Geschichte auf der Bühne

Mitglieder des Jugendforums bereiten ein Theaterstück zum Thema Siebenbürger Sachsen vor

Teilnehmer des Projektes während der Dokumentationsarbeit

Die Teilnehmer haben während der ersten Etappe des Projektes verschiedene Sehenswürdigkeiten der Stadt fotografiert.

In diesem Sommer wurde im Honterus-Archiv in vielen alten Büchern gestöbert und gelesen.
Fotos: Antonia Binder

Theater spielen macht Spaß. Immer öfter wird es von Lehrern als Unterrichtsmethode eingesetzt. Es fordert die Phantasie der Jugendlichen, stärkt das Selbstvertrauen und ist ein gutes Mittel zum Erlernen einer Fremdsprache.

Außerdem lernt man in einer Theatergruppe, wie Teamarbeit funktioniert. Das kann im zukünftigen Berufsleben sehr hilfreich sein – unabhängig davon, welche Karriere man wählt. Durch Theaterarbeit kann man aber auch verschiedenen wichtigen Themen der Geschichte nahe kommen und einige Aspekte besser verstehen. Es ist, als ob man mit einer Lupe verschiedene Details entdeckt, die man mit bloßem Auge nicht sehen kann. In diesem Sommer hat ein Team aus Honterus-Schülern unter der Leitung von Antonia Binder, Kulturmanagerin beim Jugendforum, angefangen, sich für ein zukünftiges Theaterstück zu dokumentieren. Das Thema ist die Geschichte der Siebenbürger Sachsen. Nun ist die Dokumentationsarbeit zu Ende.
 

Großes Interesse seitens der Schüler

Im September und Oktober werden die Schüler anhand der Informationen, die sie während der Dokumentation gesammelt haben, zusammen das Theaterstück schreiben. Dann folgen die Proben, und im Dezember wird das Stück als szenische Lesung vorgestellt. Das Projekt wird vom Institut für Auslandsbeziehungen (Ifa) unterstützt. Die Idee, ein Dokumentartheaterstück mit dem Thema „Identität der Siebenbürger Sachsen“ zu erarbeiten, hatte Antonia Binder schon lange. In diesem Jahr hat die Kronstädterin den Masterstudiengang „Szenisches Schreiben“ an der Theater-und Filmhochschule (UNATC) Bukarest absolviert.

„Ich habe fünf Jahre lang in Bukarest gelebt und habe versucht, mich dort der siebenbürgisch-säschischen Gemeinschaft anzuschließen. Ich bin sonntags in die Kirche gegangen und wollte an verschiedenen Festen und Treffen teilnehmen. Viele der Veranstaltungen haben aber nicht mehr stattgefunden. Ich habe gefühlt, dass die Traditionen langsam verschwinden. Alle fühlen es, aber niemand sagt es. Ich habe gedacht, dass man dieses Problem sehr gut in einem Theaterstück darstellen kann.

Dann habe ich ein Projekt dafür geschrieben und es ans Ifa gesendet. Anschließend habe ich den Posten als Kulturassistentin des Jugendforums mit diesem Projekt bekommen“, meint Antonia. Das Ziel des Projektes ist, Jugendliche zu bewegen, die siebenbürgisch-sächsische Kultur zu entdecken und zu erleben. Entweder von der Bühne aus, oder aus dem Publikum. Aktive Mitglieder des Kronstädter Jugendforums sollen dabei miteinbezogen werden. Im Mai hat Antonia das Projekt im Johannes Honterus-Lyzeum vorgestellt. Sie war auf der Suche nach Jugendlichen, die sich für das Thema interessieren und auch in einem Theaterteam mitmachen wollen. Wer am Projekt teilnehmen wollte, sollte einen Lebenslauf und ein Motivationsschreiben schicken. Außerdem mussten die Kandidaten eine Aufgabe auf kreative Weise lösen. „Der lezte Punkt war am interessantesten, und zwar sollten sich die Schüler vorstellen, sie seien mit einem Siebenbürger Sachsen verwandt und sollten ein imaginäres Gespräch mit dieser Person aufschreiben“.

Antonia hatte gehofft, 5 bis 7 Teilnehmer zu finden. Die Überraschung war groß: 15 Personen haben Interesse am Projekt gezeigt. „Ich war sehr positiv überrascht von den vielen Einsendungen und dem großen Interesse. Die Schüler, die am Projekt teilnehmen (Klassen 9 bis 11), werden alle mit eigenen Ideen beitragen. Mir sind ihre verschiedenen Persönlichkeiten sehr wichtig. Und ihre Meinungen. Es ist ein Kunstprojekt, und jede Meinung ist wichtig“.
 

Von der siebenbürgisch-sächsischen Kultur geprägt

„Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen schaut auf eine traditionsreiche Vergangenheit zurück. Nach dem 2. Weltkrieg trat diese Minderheit in Rumänien jedoch einen abrupten Wandel an, der dazu führte, dass heute nur noch wenige Siebenbürger Sachsen in Rumänien wohnen, nachdem viele ausgewandert sind. Was im Anschluss auf die massive Auswanderung folgte, erleben wir heute. Übriggeblieben sind die deutschen Schulen, in welchen tausende Schüler Deutsch als Muttersprache erlernen, selbst wenn die Eltern nichtdeutscher Abstammung sind. In dem langjährigen Deutschunterricht, vom Kindergarten bis zum Abitur hin sind es oftmals mehr als 12 Jahre, in welchen Schülern nicht nur die Sprache beigebracht wird. Man kann davon ausgehen, dass diese auch von einer gewissen Siebenbürgisch-sächsischen Kultur geprägt werden.

In den Projekten des Deutschen Jugendforums Kronstadt der letzten Jahre hat sich herausgestellt, dass Jugendliche, die in deutschen Schulen lernen, zwar eine große Achtung vor dem Tun und Wirken der Siebenbürger Sachsen haben und teilweise auch Wissen über deren Geschichte ansammeln, jedoch sehen sie keine Zukunft für diese Minderheit. Diese Heranwachsenden tragen doch ein nicht ausgesprochenes Bewusstsein für diese Kultur mit sich. Sie haben zwar keine familiären Wurzeln in dieser Minderheit, sie entwickeln trotzdem ein gewisses Zugehörigkeitsempfinden“, steht im Projekt. Es erfolgt in drei Etappen. Die erste Etappe, die Dokumentations- und Forschungsarbeit, wurde in diesem Sommer beendet. Die Schüler haben anhand von Geschichtsbüchern und Interviews mit Angehörigen der deutschen Minderheit interessante Fakten über die Geschichte der Siebenbürger Sachsen von 1870 bis heute erfahren.
 

Themen, über die nicht unterrichtet wird

Das Projekt des Deutschen Jugendforums bezieht sich auf ganz Siebenbürgen, der Schwerpunkt liegt aber bei Kronstadt. „Einen Monat lang haben wir zusammen Geschichtsbücher im Archiv der Honterusgemeinde studiert. Bernhard Heigl und Thomas Şindilariu haben uns geholfen, uns jederzeit zur Verfügung gestanden und haben im Rahmen mehrerer Feedback-Runden alle unsere Fragen beantwortet. In diesen Feedbackrunden haben wir unsere Ideen gesammelt. Jeder hat erzählt, was er gelesen hat“. Die Schüler haben sowohl Geschichtsbücher als auch Märchenbücher und siebenbürgisch-sächsische Sagen gelesen. Sie wurden in Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe hat die Zeit bis 1945 dokumentiert, die zweite Gruppe die Zeit von 1945 bis Dezember 1989 und die dritte Gruppe die Zeit von 1989 bis in die Gegenwart. Dabei haben sie verschiedene Fakten erfahren, von denen sie früher nichts gewusst hatten. „Manche haben über die Magyarisierung der Siebenbürger Sachsen gelesen, andere über die Rechte der Sachsen als Minderheit oder über die Deportation. Von allen diesen Themen wussten sie gar nichts oder sehr wenig. Auch über die Geschichte der Honterusschule wussten sie kaum etwas. Über viele der wichtigen Themen lernt man auch in der Schule nicht“.
 

Dokumentationsarbeit in den Dörfern

Im Rahmen der zweiten Etappe, „Film und Media“, haben die Schüler verschiedene Dörfer in Siebenbürgen besucht und gefilmt. „Wir filmen alles: Ruinen, alte Häuser, Dorfstraßen, Bäume, Menschen. Am Ende werden wir versuchen, so spontan wie möglich damit zu arbeiten. In dieser Etappe werden die Schüler Interviews mit verschiedenen siebenbürgisch-sächsischen Persönlichkeiten führen. Aber auch mit ganz einfachen Menschen vom Land. Zum Beispiel mit Herrn Johann Schaas, der letzte Sachse aus Reichesdorf im Kreis Hermannstadt“, sagt Antonia Binder. Auf ihren kurzen Reisen durch die siebenbürgischen Dörfer werden die Schüler Malmkrog, Reps, Neustadt, Rosenau und Deutschweisskirch besuchen. In ihrer Dokumentation werden sie auch ältere Familienfotografien, Karten und Statistiken über den Bevölkerungswandel verwenden. Dazu kommen Bräuche und Traditionen, Lieder, Zeitungsartikel, Gedichte und auch Küchenrezepte.

„Am Ende werden wir tonnenweise Material haben. Die Entscheidung, was wir letztendlich in unserem Theaterstück verwenden werden, ist am schwersten. Es gibt viele große Themen in der Geschichte der Siebenbürger Sachsen und alle sind interessant“.
In diesem Herbst werden die Teilnehmer mit dem Schreiben des Stückes anfangen. Parallel dazu gibt es Schauspielworkshops und die Teilnehmer werden sich Filme anschauen und weitere Diskussionsrunden organisieren. „Alle Schüler werden am Theaterstück arbeiten. Wir müssen zuerst an eine Struktur denken. Wenn 15 Leute zusammen an einem Text schreiben, muss es eine Struktur geben, die gut funktionieren kann. Bis spätestens im November muss das Stück fertig sein“.

Da viel zu wenig Zeit dafür ist, um das Stück einzuproben, wird das Endresultat eine szenische Lesung sein. „Ich stelle mir diese Lesung sehr interaktiv vor. Es wird auch Live-Musik und Video-Projektionen geben. Die Lesung wird Ende Dezember in Kronstadt stattfinden. Wenn die Lesung gut gelingt, werden wir vielleicht daraus eine richtige Vorstellung machen“, meint Antonia Binder.

Auch die Teilnehmer sind sehr gespannt auf das Endresultat ihrer Arbeit. Bis jetzt hat ihnen das Projekt gut gefallen. „Am Anfang, als ich vom Projekt gehört habe, dachte ich, es sei langweilig. Ich hatte es mir gar nicht so spannend vorgestellt. Es ist ein interessantes Thema, über das wir leider vom Unterricht her wenig gewusst haben“, meint Alina Cucu, eine der Teilnehmerinnen.


Die 15 Schüler, die am Pojekt teilnehmen, sind Ana Badea Căliţoiu, Ana Lăcătuş, Andra Gorun, Andreea Maria Oros, Teodora Banu, Bianca Stănescu, Alexandra Ciolan, Alina Cucu, Diana Alexe, Emilia Sandu, Ioana Paul, Laurenţiu Milotoiu, Maria Alexe, Maria Ivănescu und Michael Gross.