Historiker sollten politisch unabhängig bleiben

Gespräch mit dem Historiker Nicolae Pepene, seit kurzem Direktor des Kronstädter Geschichtsmuseums

Zum Direktor des Kronstädter Geschichtsmuseums wurde der Historiker Nicolae Pepene ernannt. Foto: Dieter Drotleff

Seit dem 1. April 2014 ist der Historiker Nicolae Pepene als Direktor des Kronstädter Geschichtsmuseums ernannt worden. Geboren 1971 in dem Gebirgsdorf Moieciu des Sus, „dem schönsten Flecken auf der Welt“ wie er vermerkt, studierte er Geschichte und Anthropologie als erste Generation nach der Wende an der „Lucian Blaga“- Universität von Hermannstadt. Zu seinen Professoren zählten u. a. Prof. Dr. Thomas Nägler, Dr. Zeno Pinter, er besuchte auch Kurse von Dr. Paul Niedermaier. Von 1995 bis 2000 war  Nicolae Pepene Museologe am Museum im Schloss Törzburg. Er hat sich anschließend an der Ausarbeitung von  verschiedenen Projekten in der Perspektive von Hermannstadt als Kulturhauptstadt 2007 beteiligt und schätzt auch heute die gute Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Vorsitzenden des Kreisrates, Martin Bottesch. 2008 übernahm er das Amt als Direktor der Direktion für Kultur im Bürgermeisteramt Rosenau wo er verschiedene Initiativen vorweisen konnte, wie die bessere kulturelle Verwertung der mittelalterlichen Bauernburg, die Gründung des historischen Filmfestivals.

Pepene ist Autor mehrerer Bücher: „Inima reginei Maria“ (Herz der Königin Maria) 2006, „Sibiul de altădată“ (Ehemaliges Hermannstadt), „Legendele Ţării Bârsei“ (Legenden des Burzenlandes) gemeinsam mit Bogdan Popovici, die Monografie von Rosenau für die er vom Schriftsteller Hans Bergel beglückwünscht wurde, der Band „Kreis Hermannstadt – Geschichte und Bilder“ gemeinsam mit Gernot Nussbächer, Bogdan Popovici, Dan Nanu der 2007 in deutscher Sprache erschienen ist. Der im alten Stadtteil von Kronstadt wohnhafte Historiker ist Vater zweier Kinder –  seine schönste Leistung wie er betont. Auch ist er leidenschaftlicher Sammler historischer Fotos. Ein Teil dieser konnte auch im Museum von Baltschik 2005 anlässlich einer Königin Maria gewidmeten Ausstellung gesehen werden.


Wir nahmen den Anlass seiner Ernennung als Direktor des Geschichtsmuseums wahr, um  mit  Nicolae Pepene folgendes Gespräch zu führen.

 
Kürzlich wurden Sie in das Amt des Direktors des Geschichtsmuseums des Kronstädter Kreises ernannt. Wie steht diese Institution heute im hiesigen Kulturraum und welche Rolle spielt sie?

Erstens habe ich die Institution mit einer stark veränderten Benennung gefunden. 1990 als das Kreismuseum in mehrere Direktionen getrennt wurde, entstand auch das Geschichtsmuseum als solches. Wie man weiß, leiden wir Historiker nicht sehr an Bescheidenheit. Und jemand hatte sich gefunden, dieser Institution auch die Beibenennung als Kreismuseum zu geben. Tatsächlich besteht somit eine große Verantwortung für diese Institution, da sie nicht nur die Geschichte von Kronstadt widerspiegelt. Sie müsste, oder sollte die des gesamten Kreises umfassen. Ich gehe davon aus, dass einige Ziele, die der Manager  für das Jahr 2014 vorhat, sowie auch im Fall der Rosenauer Burg, sehr schnell umsetzbar sind.

Das ist schwer, wenn man ein Museum übernimmt und nichts anderes tut, als dieses zu verwalten. Im Falle des Kronstädter Geschichtsmuseums müssen wir in Zukunft von einer Kulturagenda sprechen, und zwar mit Elementen, die dieses fördern und bekannter machen sollen. Wir sind in einer Marktwirtschaft, wir leben in einer Welt die sich ständig verändert, es gibt eine Konkurrenz auch im Kulturtourismus. So müssen wir uns diesen Dingen anpassen und Strategien einführen die von anderen längst befolgt werden. Man hat das Museum, man hat eine neue Ausstellung. Das bedeutet aber nicht nur neue Besucher heranzuziehen, sondern auch die alten zu behalten. Gleich ob es Kronstädter sind oder andere, die die Stadt mehr-mals im Jahr besuchen. Diesen muss man Anlässe bieten, um immer wieder ins Museum zu kommen. Und zwar durch zeitweilige Ausstellungen oder Events die eine einfache Form der Reklame, der Werbung, von Marketing darstellen.

Die letzte Ausstellung, die im Rahmen des Geschichtsmuseums eröffnet wurde und noch zu sehen ist, steht unter der Benennung „Vom Fuhrwerk zum Motorflug“. Wir stellten diese in unserer Wochenschrift auch vor.  Wie ist deren Echo?

Es ist die vielleicht am besten promovierte Schau der letzten zehn Jahre. Und zwar genau wie in Rosenau, wird mein bester Mitarbeiter die Presse sein. Ich habe mich überzeugt, dass es seitens der Kronstädter Medien mehr Sorge für das Kulturleben gibt als von manchen Personen die damit beauftragt sind. Wenn man bemüht ist, immer wieder etwas Neues zu bieten, kann man nicht klagen, dass einem die Medien nicht zur Seite stehen.

Bezüglich der gegenwärtigen Struktur des Museums: sie umfasst mehrere Sektionen, die dennoch nicht immer für den Besucher aufschlussreich sind. Werden Sie diese beibehalten?

Nein! Erstens müssen wir bedenken: Welches ist das Ziel dieser Institution und an wen  wendet es sich. Dann hat man einen Auftrag seitens der Institution, die das Museum fördert, in diesem Fall der Kronstädter Kreisrat. Das ist der wirtschaftliche, der touristische Aspekt. Ein Museum spielt aber auch eine Rolle für die Gemeinschaft. Die jungen Generationen wissen sehr wenig über die lokale Geschichte, über die Geschichte Kronstadts. Es gab diesbezügliche Initiativen von beherzten Geschichtslehrern, Museologen. Wir haben das Beispiel des pädagogischen Gedenkmuseums „Casa Mureşenilor“. Doch um ehrlich zu sein, die Stadtbevölkerung steht noch weit abseits von dieser Institution. Und das ist nicht die Schuld der Gemeinschaft, sondern die des Museums, das nicht parallel mit dieser geht.

Welches sind die gegenwärtigen Sektionen, die dem Museum angehören?

Es ist die ständige Ausstellung im Gebäude des alten Rathauses, chronologisch gestaltet, was aber seit Jahrzehnten in der Museologie im Westen nicht mehr üblich ist. Dann folgt die Weberbastei, in der eine Übersicht zu den Kronstädter Wehranlagen geboten wird. Eine etwas statische und trockene Schau, obwohl es da einige wunderbare Exponate gibt. Und dann die Graft-Bastei  mit einer Ausstellung über die Kronstädter Handwerker, die aber etwas versteckt liegt. Da gibt es aber auch Probleme wegen dem kalten Klima –  seltene Exponate kann man dort nicht ausstellen.

Was ich vorhabe, ist die thematische Änderung des Museums, die nicht weiter aufgeschoben werden kann. Das Kronstädter Geschichtsmuseums muss Werte und Inhalte enthalten die dem in- und ausländischen Besucher die Verbindung zwischen der Geschichte der Stadt mit der Europas und der Welt ermöglicht. Hier würde ich drei Beispiele anführen, an die ich gedacht habe.

Die Antike. Es gibt Museen, die unwahrscheinlich spektakulärere Exponate haben. Doch dem Besucher muss man eine Geschichte bieten. Nach Beratung mit Fachleuten im Bereich möchte ich, dass diese Abteilung  unter der Bezeichnung „Die letzte Grenze Roms“ steht.

Denn hier befand sich die äußerste Grenze des römischen Reiches nach Osten. So kann man das römische Castrum Cumidava bei Rosenau vorstellen und die da gemachten Funde. Bekanntlich sind die Filme zur Geschichte des römischen Reiches sehr gefragt.  So kann gezeigt werden, was Rom in diesem Raum bedeutete. Sicher wäre sowohl der in- als auch ausländische Besucher an den Zusammenhängen zwischen diesem Gebiet und dem römischen Reich interessiert, und könnte seine Kenntnisse erweitern. Leider geht man allgemein in den rumänischen Museen davon aus, dass der Besucher schon historische Kenntnisse hat und man diesem nicht mehr viel zu bieten hat.

Ein nächstes Beispiel wäre das multikulturelle Kronstadt. Darüber wird viel gesprochen, doch sehr allgemein. Meiner Ansicht nach hat sich dieser Wesenszug besonders im Mittelalter entfaltet. Ausschlaggebend war in dieser Zeit die Spiritualität u. zw. die Religion. Dabei sprechen wir von den da lebenden Sachsen, Rumänen, Ungarn. Mein Vorschlag wäre, auf dieser Basis die Dinge  im Museum zu schildern. Spricht man von Katholizismus, denkt man an die Marienkirche, die erst nach Einführung der Reformation protestantisch wurde. Die Kirche, die von den Sachsen gebaut wurde, war der Heiligen Maria, dieser universalen biblischen Gestalt gewidmet. Somit muss der Beitrag der Sachsen besser auch durch Exponate hervorgehoben werden.

Besitzt das Museum aber diesbezüglich repräsentative Exponate?

Es gibt auch solche. Aber es ist nicht von Bedeutung wie viele, oder aufsehenerregend diese sind, sondern wie sie in die Geschichte eingebunden werden. Besucht man beispielsweise das Louvre-Museum, kann man nicht Wochen dort verbringen um alle Objekte zu begutachten. Man konzentriert sich nur auf einige. Es gibt ja die Tendenz, Ausstellungen um ein Exponat zu organisieren. Hier haben wir die andere Situation. Man verfügt nicht über viele, sehr wertvolle Exponate. Aber man geht von der Geschichte aus. Und die des Ritterordens oder der Sachsen ist spektakulär und wird mit der Heiligen Maria in Zusammenhang gebracht, die kennzeichnend auch für die anderen christlichen Konfessionen ist. Auch tragen mehrere orthodoxe Kirchen, wie die in der Oberen Vorstadt oder in Rosenau, den Namen des Heilgen Nikolaus, der meiner Meinung nach der geistliche Schutzpatron der Rumänen ist, ohne dass das irgendwie vermerkt wird. Somit ist dieser Heilige auch eine zentrale Gestalt. Und natürlich muss die europäische Gestalt des Reformators, Humanisten, Buchdruckers Johannes Honterus in den Vordergrund gestellt werden. Somit haben wir genügend Voraussetzungen, um das hiesige  multikulturelle Kronstadt vorzustellen.

Außer dem Mittelalter sind aber auch andere Zeitepochen in der Geschichte der Stadt, die nur für diese kennzeichnend sind. Haben Sie diesbezüglich Vorhaben?

Es ist die kommunistische Zeitspanne: Nicht zu vergessen ist, dass Kronstadt zeitweilig in Stalinstadt umbenannt worden war. Wie viele Städte gab es weltweit, die diesen Namen annehmen mussten? Dieses wäre auch ein Anziehungspunkt für Besucher, darüber Aufklärung zu finden. Auch hat die Stadt in diesen fünfzig Jahren eine große bauliche, wirtschaftliche aber auch demografische Veränderung erfahren die sich auch negativ ausgewirkt hat. Auch darüber kann man Interessantes bieten. Dem Touristen muss man nicht ein Übermaß an Information verabreichen sondern Anhaltspunkte vermitteln die  er leichter aufnimmt und auch weiterträgt.

Haben Sie solche Überlegungen schon mit dem Forscherkollektiv des Museums abgesprochen?

Einiges habe ich vorgetragen und um ein Echo gebeten. Meiner Meinung nach sind die Dinge gut angekommen. Das Museum verfügt über sehr fähige Mitarbeiter und mein Eindruck ist der, diese haben auf neue Initiativen gewartet, die ihren Enthusiasmus neu erweckt hat. Ähnlich ist es mir 2008 ergangen, als wir mit dem Rosenauer Bürgermeister die dort befindliche Burg übernommen haben und jährlich 50.000 Besucher verzeichnen konnten. Nach den verwirklichten Initiativen eines neuen Ausstellungskonzeptes, der Einführung mehrerer Veranstaltungen werden nun 200.000 Besucher gezählt. Wir sprachen schon über den Ehrgeiz der Historiker und dieser erstreckt sich vor allem darauf, bei einer namhaften Institution zu arbeiten. Und das habe ich auch mit dem Geschichtsmuseum vor.

Wie viele Angestellte zählt gegenwärtig das Kronstädter Geschichtsmuseum?

Insgesamt sind es 49 Personen. Davon etwa die Hälfte Fachleute, die restlichen Aufsichtspersonal und Wachleute. Finanziert wird unsere Institution fast ausschließlich von dem Kronstädter Kreisrat, dem wir untergeordnet sind. Jetzt, bei einer genauen Analyse, stellte ich fest, dass kaum  andere finanzielle Mittel hinzukamen. Auch wurden von der ehemaligen Leitung keine europäischen Finanzierungen beantragt. In Zukunft möchte ich das ändern. Die permanente Ausstellung, die wir einrichten werden, soll aus eigenen Mitteln zustande kommen. Ich strebe eine bessere Nutzung der Gelder an die  der Kreisrat uns zur Verfügung stellt. Desgleichen sollen diese nur für Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt werden die eine konkrete Bindung zum Geschichtsmuseum haben.

Auch hoffe ich, durch die Neugestaltung mehr Besucher anzulocken, was sich positiv auf die Einnahmen auswirken wird. Ich habe auch eine Überraschung vorbereitet, besonders was die Weberbastei betrifft. Dafür habe ich ein neues Konzept welches dazu führen soll, dass Besucher und Touristen speziell diese aufsuchen werden. Doch mehr darüber erst wenn es so weit sein wird. Zeitweilige Ausstellungen werden wir weiterhin, besonders jetzt in dieser Übergangsperiode, organisieren. Sonderausstellungen könnten auch in anderen mittelalterlichen Wehrtürmen organisiert werden, beispielsweise beim Weißen Turm, die aber nicht mehr  dem Geschichtsmuseum angehören.

Beabsichtigen Sie in Zukunft mit den Organisationen die die Minderheiten vertreten, enger zusammenzuarbeiten?

Meine Projekte können nur so verwirklicht werden. Desgleichen hat man auch bedeutend größere Chancen bei den Anträgen für Finanzierungen, wenn man deren Befürwortung hat. Wichtig ist eine solche Zusammenarbeit gerade in dem geschichtlichen Bereich, um eventuellen Fehlern wegen mangelnder Dokumentation aus dem Wege zu gehen.

Als Historiker und Buchautor an was arbeiten Sie gegenwärtig?

An einem Buch über das politische Leben in Kronstadt in den Zwischenkriegsjahren und an einem Buch über eine der großen Persönlichkeiten der rumänischen Königsfamilie, der Prinzessin Ileana. Forschungen über die Königsfamilie habe ich in meinen Tätigkeitsjahren im Museum in Schloss Törzburg begonnen und sie brachten mir auch große Genugtuung ein. Meine Lizenzarbeit bezog sich allerdings auf das Leben und Wirken des liberalen Politikers  Gheorghe Brătianu, obwohl ich der Meinung bin, ein Historiker sollte, um seine Unabhägigkeit zu bewahren, nicht einer politischen Partei angehören. Somit gehöre ich auch keiner politischen Partei an.

Vielen Dank für Ihre Offenheit und viel Erfolg in Ihrer vor wenigen Wochen angetreten leitenden Funktion.

Die Fragen stellte
Dieter Drotleff