fünf Prosabände u.a. „Krähensommer und andere Geschichten aus dem Hinterland“ (2011) und „Menschen und andere Träume“ (2016). 2012 erhielt er den Nikolaus-Berwanger-Preis des rumänischen Schriftstellerverbandes, für seinen Lyrikband „mit schwalben am hut“ den Sonderpreis der Jury (2015). Der Autor ist Mitglied des rumänischen Schriftstellerverbandes und des Internationalen Exil P.E.N.

 

Benny

 

Benny steht am Tor und zwinkert den Besuchern verschwörerisch zu. Die Leute stutzen. Sie denken, dass hier was gegen die Vorschriften sein könnte.

Wenn nun einer dieser Leute stehenbleibt, so zeigt ihm Benny seine Fotografien. Es sind alte, vergilbte Schwarz-Weiß-Fotografien. Von früher, aus der Zeit, da er und wir anderen unseren Krieg noch nicht verloren hatten. Diese Fotografien aus dem wahren Leben sehen exakt wie die von den berühmten herumreisenden Fotografen Kuhn und Lusztig aus dem Kurbad Busiasch aus. Die haben früher so etwas auf dem Lande, im ganzen Banat, für die Bauern gemacht. Normal, Geld war keins da. Sie machten das für ein paar Kilo Kartoffeln, einen Topf Schweineschmalz oder eine Seite Speck. Man fotografierte den Bauer neben seinem Lieblingspferd, dem Nonius. Wenn nicht, wenn der Mann also sein Pferd schon der LPG abgeben hatte müssen, dann war auch die Kuh, die noch etwas Milch gab, dafür gut. Der Hund kriegte einen Fußtritt. Der hatte keinen Platz auf dem Foto, weil er zum Kleinvieh und dem Drumherum gehörte. Oft kamen diese fahrenden Leute ins Dorf, um Familienfotos mitsamt den Alten und dem Vieh zu machen. Dahinter hatte man ein altes Leintuch über die Veranda gespannt. Das sah schöner als in der Sakristei aus. Da wurden nun die sturen Alten auf Rohrstühle platziert. Eins , zwei, drei wurden sie wie Schafe gezählt. Auch die Kinder mussten gezählt werden, nur etwas genauer, wie Hühnereier. Die Großeltern und Urgroßeltern saßen mit strengem Geschau, die schwieligen Händen wie Schaufeln im Schoß, und seufzten scharf wie bei der Nationalisierung. Für die verängstigten Weiber und Kinder schaffte man schnell ein paar Küchenhocker herbei. Sie waren aber fein herausgemacht inden engen Sonntagskleidern. Diese rochen stark nach Naphthalin. Das störte keinen hier auf dem Land. Auf den Fotos ging das sowieso verloren. Auch der Gestank aus dem Schweinestall. Wer keine Paradekleidung hatte, eben ohne. In so ein kleines Fotoding wurden auf die Schnelle so zwanzig Personen, die ganze Sippschaft, hineingesteckt. Für immer. Auf dem Foto verschwanden dann auch mal ein paar. Am Rand. Die hatten sich leider in den Schatten unter die Trauben gesetzt. Der Bauer schaute auf dem Foto immer wie angeheitert aus.

Keine Ahnung, woher Benny die alten, vergilbten Sachen hat.... (Auszug)