Rufmord

In den vier Folgen, die diesem Beitrag vorangegangen sind, ging es grundsätzlich um Betrachtungen über Recht und Moral im Lichte des Urteils des bayerischen Oberlandesgerichts München, wo die Instanz einen durch schriftliche Bestätigung der rumänischen Securitate-Archive CNSAS ausgewiesenen Securitate-Spitzel gegen die Bespitzelten in Schutz nimmt, über die er Berichte schrieb und ausdrücklich boshafte Interpretationen ihrer Werke lieferte, aufgrund derer die Autoren aus Securitate-Sicht jederzeit belangt, auf alle Fälle aber in deren Visier gerückt wurden. Das Gericht aus Bayern sorgt sich um den Ruf des Spitzels und beschützt ihn vor jeder weiteren Nennung, in Deutschland, im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Securitate. Unwiderruflich.

Deshalb sei an dieser Stelle, quasi zwangsweise, an einen anderen Fall erinnert, wo einer, der keinen einzigen Bericht an die Securitate verfasst oder unterschrieben hat, dem aber der Ruf des Securitate-Spitzels unreinwaschbar anhaftet, nur weil ein paar Leute die Hebel dazu besaßen, diesen Ruf in der Öffentlichkeit, teilweise sogar auf Kosten des rumänischen Staates, geschickt, aber als ordinäre Verleumdung, zu verbreiten. Es geht um den Rufmord am evangelischen Pfarrer und Schriftsteller Eginald Schlattner. Ich möchte hier nicht die zahlreichen Argumente von William Totok aufzählen, die wir, in Folgen, in der Banater Zeitung veröffentlicht haben und die – genauso unanfechtbar, wie das Münchner Gericht sein (in meinen Augen unmoralisches) Urteil gewappnet hat... – nachweisen, dass Schlattner KEIN Securitate-Spitzel war. Der Rufmord an Schlattner ist aber wohl mit verstandesmäßigen Argumenten nicht einzudämmen.

Laut „Duden“ ist ein Rufmord eine „gezielte Schädigung des guten Rufs, Ansehens eines anderen (durch Verleumdung)“, und „Rufmord betreiben“ heißt sinngemäß: „Affront, Beschimpfung, Diffamierung, Diskriminierung, Erniedrigung, Injurie, Insult, Invektive, Kränkung, üble Nachrede, /Presse/kampagne, Schmähung, Tort, Verleumdung, Verunglimpfung“ - bei dieser Aufzählung überraschte mich erst mal der Reichtum des Deutschen an Wörtern, die sich mit Verleumdung beschäftigen – und ich musste an die Sprachtheorien von Ludwig Wittgenstein denken... Vordergründig geht es mir aber um den vom rumänischen Fernsehen TVR1 gedrehten Dokumentarfilm „Eginald Schlattner – tradatorul“ ( - „der Verräter“ – auch dieses Wort passt irgendwie in obige Wortfamilie), den die TVR1-Abteilungsleiterin Lucia Hossu-Longin unter Mitarbeit des (seit dem Kronstädter Schriftstellerprozess) unbelehrbaren Schlattner-Feinds Hans Bergel gedreht hatte, der in seinen kürzlich veröffentlichten Tagebüchern noch einmal schwungvoll etwas draufsetzte. Die Rufmordkampagne (dazu gehören auch Veröffentlichungen von Renate Windisch-Middendorf und Sven Pauling) hängte Schlattner ein Schild um den Hals, das ihn wohl für ewig und übers Grab hinaus an den Pranger stellt.

Als „sicherer Securitatespitzel“ - der nie einer war. Keiner wird auch nur ein Archivdokument zu der „sicheren“ Behauptung vorlegen können.