Die Schulerau bei Kronstadt

Früheste Begehung des Gebietes und spätmittelalterliche Anfänge seiner wirtschaftlichen Nutzung (I)

„Außer diesen angeführten und noch andern minder erheblichen Bergen und Anhöhen gegen Süden zieht ein weit merkwürdigeres Gebürge, nämlich das        S c h ü l e r g e b ü r  g e  die Aufmerksamkeit des Beobachters an sich, zunächst an Kronstadt. Es ist zwar nicht so erhaben, als die vorigen und der Zugang dazu nicht so steil; sein Umfang aber ist um so viel grösser, auch ist es reicher an nützlichen Produkten. Die Anhöhen desselben verlieren sich oben in schöne Ebenen und Wiesen, welche von mehreren klaren Bächen durchströmt werden. Viele Schafherden und Stuttereyen finden allda das ganze Jahr hindurch ihre Weiden. – Die Einkünfte von diesem Gebürge flossen vor Alters dem Kronstädter Gymnasium zu, nachgehends aber fand man für gut diesen Fond mit einem anderen zu vertauschen. – Ausserdem ist noch für Hutweide Raum genug und noch immer wird den Sommer hindurch eine Herde Kühe auf einem Zugang dahin, welcher
P o j a n a  heißt, zur Weide getrieben. Seitwärts an den Abhängen dieses Gebürges stehen die schönsten Tannen= Fichten= Buchen= u. Wälder, die das auserlesenste Bauholz liefern. Dieses Gebürge ist eben so auch die eigentlichste botanische Vorrathskammer für die Kronstädter Apotheker.“ Es folgt eine Aufzeichnung von in dem beschriebenen Gebiet vorkommenden Heilpflanzen.

( Aus J. Kl., „Beschreibung einiger Berge und Höhlen in Burzenland und Zekelland“, in „Siebenbürgische Quartalschrift“, Dritter Jahrgang, Zweites Quartal, 1793, Hermannstadt, verlegt bei Martin Hochmeister, Seite 99 – 113)


Die kurz gefasste meisterhafte, wenn auch leider anonyme Beschreibung des der Stadt Kronstadt/Bra{ov nächstliegenden Gebirges ist die erste nach den wissenschaftlichen Kriterien der Aufklärung erfolgte Beschreibung des Schulers und der Schulerau. Sie nimmt durch ihre bestechende Knappheit und präzise Schwerpunktlegung jeden Versuch einer wirtschaftlichen Analyse des Spätmittelalters vorweg und lädt ein zu einem eingehenderem Quellenstudium, um im Rückblick noch einmal in einzelnen noch zu erfassenden historischen und naturwissenschaftlichen Details der einmaligen Landschaft Leben zu verleihen.

Da dieser Aufsatz vielleicht auch von Ortsfremden gelesen wird, für die das gesamte Gebiet mit allen seinen landschaftlichen Prägungen, seiner Vegetation und Tierwelt, seinen Gewässern und seinem Klima nicht selbstverständlich ist, soll kurz das Gebiet Schulerau (rum: Poiana–Braşov, ung. Polyan, mittelalterliches Latein: „insula vulgo Awe“) aus heutiger Sicht beschrieben werden. Das Schuler-Gebirge gehört  der Kette der Südkarpaten an. Es liegt im östlichen Teil der südlichen  Kette und hat in etwa eine Fläche von 130 qkm (H.  Wachner: „Kronstädter Heimat und Wanderbuch“. Reprint. „Aldus Verlag“, A. Hermel, Kronstadt,1994).

Die Schulerspitze hat eine Höhe von 1799 m. Von der Stadt Kronstadt ist die vorgelagerte Gebirgswiese „Schulerau“, etwa 1000 m hoch, auf dem sogenannten „Alten Serpentinenweg“ aus der „Oberen Vorstadt“ ( rum. Scheii Braşovului) etwa 8 km entfernt (etwa 4 km vom Marktplatz in der Stadtmitte) erreichbar. Vom geschichtsträchtigen  Tal-Ende, den „Salomonsfelsen“ (früher „Salomonsburg“) in etwa 720 m Höhe ü.d.M., sind es nochmals 4 km auf dem „Alten Serpentinenweg“ bis in die „Große Schulerau“ ( 1000 m  ü. d. M). Bis zu der höher gelegenen „Kleinen Schulerau“, die unmittelbar unter den nördlichen Steilhängen des Schulers liegt, sind nochmals 2-3 km auf einem Höhenunterschied von etwa 100m zurückzulegen.

Durch heutige Satellitenaufnahmen lassen sich die geografischen Koordinaten der gesamten etwa 2–3 qkm großen Schulerau–Gebirgswiese auf 45º 29‘47“ bis 45º 39‘45“ (nördliche Breite) und 25º 39´ 44“ bis 25º 26´20“ (östliche Länge) festlegen.

Die Schulerau ist als ein Relikt der letzten Eiszeit zu betrachten: Die Nordseite des Schulers war in der letzten Eiszeit mit einer geschlossenen Eisdecke bedeckt. Als der Schmelzvorgang durch die Erwärmung einsetzte, bildeten sich in der flach nach Süden abfallenden Schulerau Wasseraugen, so wie Sumpfgebiete überall  dort, wo auf stellenweise undurchlässigen Ton-  und Schieferschichten das Wasser nicht in tiefere Schichten versickern konnte.

Diese sumpfigen Wiesen verhinderten noch zu frühesten Zeiten, dass die Wiesen durch Sträucher und Bäume zuwachsen konnten. Durch die große Schulerau fließt auch heute noch auf stellenweise versumpftem Talboden der „Glasergraben.“ Nachdem dieser den mit Fichten bedeckten „Orendi-Hügel“ umflossen hat, nimmt er die Richtung des maximalen Terrain-Gefälles (Nord-Osten, Süd-Westen ) ein und trifft sich im Süden der Großen Schulerau mit dem aus der „Baumstumpf-Quelle“ gespeisten Bach im „Henschel-Graben“, der aus der „Kleinen Schulerau“ in einem Nebental fließt. Die Gewässer der Schulerau münden in eine steile unbegehbare Waldschlucht, den sogenannte „Teufelsgraben“. Unten im Tal fließt das Wasser letztlich durch die „Rosenauer Heuwiesen“ in den Kleinen „Weidenbach“.

Das gesamte Schulerau–Schuler-Gebiet ist jährlich nur ab Mai bis Ende September schneefrei und daher war die Beweidung schon immer auf die Sommermonate beschränkt.

Ganz allgemein betrachtet, lag das Schulerau-Gebiet südwestlich von Kronstadt in einer Richtung der südlichen Kette der Karpaten zugewandt, weitab von den spätmittelalterlichen Verkehrswegen, die die damaligen drei Siedlungen im Kronstädter Tal - „Bartholomä“, „Altstadt“ und das am weitesten im Tal liegende „Corona“ - mit anderen bewohnten Ortschaften verbanden.

Es führten anfangs in dieses Gebiet  überhaupt keine Pfade, später bestenfalls verfallene Fußpfade.

Nach der Besiedlung des Kronstädter Tales durch den Deutschen Ritterorden (1211) und die im Burzenland angesiedelten sächsischen Siedler wuchs allmählich das Interesse auch für das sehr eng werdende Tal gegen die Schulerau.

Im oberen Teil des Kronstädter Tales sind schon in frühesten Zeiten menschliche Siedlungen nachgewiesen worden. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist beim verheerenden Mongolensturm von 1241 ein Teil der im damals nur schwach besiedelten „Corona“ lebenden Siedler wie auch Teile der Bevölkerung aus der späteren so genannten „Oberen Vorstadt“ in die Talenge geflüchtet und haben sich, so lange aus dem Tal noch Gefahr drohte, im Gebiet der heutigen „Salomonsfelsen“ verschanzt (anfangs wohl mit Hilfe von Baumstämmen und Erde, später, bei wiederholtem Aufsuchen der Verstecke, wohl mit noch im 20. Jahrhundert zwischen den „Salomonsfelsen“ sichtbaren Steinmauern).

In den schriftlichen Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt ist die Bezeichnung „Salomonsburg“, (sächsisch „Suelmensburg“)  schon im 17. Jahrhundert im Diarium des Andreas Hegyes („Quellen zur Geschichte der Stadt Brasso“, Band V, Brasso. 1909. S.496, 523 ) nachgewiesen.

Die Bezeichnung ist aber wesentlich älter und war in den vorhergehenden Jahrhunderten im mündlichen Umlauf. Dabei waren noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts Spuren der Steinmauern zwischen den „Salomons Felsen“ gut sichtbar und regten die Archäologen des neu gegründeten „Burzenländer Sächsischen Museums Kronstadt“ in den Jahren 1912-1913 zu archäologischen Grabungen in diesem Gebiet an.

Als im Jahre 1912  Dr. Julius Teutsch, Dr. Erich Jekelius, Dr. Walter Jekelius und Emil Teutsch innerhalb der alten Ummauerung bei den Salomonsfelsen Grabungen durchführten, stießen sie auf mehrere Schichten mit Funden aus längst vergangenen Zeiten, die von hier sich zeitweilig aufhaltenden Siedlern  stammten. Die älteste Schicht förderte behauene und geschliffene Steinbeile aus der Jüngeren Steinzeit zutage. Später fand man auf dem „Hangestein“ aus der gleichen Zeit ein Steinbeil. Da der „Hangestein“ auf gleicher Höhe wie die Große Schulerau liegt, ist dieses Steinbeil nicht durch Schwemmwasser dorthin gekommen. Der Schluss ist zulässig, dass es am Hangestein und mit Sicherheit auch in der Schulerau schon in der Jüngeren Steinzeit Jäger und Sammler gab.

Die damaligen Grabungen förderten auch Funde aus der „Latène-Zeit“ (5. Jh. v. Chr. bis Christi Geburt) zutage. Durch die Kelten ist die „Latène-Kultur“ bis in den Balkan vorgedrungen. Auch Funde aus der späteren Eisenzeit und aus der römischen Zeit kamen zutage.

Inwiefern diese Siedler in Beziehung zur nahe liegenden Schulerau gebracht werden können, ist schon deswegen schwierig zu sagen, weil bis heute nicht sicher geklärt werden konnte, wer die Siedler bei den „Salomonsfelsen“ in jener Zeit eigentlich waren. Für Landwirtschaft treibende (slawisch-stämmige) Siedler ist das Gebiet zu eng und zu steinig, um permanent bewohnt zu werden. Auch finden sich nirgends Gräber oder Verbrennungsspuren. Das Gebiet der „Salomonsfelsen“ wird wohl immer ein Rückzugsgebiet für flüchtende Siedler aus dem Kronstädter Tal (oder von weiter her) gewesen sein.

(Fortsetzung folgt)