Unverheilte Wunden

In dieser Woche erfüllen sich 25 Jahre, seit Temeswar die tragischste und triumphalste Zeit seiner Geschichte erlebt hat: die Dezemberrevolution. Temeswar hat zwischen dem 16. und 22. Dezember 1989 Rumänien vorgemacht, wie man ein vermeintlich für ewig installiertes Regime abschütteln kann. Und seinem Beispiel sind, spät – aber immerhin doch,  nahezu alle anderen Ortschaften Rumäniens gefolgt, bis die Sekundärchargen der kommunistischen Führung in Bukarest das Kommando übernahmen, kurzerhand ihr vorgebliches Idol Ceausescu in einer Prozesskarikatur aburteilten und sofort erschießen ließen, sich selber an dessen Stelle setzten. Die Temeswarer Revolution war gestohlen.

Danach wurde Temeswar von den Revolutionsdieben ins Abseits und in die Anspuckecke gedrängt (auch wegen der „Deklaration von Temeswar“, März 1990, wo die Lustration aller kommunistisch Kompromittierten gefordert wurde), die wenigen ehrlich an Änderungsmöglichkeiten Arbeitenden zogen sich, still oder laut, zurück, diejenigen, die sehr genau wussten, wo etwas zu holen war, wandelten sich unterm Schutz- und Schweigemantel der kommunistischen Nachhut unter Großprotektor Ion Iliescu zu den Kapitalisten der Nachwendezeit, die heute 60 Prozent des Top100 der reichsten Rumänen stellen; es folgte die Zeit des beschämenden Umgangs mit König Mihai I, auf den die Aashunde des Regimes gehetzt wurden – nur Temeswar bot und gewährte ihm Schutz!

Es folgten erste Ansätze zur Aufklärung der Vorgänge im Dezember 1989: Wer hat auf uns geschossen?; Wer gab den Schießbefehl, wer verweigerte ihn?; Wer waren die Ärzte in den Krankenhäusern, die ihren hippokratischen Eid mit Füßen traten?;  Wer waren diejenigen, welche die Toten der Revolution würdelos in Massengräber verscharren ließen, wer diejenigen, die Lkw-Ladungen voller Temeswarer Toter ins Bukarester Krematorium „Cenusa“ schafften, um die Asche der Opfer der Revolution anschließend in einen Abflusskanal zu kippen?; Wer waren diejenigen, die bereits in den ersten Tagen der Temeswarer Revolution unter den Aufständischen den Keim der Uneinigkeit streuten – der bis heute bewirkt, dass die verschiedenen Temeswarer Revolutionärsverbände sich unversöhnlich bekriegen?; Wer waren die „Terroristen“, die als Vorwand für die Schießereien nach der Erschießung der Ceau{escus dienten, bei denen mehr Bürger umkamen als in den Tagen vor der Flucht der Ceau{escus vom Dach des Gebäudes des ZK der RKP?; und nicht zuletzt: Wann werden wir endlich wissen, wer die Mörder und Mordbefehlsgeber sind, die unter uns weilen?

Auf einige dieser Fragen versucht die Redaktion der „Banater Zeitung“, in ihrer heutigen Sonderausgabe, Antworten zu geben. Oder zu suggerieren. Andere müssen von Staatsanwälten und Gerichten kommen. Dazu muss erst Mal totale Transparenz zu den Vorgängen vom 16. – 31. Dezember 1989 und auf das Jahr darauf ermöglicht werden. Mittels politischem Willen.

Die Wunden, die 1989 schlug, sind, bei aller Freude über die neue Freiheit, offen.