Vom Flüchtlingsdrama berührt: Übungszeltlager mit Dauerbestand

Kein Fremdenhass oder Ablehnung, dafür aber Bedenken und Zurückhaltung

Nur brav von vorne lässt der wachhabende Gendarm das Zeltlager in Lunga fotografieren. Alles andere ist strengstens verboten.
Foto: Siegfried Thiel

Ermina Mihai von der rumänischen Einwanderungsbehörde sagt mir telefonisch, dass die Kommunikation auf das Innenministerium übertragen wurde, also kann auch die Banater Zeitung von ihrer Behörde nichts Konkretes über Flüchtlinge und Transit-Flüchtlinge erfahren. Somit auch kein Wunder, wenn sich die Uniformierten im Zeltlager am Dorfrand der Temescher Ortschaft Lunga (Gemeinde Großkomlosch) bedeckt halten. Zwischen Bäumen und von einem Zaun getrennt und abgeschirmt stehen die Zelte für 700 Personen dicht aneinander gereiht auf dem Grundstück nur einige hundert Meter vom Schlagbaum entfernt, der den rumänisch-serbischen Grenzübergang bildet. Ein Einsatzwagen der Gendarmerie versperrt zusätzlich das Blickfeld auf das Zeltlager und es ist fast unmöglich, ein Foto zu schießen. Der Gendarm am Tor darf uns nicht einmal sagen, ob überhaupt schon Flüchtlinge da sind, oder nicht. Die Ruhe und die wenigen auf dem Gelände anwesenden Sicherheitsleute lassen erahnen, dass sich zur Zeit der BZ-Dokumentation kein Flüchtling im Camp aufgehalten hat.


Wie überall auf dem Land, vor allem bei Nieselwetter, schlägt der Puls der Kommune im Dorfwirtshaus. Von „lasst mich mit euren Flüchtlingen in Frieden“ bis hin zu den Männern, die Personal für ihre Fabriken im 50 Kilometer entfernten Temeswar suchen, sind praktisch alle Meinungen vertreten. Grundsätzlich ist weder Fremdenhass noch Ablehnung zu spüren, Bedenken und Zurückhaltung vor dem Unbekannten jedoch umso mehr. Zwar sind solche wie Paul, der schon mal in Deutschland auch auf Arbeit war, gerne bereit, Flüchtlingen die Möglichkeit zu geben, am Dorfrand zu campen, doch ein beklemmendes Gefühl scheint er trotzdem zu haben. Nicht zuletzt seien die Zuwendungen in Deutschland ohnehin höher als in Rumänien, glaubt Paul ein Argument zu erkennen, warum die Flüchtlinge nicht lange in Rumänien bleiben wollen. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Fremde so nah an unserem Dorf“, sagt seinerseits der Rentner mit schwäbischen Wurzeln, Viorel Curt. Er hat gehört, dass das Zeltlager noch weiter ausgebaut wird, „um Plätze für weitere 550 Personen zu schaffen“, und er lässt erkennen, dass vor Ort jeder mit sich schon ausreichend beschäftigt sei. „Viele haben hier keine Arbeit“.

 

Jobchance? Erstmal nicht...

Die jungen HR-Mitarbeiter einer deutschen Firma in Temeswar, die gerade in Großkomlosch und Umgebung Personal anwerben, haben grundsätzlich Verständnis für das Drama der Flüchtlinge. Sie können verstehen, dass Menschen aus Kriegsgebieten fliehen und ihnen Obdach gesichert werden sollte. Aber für ihr Kontingent kommen sie nicht in Frage. Auch wenn sie schon hier wären, also nur wenige hundert Meter entfernt, kämen sie als Fließbandarbeiter für den Automobilzulieferer nicht in Frage. „Die Flüchtlinge aus Asien werden wohl kaum lange in Rumänien bleiben und deshalb sind sie auch in Zukunft für unser Werk keine Option“, sagt einer, der der Leiter der Gruppe zu sein scheint. Genau so wie sie zwar Flüchtlinge nicht ablehnen, doch auch nichts Besonderes mit diesem Thema anzufangen wissen, ergeht es vielen Bürgermeistern entlang der Grenze in der Banater Verwaltungskreisen. Flüchtlingslager müssten eher im Inneren des Landes angelegt werden, denn die Immigranten wollen eh alle nach Westeuropa. So könnte man zusammenfassen, was Bürgermeister aus den Grenzgemeinden des Kreises Arad vor einiger Zeit zu diesem Thema zu sagen wussten. Andere meinten, eine Gendarmerieeinheit könnte schon in ihrem Ort stationiert werden, für Flüchtlinge sah er jedoch keine Alternativen zur Unterkunft und will somit gar nicht erst an die Belastungsgrenze seiner Kommune gehen. Der in Temerswar lebende syrische Arzt Al Massalmeh Ziad, führendes Mitglied der „Gemeinschaft Freies Syrien aus Rumänien“, sagte der Banater Zeitung, er glaube, Syrer werden im Extremfall in Rumänien gut  aufgenommen. Dazu habe vor allem die gute Aufklärung und Information der Medien beigetragen, lobt der seit vielen Jahren in Temeswar lebende Mediziner die rumänische Presse. 

 

Angebote aus Behörden und Institutionen

Behörden und Institutionen in Temeswar sind jedoch zumindest mental auf einen Flüchtlingsstrom vorbereitet. So will das Arbeitslosenamt Flüchtlingen eine Berufsausbildung sichern, wenn diese nicht über eine solche verfügen oder ihre Diplome nicht dabei haben. Der Rektor der staatlichen Westuniversität, Marilen Pirtea ist bereit Migranten gratis Rumänisch Sprachkurse zu vermitteln und baut vor allem darauf, dass dabei seine Institution Erfahrung mit ausländischen Studenten hat. Rumänien kommt wohl doch nicht um eine größere Anzahl von Migranten aus dem Orient herum. Von mehr als 6000, die über die Pflichtverteilung innerhalb der EU aufgenommen werden müssten, ist derzeit die Rede. Auch wenn Staatspräsident, Johannis gegen eine Umverteilung gestimmt hatte und nur die 1700 Plätze in den Flüchtlingszentren Rumäniens belegen wollte. Trotzdem stehen allein im Kreis Temesch, an der rumänisch–serbischen Grenze zwei Zeltlager – eines in Lunga und das andere in Morawitza. Sie waren als Übungscamp aufgestellt worden und sollten nach drei Tagen wieder abgerissen werden. Auch Wochen danach gibt es sie nun schon – ein deutliches Zeichen, auch wenn Ermina Mihai aus der Einwanderungsbehörde die Fakten nicht in Worte kleiden darf.