Trendwende: Entwickler verdrängen Fließbandarbeiter

Temescher Arbeitsmarkt fordert neue Fachausrichtung

Namhafte internationale Konzerne haben ihren Sitz in den fünf Business-Center (Foto). Von der Gesamtsanierung des Areals um den Marktplatz wird seit Jahren bloß gesprochen.
Foto: Zoltán Pázmány

Für manch einen Unternehmer, der bedeutend höhere Löhne im Raum Temeswar zahlen muss, als dies in vielen anderen Landesteilen der Fall ist, ist Rumänien und vor allem Temeswar längst kein Billiglohn-Land mehr. Experten weisen darauf hin, dass der realisierte Mehrwert/ Kilogramm Rohmaterial noch immer weit unter dem EU-Durchschnitt liegt. Die Entwicklung in Temeswar hat auf jeden Fall gezeigt, dass internationale Großkonzerne zwar einfache Fließbandarbeit nicht abgeschafft haben – dazu ist der Lohnunterschied zwischen Westeuropa und Rumänien noch zu groß - aber auch die lokalen Personal-Ressourcen der Hoch- und Fachschulen nutzen und in die Sparte Forschung & Entwicklung investieren. Die Statistiken mögen zwar darauf hinweisen, dass zahlenmäßig ein Großteil der Mitarbeiter im Raum Temeswar noch immer weniger als 1500 Lei Netto für Handarbeit in den Werken verdient, doch die Eröffnung von Kompetenzzentren, der hohe Auslastungsgrad von Büroräumen der gehobenen Klasse und nicht zuletzt die Tatsache, dass immer mehr Dienstleister auf den Markt kommen, sprechen jedoch Bände dafür, dass in Temeswar eine Trendwende durchaus erkennbar ist.

 

Büros der gehobenen Klasse gefragt

Der Entwickler und Besitzer der größten Mietfläche an Büroräumen der A-Klasse in Temeswar, die New Europe Property Investment (NEPI), geht davon aus, dass er in diesem Jahr seine Büroräume im City Business Centre neben dem Marktplatz „Timişoara 700“ komplett vermieten kann. Der Auslastungsgrad lag Anfang des Jahres bei 95 Prozent. In den fünf Gebäuden hat NEPI im vergangenen Jahr 10.500 Quadratmeter Bürofläche vermietet. „Wir sehen, dass viele der ansässigen Konzerne ihre Tätigkeiten ausweiten und gleichzeitig andere auch neu auf den Temeswarer Markt kommen“, sagt Ovidiu Şandor, Verwalter, Konzeptgeber und auch zu Beginn Entwickler der Bürohäuser auf dem Grundstück des ehemaligen Modatim-Unternehmens. Vor allem aus den Bereichen IT, Elektronik und Automotive suchen Unternehmen verstärkt Büroräume, so Şandor weiter. Nachdem im vergangenen Jahr auch das fünfte Gebäude fertiggestellt worden ist, stieg die Gesamt-Mietfläche auf etwas über 47.000 Quadratmeter. Derzeit haben mehr als 5000 Personen einen Arbeitsplatz in den fünf Bürohäusern.

 

Vermarktungslücke für Kompetenzzentrum

Ende vergangenen Jahres hat die Temeswarer Stadtverwaltung im Industrie-Park im Temeswarer Stadtteil Freidorf das sogenannte Regionale Kompetenzzentrum für die Zulieferer aus der Automotive–Industrie fertiggestellt und dies soll allen Firmen aus dem Bereich zur Verfügung stehen. Kurios ist es schon, wie die Stadt mit der (Nicht)-Vermarktung des Zentrums umgeht. „Absolut alle Firmen aus der Automotive-Industrie haben darauf hingewiesen, dass sie die Eröffnung des Zentrums erwarten, um mit Aufträgen an uns heranzutreten“, wird die Projektmanagerin, Magdalena Nicoar², in rumänischen Medien zum Zeitpunkt der Eröffnung zitiert. Der Technische Direktor eines deutschen Großkonzerns, der in unmittelbarer Nähe des Kompetenzzentrums angesiedelt ist, erfuhr erst spät aus den Medien, dass es das Zentrum überhaupt gibt. „Wenn wir nicht informiert wurden, dann wer“?, fragt rhetorisch der Werksleiter.

Fünf der insgesamt 12,6 Millionen Lei für Bau und Einrichtung des Zentrums kamen aus nicht rückzahlpflichtigen EU-Fonds. „Für die Unternehmen, an die wir uns wenden, ist es wenig sinnvoll, die Ausstattung zur Herstellung von Werkstücken zu kaufen, die oft in kleinen Serien oder in Einzel-Ausfertigung notwendig sind“, weist der Temeswarer Bürgermeister Nicolae Robu auf den Sinn einer solchen Einrichtung hin. Robu erwähnte auch, dass die Stadt innerhalb des Projektes Ausstattungen in Höhe von vier Millionen Lei gekauft habe, Apparatur, die nicht zuletzt auch zur Fortbildung der Mitarbeiter dient, „einschließlich der Studenten von der Technischen Hochschule“.

Mit dem Outsourcing-Dienstleister Bosch Service Solutions hat vor Kurzem in Temeswar ein weiterer Markenname sein zweites Service-Center eröffnet. Etwa 570 Mitarbeiter waren Ende des vergangenen Jahres in diesem Unternehmen in Temeswar angestellt, 2016 sollen weitere zirka 100 hinzukommen. Für ihre Dienstleistungen, vor allem im Bereich Finanzen und Buchhaltung, beabsichtigt die Firma Ökonomen, Call-Center-Mitarbeiter, Fachleute für Projektmanagement und IT-Support sowie SAP-Analysten einzustellen. Damit wird die Mietfläche der Firma in Temeswar von 4.000 auf 6700 Quadratmeter ansteigen.

„Dieses zweite Center wird die Dienstleistungen für unsere Kunden verbessern aber auch die Prozeduren innerhalb der Bosch-Gruppe vereinfachen“, sagt zur Expansion in Temeswar der Präsident der Bosch Service Solutions, Joerg Fischer.