Auf den Spuren der Dobrudschadeutschen 2016 (I)

Ein Menschenleben nach ihrer Umsiedlung 1940

Der Autor des Vortrages und der Dokumentation über die Dobrudschadeutschen, Ortwin Hellmann ist Kurator des Kronstädter Evangelischen Kirchenbezirkes A.B., zu dem auch dieses Gebiet gehört, und ist ein guter Kenner der Geschichte und Gegenwart der hiesigen deutschen Siedler.
Foto: Dieter Drotleff

Die sogenannten Dobrudschadeutschen sind ein geläufiger Begriff. Zu der Allgemeinbildung eines jeden Kronstädters, und nicht nur, sollte auch die Lektüre des Romans „Der Büffelbrunnen“ von Adolf Meschendörfer gehören, in dem auch das Leben zwischen Donau und Schwarzem Meer in der Zwischenkriegszeit sehr ansehnlich und eingehend geschildert wird.

Eine geschichtliche Darstellung dieser deutschen Volksgruppe, der einzigen, die je unter türkischer Hohheit lebte, würde den Rahmen sprengen.
Als erstes stellt sich die nicht ganz unberechtigte Frage: Wie kommen Deutschstämmige in das entlegene, nicht traditionelle Siedlungsgebiet, im sogenannten „Ethnischen Mosaik Rumäniens“, in dem es keiner Nationalität gelang, das unbedingte Übergewicht zu erlangen, und ihren prägenden Stempel aufzudrücken, wo sie 100 Jahre lang gemeinsam mit den meisten Minderheiten Rumäniens, oder gar Europas lebten ?

Die meisten deutschen Bauern kamen nicht unmittelbar in die Dobrudscha. Zwei Generationen und weite Wege lagen zwischen Abreise aus dem Mutterland Deutschland und der Ankunft in diesem damals recht unbekannten Winkel an der unteren Donau.

Ab Mitte des 19. Jh. sind deutsche Siedler in mehreren Wellen in die Dobrudscha, die damals eine osmanische Region war, eingewandert. Die meisten kamen aus Bessarabien, wohin sie mehrheitlich 1812 unter Zar Alexander I., nach Einverleibung Bessarabiens ins Russische Reich geholt wurden. Zweck war das dünnbesiedelte und schwach entwickelte Bessarabien aufzubauen. Das Zarenreich verließ diese deutsche Volksgruppe wegen Verlust der zugestandenen Privilegien, z.B Befreiung vom Militärdienst, Verstaatlichung der Schulen u.a. In der neuen Heimat wurden den deutschen Siedlern keinerlei Schwierigkeiten beim Landkauf und der Ansiedlung bereitet, auch weil dort weder Ackerbau, fester Grundbesitz, von einer Infrastruktur ganz zu schweigen, entwickelt waren.

Seitens des Osmanischen Reiches erfolgte keine gezielte Staatskolonisation, wie es so oft in der Geschichte geschah. Den Kolonisten wurde Religionsfreiheit gewährt, und soviel Land zugewiesen, wie sie fähig waren zu bearbeiten, auch gab es fiskalische Erleichterungen und sechs Jahre waren sie von dem Militärdienst befreit. Zu Beginn des 20. Jh. zogen deutsche Siedler auch in die südliche Dobrudscha, dem heute bulgarischen Teil der Region, auch als Quadrilater bekannt.
Die Anzahl der Dobrudschadeutschen hatte sich bis 1917 durch Eigenwachstum verdreifacht, sie machten aber doch nur unter 2 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Die Dobrudschadeutschen lebten von einer kargen Existenzweise vor allem im ländlichen Raum.

Nur wenige Dörfer waren ausschließlich von Deutschen besiedelt. In den meisten Dörfern lebten die diversen Ethnien gemischt, aber nach dem Grundsatz: „ Jede Gruppe bleibt streng für sich, lebt ihr eigenes Leben und hält treu an ihrer Eigenart, ihrer Sprache und Sitte fest.“ In Cobadin wird der ehemalige deutsche Dorfteil auch heute noch als „satul nem]esc“ genannt.

Die wichtigsten Lebensbereiche sollten kurz Erwähnung finden.
 

Die Religion

Bemerkenswert ist, dass die Christen in der Dobrudscha während der osmanischen Herrschaft ihr kirchliches Leben weitgehend frei gestalten und leben konnten. Es herrschte eine scharfe Ausprägung des Glaubens, um eine Vermischung mit „ der fremdgläubigen und fremdvölkischen Umgebung“ zu verhindern.
Die Mehrheit der Dobrudschadeutschen waren evangelisch-lutherischen Glaubens (in der Zwischenkriegszeit etwa 55,3 Prozent) und wurden vom Evangelischen Oberkirchenrat aus Berlin betreut, der auch Pfarrer entsandte. Es wurde nur deutsch gepredigt. Die Kirchenbezirke waren sehr weitläufig und umfassten mehrere Gemeinden. Dies hatte zur Folge, dass manche Pfarrer nur selten in allen Gemeinden Gottesdienst feiern konnten (eine heute uns auch sehr bekannte Erfahrung). Aber, so wie heute, wurde dieser Dienst oft von Laien, Lehrern, soweit vorhanden, oder einem Landwirt abgehalten. Als Folge davon ist festzustellen, dass sich oft sogenannte Sondergruppen bildeten, und auch Sekten leichtes Spiel hatten, evangelische Gläubige anzuwerben. Besonders erfolgreich waren die Baptisten (11 Prozent). Derartige Umstände führten oftmals bis zu offenen Feindseligkeiten. 32,5 Prozent der Siedler gehörten der römisch-katholischen Kirche an. Ab 1883 unterstanden diese der Erzdiözese Bukarest, die dafür sorgte, dass, zumindest in einigen Gemeinden, deutsche Priester tätig sein konnten. Evangelische und Katholiken lebten in der Dobrudscha zumeist räumlich getrennt. Das Verhältnis wurde als „friedlich-schiedlich“ bezeichnet, während sich zu den Baptisten ein „gelegentlich gespanntes Verhältnis etablierte“. Die Konfessionszugehörigkeit, durch die Abgrenzung zum anderssprachigen und -gläubigen Umfeld wurde auch als „Schutzwall zur Bewahrung des Deutschtums“ definiert.
Die erste Evangelische Kirchengemeinde wurde 1849 in Atmadscha gegründet.
 

(Fortsetzung folgt)