Eine wiederentdeckte Dichterin

Lyrik von Désirée Ruprich vertont von Ligia Loretta Cristea

Ligia Loretta auf dem Cover ihres Debüt-Albums „Learning to Fly“
Foto: Christian Fröhlich

Désirée Ruprich in einer Aufnahme aus dem Jahre 1914.
Quelle: Lena Pacher, St. Radegund

Musik von Ligia Loretta Cristea und Lyrik von Désirée Ruprich verschmelzen, genau in einer Woche, im Cursaal des Kurhauses von St. Radegund bei Graz in einem ersten Konzert des neusten Projekts der aus Temeswar stammenden Komponistin und Sängerin. Der Abend ist als Hommage an die junge österreichische Dichterin Désirée Ruprich gedacht, die vor einem Jahrhundert, erst 28 Jahre alt, ein Opfer der Spanischen Grippe wurde.

Ihre drei Gedichtbände sind heute wenigen noch bekannt. Nur eine Quelle im Wald des wohlbekannten Kurortes, und ein Schild mit Désirées Gedicht erinnern an sie. Auf die Quelle und das Gedicht stieß zufällig Ligia Loretta Cristea, die in Graz sowohl als Musikerin aber auch als promovierte und habilitierte Mathematikerin seit der Jahrtausendwende ihre zweite Heimat gefunden hat. (Siehe auch das in der ADZ vom 20. April 2016 erschienene Interview „Musik ist eine universelle Sprache für alle Menschen“).

Ihr war schnell bewusst, dass sie mehr über die junge vergessene Dichterin, über ihr Leben und ihre Lyrik erfahren musste. Sie suchte, fragte nach und was sie in Désirées Gedichten entdeckte, übertraf ihre Erwartungen. „Als ich anfing, voller Aufregung und Respekt darin zu blättern, als ich die ersten Gedichte las, und dann durstig danach war, mich ganz in das kleine, liebevoll gestaltete Buch zu vertiefen, als ich beim Lesen mancher Gedichte Tränen in den Augen hatte, wusste ich, spürte ich ganz klar, dass hier etwas Neues in meinem Leben anfängt.“ Es war ein Schatz, den sie teilen musste, den sie nicht nur für sich selber behalten konnte.

So kam es zur Anregung, eine „Soirée pour Désirée“ mit dem Beititel „Die Quelle plaudert“ zu gestalten. Ihr zur Seite stehen drei virtuose Musiker: Emmanuel Mazé (Akkordeon), Georg Jantscher (Guitarre) und Thorsten Zimmermann (Kontrabass). Der Grazer Dichter und Literaturhistoriker Christian Teissl stellt die Dichterin kurz vor und liest aus ihrem Werk. „Die vertonten Gedichte wurden zu originellen Stücken, irgendwo zwischen Chanson und poetischem Jazz“, ist auf der Webseite (www.ligialoretta.at) der Sängerin, Songautorin und Komponistin zu lesen. Sie hat, außer Proben und ihren Projekten im Bereich Mathematik, auch den ganzen organisatorischen Aufwand zu meistern gehabt. Alles ist ihr dabei leichter von der Hand gegangen, weil „Die Quelle schäumt, die Quelle rauscht/ Und meine Seele trinkt und lauscht!“ Eine Quelle, die auch die Kunst bedeuten kann – eine Quelle, die jeder in sich trägt, die nur entdeckt werden sollte und nicht versiegen darf.

Als im Kriegsjahr 1917 Désirées dritter Gedichtband „Ähren“ erschien, hatte der Chefredakteur der Zeitschrift „Heimgarten“, Hans Ludwig Rosegger, folgende Bemerkung dazu: „Man hat jetzt für Gedichte nicht viel übrig, aber manchmal fordert doch, wie hier, das Bändchen einer Anfängerin die Aufmerksamkeit heraus. Sie ist ein lyrisches Talent. Vielleicht mehr.“ Die junge Dichterin wartete nicht mit Durchhaltelyrik und gereimtem Patriotismus auf, sondern mit einem lyrischen, sensiblen Kriegstagebuch, wo es nicht um Heldentod, Sieg oder Kriegsmut ging, sondern um Verlust der Liebe, Schmerz, aber auch um den Glauben. In ihren zwei früheren Bänden hatte sie bewiesen, wie Christian Teissl in den „Steirischen Berichten“ vermerkt, dass sie mehr als eine Heimatdichterin ist. Er spricht von dem „liedhaften Ton“ und die „romantische Färbung“ ihrer Verse, die sie in den literarischen Kreisen jener Zeit bekannt machten. Désirée Ruprich war die Tochter des Doktors Gustav Ruprich und Enkeltochter des Radegunder Kurpioniers Dr. Novy. Sie und ihre Schwester Hortensie spielten gern und erfolgreich im Radegunder Bauerntheater mit. Ihre Gedichte sammelte sie 1910 zu einem ersten Band, der sehr gut aufgenommen wurde. Leider folgten schwere Zeiten und der Zusammenbruch der Habsburger Monarchie, die die Dichterin auch nur um einige Wochen überlebte.

Nun könnte es, dank der Begeisterung, der Begabung und des Einsatzes einer Musikerin wie Ligia Loretta, zu einer Wiederentdeckung jener Dichterin kommen die uns vor hundert Jahren zu früh verlassen hat, deren Gedichte aber überdauern.

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DÉSIRÉE   RUPRICH (1890 – 1918)


Nicht mit Fahnen, nicht mit Kränzen
Will ich dich dereinst begrüßen -
Meine feuchten Augen glänzen,
Meine Lieb‘ - sinkt dir zu Füßen
Und sie will dir zärtlich räumen
Jeden Stein von deinen Wegen,
Sollst dich wieder glücklich träumen
Unter ihrem warmen Segen!
12. Juli 1916
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Die Quelle im Wald

Die Quelle plaudert weich und lind
Von Blumenduft und Alpenwind;
Ich sitz‘ an ihren Ufern kalt
Im Wald!
Die Quelle rauscht, die Quelle fließt
Und schäumend ihre Flut ergießt. -

Ich atme tief, ich horche stumm,
Es ist so dunkel ringsherum,
Waldfrieden spinnt in Moos und Stein
Mich ein. -
Die Quelle schäumt, die Quelle rauscht
Und meine Seele trinkt und lauscht!

***
Der Friedensengel steht am Himmelstor
Sehnsüchtig harrend, daß sein Gott zur Erd‘
Ihn send‘
So viel Gebete steigen heiß empor:
„Herr, mach dem Jammer, der da tobt und gärt,
Ein End‘!“

Und alles bittet - „Hab‘ Erbarmen, Herr“
Es fleht um Gnade selbst der Engel Chor
Vereint -
Gott schweigt – ihn rührt das Erdenleid
nicht mehr.
Der Friedensengel steht am Himmelstor
Und weint!