Johannes Honterus – Pionier der Kronstädter Kartografie

Vortrag gehalten beim 8. Symposion der Erdwissenschaften im Museum „Casa Muresenilor“ in Kronstadt, am 18. Oktober 2013

Weltkarte aus der Kosmografie von 1530, Krakau

Das geozentrische Planetensystem und der Planiglobus mit den Windnamen. Aus der Kosmographie von 1542, Kronstadt

Ausschnitt aus der Siebenbürgenkarte von 1532, Basel: Kronstadt, Burzenland und Signatur IHC

Schon im Titel der heutigen Veranstaltung, die den Traditionen der Kronstädter Kartografie gewidmet ist, erscheint der Name des großen Humanisten und Reformators Johannes Honterus (1498 – 1549), sodass wir uns schon der chronologischen Reihenfolge zuliebe zuerst mit dieser hervorragenden Persönlichkeit befassen müssen.

Rufen wir uns nur kurz einige Angaben über ihn ins Gedächtnis.

Johannes Honterus wurde in Kronstadt geboren, studierte in Wien ab 1520 und erwarb dort die akademischen Grade eines Bakkalaureus (1522) und eines Magisters der freien Künste (1525). Im Jahre 1530 finden wir ihn in Krakau, der alten Hauptstadt von Polen, wo seine erste Weltbeschreibung erscheint, die eine Weltkarte enthält.

In den Jahren 1530 – 1533 weilte und wirkte Honterus in Basel, das damals ein bedeutendes Druckereizentrum der Renaissance war. Dort veröffentlichte er im Jahre 1532 die erste Landkarte von Siebenbürgen und zwei Sternkarten. Im Jahre 1533 wurde er in seine Vaterstadt berufen, um das Kronstädter Schulwesen zu reorganisieren. Seine erste Aktion war hier, die Grundlagen für eine Schulbibliothek zu legen, danach gründete er eine Druckerei, um hier Schulbücher zu drucken. Unter diesen erwähnen wir ein Geographie-Lehrbuch und eine neue Ausgabe der Weltbeschreibung, der diesmal der erste in unserem Land gedruckte Atlas minor beigefügt wurde (1542).

Später wurde Honterus vom Kronstädter Stadtrat mit der Ausarbeitung des „Reformationsbüchleins“ und der „Apologie“ betraut (1543). Im Jahre 1544 wurde Honterus als evangelischer Stadtpfarrer von Kronstadt eingesetzt und trug bei zur „Kirchenordnung aller Deutschen in Siebenbürgen“ (1547) und wurde so zum Reformator nicht nur der Siebenbürger Sachsen, sondern auch eines Teils der ungarischen Bevölkerung. Johannes Honterus starb am 23. Januar 1549 und wurde in der Großen Pfarrkirche, der heutigen Schwarzen Kirche, begraben.

In der Folge wollen wir kurz nur die Verdienste von Honterus um die eigentliche Kartografie vorstellen, um den gegebenen Rahmen nicht zu überschreiten.

Alle kartographischen Arbeiten von Honterus wurden durch die Holzschnitttechnik verwirklicht. Ein Zeitgenosse – der Humanist und Kosmograf Sebastian Münster aus Basel, also ein kompetenter Mann – schrieb über Honterus, dass er „die Bildschnitzer unseres Zeitalters weit übertrifft“.

Wir wissen nicht, wo Honterus die Holzschnittkunst gelernt hat, aber wahrscheinlich war es in Wien, denn in Krakau wirkte er schon als gelernter Holzschneider. Ich habe alle mir zugänglichen damaligen Drucke aus Wien, Krakau und Basel eingesehen, um vielleicht weitere Holzschnittarbeiten von Honterus zu finden, aber ich konnte keine Holzschnitte finden, die ihm zugeschrieben werden können.
1. Die erste bekannte kartografische Arbeit von Honterus ist die Weltkarte mit dem Titel „Vniversalis Geographiae Typus“ in der im Jahre 1530 in Krakau veröffentlichten ersten Ausgabe seiner Weltbeschreibung. Die Karte hat die Ausmaße 177 x 125 mm. Sie wurde angefertigt nach einer handschriftlichen Karte des Petrus Apianus, eines Studienkollegen von Honterus an der Wiener Universität. Apianus wiederum  benützte als Vorlage die Weltkarte von Martin Waldseemüller aus dem Jahre 1507. Die beiden Amerika sind als getrennte Kontinente dargestellt, auf dem südlichen steht die Bezeichnung „America“. Die beiden Originalexemplare der ersten Auflage der Weltbeschreibung von Honterus in den Universitätsbibliotheken von Breslau und Hamburg gingen im Jahre 1945 verloren, aber es gibt Fotografien davon. Es ist jedoch ein Exemplar der zweiten Ausgabe von Krakau 1534 in der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau erhalten geblieben, das auch die Weltkarte enthält.

2. Als die zweite kartografische Arbeit von Honterus können wir die beiden Sternkarten betrachten, die von Honterus im Jahre 1532 in Basel geschaffen wurden, und zwar nach einem Vorbild des großen deutschen Künstlers Albrecht Dürer (1471 – 1528) aus dem Jahre 1515. Zum Unterschied von Dürer, der den Himmel gewissermaßen „aus der Perspektive Gottes“ darstellte, zeigt Honterus den Himmel aus der Sicht des irdischen Menschen. Diese Sternkarten von Honterus wurden noch 1559 in Paris und von 1585 bis 1611 in Krakau nachgedruckt.

3. Die größte kartografische Pionierleistung von Honterus ist die Siebenbürgenkarte „Chorographia Transylvaniae – Sybembürgen“, die von Honterus im Jahre 1532 in Basel erstellt wurde. Es ist die erste Detailkarte einer Provinz unseres Landes. In den oberen Ecken befinden sich die Wappen von Hermannstadt und Kronstadt. Auf der rechten Seite neben der Stadt CORONA befinden sich die Initialen IHC für Iohannes Honterus Coronensis, als Autor der Karte.

Im unteren Teil der Karte befinden sich drei Kästchen mit Texten. Im mittleren steht eine Widmung an den Hermannstädter Stadtrat, dem wahrscheinlichen Auftraggeber der Karte.

In Kästchen in den unteren Ecken stehen zwei Gedichte, links in deutscher, rechts in lateinischer Sprache. Das deutsche Gedicht bezieht sich auf die Herkunft der Siebenbürger Sachsen „von R(h)ein und Sachsen ich gemein“. In der ersten Zeile des lateinischen Gedichtes wird gesagt, dass Siebenbürgen „nicht der ungepflegteste Teil der deutschen Erde bzw. des deutschen Landes“ ist.

Das strategische Ziel dieser Landkarte war, die deutschen Fürsten zu überzeugen, dem König Ferdinand von Habsburg zu helfen, Siebenbürgen zu besetzen, das unter die Herrschaft des Königs Johann Zápolya gelangt war, der unter türkischer Oberhoheit regierte. Deshalb versucht die Karte, Siebenbürgen als ein deutsches Land darzustellen.

Ein Vergleich mit den heutigen Landkarten zeigt, dass  bei Honterus der Mieresch von Norden nach Süden fließt, ebenso ist auch der Lauf des Altflusses abweichend dargestellt.

Für eine Pionierarbeit ist die Karte von 1532 trotzdem eine beachtenswerte Leistung, die die Kartografie mehrere Jahrhunderte lang beeinflußt hat.

Zur Wiedergabe der Oberflächengestalt verwendet Honterus Berge und Wälder, verschiedene Gebiete sind mit Großbuchstaben bezeichnet, ebenso die großen Ortschaften. Die Dorfnamen sind nur mit kleinen Buchstaben geschrieben. Die großen Ortschaften  sind mit einer Art Ansichten dargestellt, die kleinen mit Zeichen für Kirchen oder Burgen.

Im oberen Teil ist das Szeklerland angegeben, im rechten oberen Eck lesen wir „MOLDAVIAE TERMINUS“ und in der rechten unteren Ecke “VALACHIAE PARS“:

Honterus selbst war mit seiner Landkarte nicht zufrieden und zog alle ihm erreichbaren Exemplare zurück. So blieb nur ein einziges Exemplar erhalten, das sich heute in der Ungarischen Széchényi Nationalbibliothek in Budapest befindet.

Johannes Honterus hat seine Siebenbürgen-Karte nach 1546 teilweise erneuert und dabei den unteren Teil mit den Inschriften entfernt. Im Vergleich mit der Karte von 1532 erscheinen auf der neuen Karte von 1547 neben den Städten Câmpulung und Târgovişte zusätzlich die Städte Pite{ti und Râmnicul Vâlcea in der Walachei eingezeichnet. Leider sind von dieser neuen Variante nur Fragmente und kein vollständiges Exemplar gefunden worden.

4. In den Jahren 1540/1541 brachte Honterus in seiner Druckerei ein Geografie-Lehrbuch heraus, dem eine Weltkarte (Typus universalis geographiae) und Sternkarten (Imagines constellationum) beigefügt waren. Leider ist auch von diesem Druckwerk kein Exemplar erhalten geblieben, es ist nur im Vorwort des Caspar Pesthiensis zu den Auszügen aus den Adagien von Erasmus von Rotterdam erwähnt, die Honterus im Jahre 1541 veröffentlichte.

5. Das kartografische Meisterwerk von Honterus war der Atlas minor, der der Endfassung der Weltbeschreibung von 1542 angefügt wurde. Es ist der erste Atlas minor der in unserem Land gedruckt wurde und der später im Ausland in zahlreichen Ausgaben sowohl als Anhang zu den Ausgaben der Weltbeschreibung, aber auch separat nachgedruckt wurde.

Dieser Atlas minor enthält die folgenden 16 Karten:

1. Circuli sphaerae cum V. zonis. Es handelt sich um einen Himmelsglobus, der auf drei Säulen steht, mit den Zeichen des Tierkreises. In der Mitte befindet sich ein kleiner Erdglobus.
2. Ordo planetarum cum aspectibus. Hier ist das geozentrische System von Ptolemäus dargestellt, nach dem sich die Planeten – einschließlich der Sonne – um die Erde drehen.
3. Regiones et nomina ventorum. Ein kleiner Planiglobus mit den Namen der Winde.
4. Vniversalis Cosmographia ist eine Weltkarte, einschließlich der beiden Amerika, die als zwei getrennte Kontinente dargestellt werden.
5. Hispania – zeigt die Iberische Halbinsel.
6. Gallia – die Karte von Frankreich.
7. Germania – Deutschland.
8. Sarmatia – die Karte von Polen und der Ukraine.
9. Dacia – die Karte von Südosteuropa von Ungarn bis nach Mazedonien und Thrazien. Es ist die älteste Landkarte mit dem vollständigen Gebiet des heutigen Rumänien mit den Provinzen: „Transylvania“, „Valachia“ und „Moldauia“. In der heutigen Dobrudscha steht „Bulgaria“.
10. Griechenland mit den Gebieten Macedonia, Achaia und Peloponesus.
11. Italia.
12. Palästina und Mesopotamien.
13. Asia minor – die Karte der heutigen Türkei.
14. Asia mit Arabia und India.
15. Africa – aber nur der Nordteil, bis zum Äquator.
16. Sicilia.

Diese Karten boten ein gutes Bild der damals bekannten Welt für die Schüler und die zahlreichen Nachdrucke sind ein sicherer Hinweis auf ihre noch lange Zeit andauernde Aktualität. Die Karten wurden in Zürich, Antwerpen und Prag bis um 1600 – also bis etwa 60 Jahre nach der Erstausgabe – neu geschnitten und nachgedruckt, aber die Erstausgabe von 1542 hat weniger Fehler als die Nachdrucke.
Mit diesem Atlas minor von 1542 hat Honterus seine europäische Berühmtheit begründet. So ist Johannes Honterus ein Pionier nicht nur der Kronstädter Kartografie, sondern auch im europäischen Kontext.