Stadt wird aktiv am Immobilienmarkt

Ankauf des Notre-Dame-Schulkomplexes geplant

Derzeit noch Untermieter im Temeswarer Notre-Dame-Schulkomplex: Das Banater Nationalkolleg

Temeswar – Es gibt derzeit immer mehr Anzeichen, dass die Temeswarer Kommunalverwaltung nach vielen Jahren von Passivität und Enthaltung die Fronten auf dem lokalen Immobilienmarkt und zwar auf die Käufer-Seite wechseln möchte. Der Stadtrat setzte vor Kurzem gar starke Akzente mit einem Beschluss bzw. der Initiative, einen der wertvollsten und größten Schulkomplexe der Begastadt, den bekannten Notre-Dame-Schulkomplex in der Temeswarer Josefstadt anzukaufen. Der Komplex, der derzeit zwei repräsentative Lyzeen bzw. das Banater Nationalkolleg und das theoretische Lyzeum „Dositei Obradovici“ beherbergt, befindet sich seit seiner Rückerstattung nach der Wende im Besitz der römisch-katholischen Ordensgemeinschaft der „Armen Schulschwestern Notre Dame“. 2012 wurde zwischen der Stadt und der römisch-katholischen Diözese Temeswar, als Bevollmächtigte der Ordensgemeinschaft, ein Mietvertrag für die beiden Schulgebäuden geschlossen, der noch bis zum 31.10.2014 läuft. Die Stadt hat demgemäß eine recht hohe Monatsmiete von 21.250 Euro zu bezahlen. Im Rahmen der Verhandlungen zwischen einer städtischen Kommission und den Vertretern der Diözese wurde erstens für alle Fälle eine Verlängerung des bestehenden Mietsvertrags auf ein weiteres Jahr ausgehandelt. Das Kaufangebot der Stadt wurde von der römisch-katholischen Diözese im Prinzip angenommen, mit der Bedingung, dass diese Gebäude auch weiterhin, wie auch im laufenden Mietvertrag angeführt, zu Schulzwecken genützt werden. Für einen eventuellen Ankauf steht noch eine von der Diözese angeregte technische Fachexpertise der Gebäude und die Bestimmung eines Marktwertes für die geplante Immobilien-Transaktion aus.  Vorläufig hat die Diözese Temeswar dem Temeswarer Stadtrat nur einen Vorbericht präsentiert: Der Marktwert der beiden Schulgebäude an der Straße des 16. Dezember und der General Ion Dragalina- Straße würde sich geschätzt auf zirka 29,5 Millionen Lei, nahezu 6,6 Millionen Euro, belaufen. Dieser Preis scheint den Stadtvätern jedoch etwas hochgeschraubt zu sein: Laut Vizebürgermeister Dan Diaconu hätte eine eigene Expertise einen weit kleineren Marktwert ergeben.

Gegründet wurde der Gebäudekomplex in der Josefstadt auf großzügigem Gelände zur Zeit des Bischofs Alexander Bonnaz 1880-1889. Die ersten sechs Schwestern der Ordensgemeinschaft, gegründet 1833, waren schon 1858 aus Bayern nach Temeswar gekommen. Der Komplex umfasste das Anstalthaus des Instituts, die Klosterkirche und mehrere Schulgebäude (Kindergarten, Volksschule, Mädchengymnasium, Lehrerinnenbildungsanstalt), hinzu kamen mehrere Klosterschulen in Temeswar und Filialen in vielen Banater Ortschaften. Zum Ausbruch des 2. Weltkriegs zählten die Lehranstalten 716 Schülerinnen. Der Schulkomplex wurde 1948 verstaatlicht, der Orden aufgelöst, nach der Wende glückte zum Teil mit einem ersten katholischen Kindergarten 2003 der Versuch einer Wiederbelebung.

Der Notre-Dame-Komplex gehört derzeit zu den schönsten Stücken des wertvollen geschichtlichen Bauerbes der Stadt, das zirka 14.500 Altbauten , zum Großteil im Barock- und Jugendstil, dem landesweit wohl größten derartigen historischen Bauensembles, umfasst. Dazu gehören fast restlos die Bauten aus der Innenstadt, aus den Stadtteilen Fabrikstadt und Josefstadt. Ein Großteil, bis 1989 noch in Staatsbesitz oder Stadteigentum, kam nach der Wende rechtmäßig oder durch ungesetzliche Machenschaften der Immobilienmafia, mit Hilfe korrupter Beamten aus dem Rathaus, dem Grundbuchamt, öffentlicher Notare und gar Richter, in Privathand. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung der Rückerstattungsakten 1990-2008 hat das ganze Ausmass dieser Diebstahlsserie (Illegalitäten, Fälschungen, ungesetzliche Amtsbeschlüsse usw.) beleuchtet. Ob die Stadtverwaltung mit Hilfe der Untersuchungsorgane nach vielen Jahren wieder Ordnung im undurchsichtigen städtischen Immobiliensektor schaffen können wird, ist höchst fraglich. Wunsch und Initiative der Stadtverwaltung, wenigstens einen Teil der wertvollen historischen Bauten wieder dem Stadtpatrimonium zuzuführen, sind jedoch höchst begrüßenswert.