Erstes Museum Siebenbürgens und Rumäniens (IV)

200 Jahre seit der Eröffnung des Brukenthalmuseums in Hermannstadt

Das Museum und die Bibliothek, die ihren Bestand laufend vermehrten, wurden im 20. Jahrhundert zu einer Institution von europäischem Rang und zur wichtigsten wissenschaftlichen Kulturanstalt der Siebenbürger Sachsen. Die Gemäldesammlung  erhielt zahlreiche Werke von  sächsischen Künstlern und entwickelte sich zu einer nationalen Institution der Sachsen. Die Bibliothek bemühte sich möglichst alle wichtigen Veröffentlichungen über die Siebenbürger Sachsen zu sammeln. Dazu gehörten auch die Zeitungs- und Kalendersammlungen, beginnend mit der ältesten deutschen Zeitung, der „Siebenbürgischen Zeitung“ (1784). Die Bibliothek ist mit zahlreichen ausländischen Partnern in Verbindung auch zum Austausch von Publikationen. Es würde zu weit führen, diese Tätigkeit hier ausführlich zu präsentieren.
Die Museumssammlungen, die die evangelische Kirche als Träger des Gymnasiums verwaltete, wurden in der Folgezeit vermehrt, so durch die Bestände der städtischen Rüstkammer, durch Zunftaltertümer, Kultobjekte aus kirchlichem Besitz, und der Volkskundeabteilung des „Karpathenmuseums“  sowie durch Ankauf und Schenkungen von Gemälden sächsischer Künstler u. a. Die Bibliothek erbte  1879 die reichen Bestände (120000 Exemplare) der Kapellenbibliothek des Sankt Jakobs Klosters.

Enteignung durch kommunistischen Staat und Rückgabe des Brukenthalmuseums

Das Jahr 1948 bescherte der Bibliothek eine unerwartete Überraschung. Das Brukenthalmuseum wurde vom kommunistischen Regime enteignet, sein Direktor Rudolf Speck des Amtes enthoben, 1952 eingesperrt. Er ist 1953 im Gefängnis Ghencea gestorben. Bereits 1949 mussten 19 der wertvollsten Gemälde an das Kunstmuseum von Bukarest und 1974 etwa 8.000 Münzen und andere Exponate an das Geschichtsmuseum von Bukarest als „Leihgaben“ abgetreten werden. Gleichzeitig wurde der Museumsbestand durch rumänische Sammlungen mit der Absicht ergänzt, den sächsischen Charakter des Hauses zu verwischen. Durch Anbauten, Erwerb von neuen Gebäuden („Blaues Stadthaus“, Ratturm, Altes Rathaus, Fleischerlauben bzw. „Schatzkästlein“,  ehemalige „Bärenapotkeke“ auf dem Kleinen Ring) wuchs das Museum zum „Hermannstädter Museumskomplex“. Die Tätigkeit des Museums wurde dem deutschen Einfluss entzogen.

Im Jahr 2002 getraute sich das evangelische Landeskonsistorium und das „Demokratische Forum der Deutschen in Siebenbürgen“ die Rückgabe des Brukenthalmuseums sowie der daraus entwendeten Gemälde und sonstigen Objekte zurück zu fordern. Das Kulturministerium zögerte zunächst, Ende 2005 stimmte es dann doch der Rückgabe des Museums zu. Ob die vom Museum abgegebenen Stücke erstattet wurden, konnten wir nicht feststellen.
Die Gemäldesammlung umfaßt  zur Zeit 1200 Gemälde verschiedener europäischer Schulen, die Bibliothek rund 300000 Exemplare (Handschriften, Inkunabeln, Bücher, Zeitungen, Zeitschriften). Dem Brukenthalischen Erbe gehören noch an ein Kupferstichkabinett, eine Münz- und Mineraliensammlung, Teppiche u. a. Der rechtliche Stand ist zur Zeit folgender: Das Museum bleibt weiterhin eine öffentliche nationale Anstalt, deren Nutzung, Verwaltung und Finanzierung das Kulturministerium für einen symbolischen Mietpreis übernommen hat.  Die Kirche gilt zwar als Erbe der Brukenthalstiftung, seine Vertreter und die des Demokratischen Forums der Deutschen Siebenbürgens sind aber bloß im Aufsichtsrat (Kuratorium) vertreten und haben bei Beschlussfassung ein Mitspracherecht in Museumsangelegenheiten. Das deutsch rumänische Gymnasium auf dem Huetplatz in Hermannstadt trägt wieder den Namen Brukenthal, während die Sammlungen im Palast am Großen Ring als „Nationalmuseum Brukenthal“ bezeichnet werden. 

Die Rückgabe des Museums an die evangelische Kirche löste einen Pressewirbel aus, der auch jetzt noch im Internet gespeichert ist. Die Rückgabe des Museums an die evangelische Kirche wird in gewissen rumänischen Kreisen als „insträinare“ bezeichnet, was nach dem rumänischen Wörterbuch ins Deutsche übersetzt „Veräußerung“, „Unterschlagung“ „Veruntreuung“, „Entfremdung“ heißt.  Ein deutsches Erbe, das in den Jahren des Kommunismus der Kirche entzogen und verstaatlicht wurde und nun dem eigentlichen Erben zurück gegeben wird, gilt also als  „insträinare“ und wird als nicht gerechtfertigt beanstandet, vor allem, dass die Kirche und nicht das Brukenthal-Gymnasium das Brukenthal-Universalerbe angetreten hat, wie das Testament es vorsieht. Die Sache verhält sich so, dass Brukenthal im Testament gegebenenfalls das Gymnasium als Universalerben bezeichnet, in der Praxis verwaltet aber auch in dem Fall die evangelische Kirche als Träger der Schulen deren Besitz. Eine Gruppe von etwa 50 rumänischen Protestlern  aus Hermannstadt hat sogar versucht, per Gericht die Rückgabe des genannten Brukenthalerbes an die Kirche aufzuheben. Dabei wird der jetzige Staatspräsident Klaus Johannis, der seinerzeit bei der Rückgabeaktion mitgewirkt hat, mitbeschuldigt. Wir hoffen, dass der 200. Gedenktag der Eröffnung des Brukenthalmuseums zu Beruhigung führen wird und das Museum alle „entliehenen“ Objekte zurück erhält. Das „Nationalmuseum Brukenthal“ bleibt jedenfalls weiterhin eine erstklassige Kulturinstitution.