Kronstadt hilft der Ukraine 

Hunderte  Freiwillige setzen sich im Flüchtlingszentrum bei CATTIA ein

ieses Spielzimmer wurde mithilfe einer Buchhandlung eingerichtet.

An diesem Schalter werden Ukrainer registriert. Ein Freiwilliger übersetzt.

Es sind hunderte von Flüchtlingsgeschichten, die man in diesen Tagen auf den Facebook-Gruppen und Foren im Internet liest. Die Geschichte eines achtjährigen Mädchens, das mit ihrer Familie über die Grenze nach Rumänien gekommen ist, jedoch ihren Hamster Lei nicht ins Flugzeug nach Deutschland mitnehmen konnte. Das Tier wurde von einer jungen Frau in Bukarest abgeholt. Im Käfig fand sie einen Zettel, auf dem in rumänischer Sprache geschrieben stand, wie man den Hamster pflegt. Der Brief an die zukünftige Besitzerin endete mit dem Satz: „Du wirst ihn mögen“. Oder die Geschichte einer alleinerziehenden Mutter, die es gerade geschafft hatte, ihr eigenes Nagelstudio in Odessa zu eröffnen. Sie floh vor dem Krieg nach Bukarest und wurde von einem Schönheitssalon angestellt. Nun ist sie auf der Suche nach Kundinnen und meint, dass sie aus ihrem ersten Gehalt zuerst neue Sportschuhe für ihren Sohn kaufen wird. Oder die Geschichte der Junior-Fußballmanschaft aus Lemberg, die sich in Kronstadt befand, als der Krieg ausbrach. Die elf Kinder und ihr Trainer wohnen jetzt in einem Hotel und werden bestens versorgt. Doch es wird noch lange dauern, bis sie wieder in ihre Heimat zurückkehren werden. Das Leben, so wie sie es kannten, wurde plötzlich vom Krieg unterbrochen. Tausende von Flüchtlingen kamen in den letzten Tagen nach Rumänien, ein paar Hunderte auch nach Kronstadt. Für einige ist die Stadt unter der Zinne nur eine Station auf ihrer Reise in den Westen. Für die anderen wird es vorläufig ihr Wohnort sein. Alle Flüchtlinge, die nach Kronstadt kommen, werden zunächst bei dem bei  CATTIA  eingerichteten Flüchtlingszentrum aufgenommen und dann an ihren neuen Wohnort weitergeleitet. Wir können die Worte einer Freiwilligen nicht vergessen: „Viele wollen in Rumänien bleiben, weil es nahe an ihrem Land ist. Denn die meisten wollen so schnell wie möglich wieder nach Hause“. 

Viele Freiwillige sind Schüler 
Wir parken vor dem großen, grauen Gebäude mitten auf dem Feld. Vor uns hat gerade ein anderer Wagen geparkt, eine Frau steigt aus und nimmt zwei große Kartons aus dem Kofferraum. Die riesige Solidarität und Hilfsbereitschaft der Rumänen in den letzten Tagen ist bewegend. Jeder will helfen, wie er kann. Manche stellen ihre Wohnungen zur Verfügung, andere spenden Geld, andere warten jeden Abend um 20 Uhr in der Kälte auf den Zug nach Budapest, der 11 Minuten am Kronstädter Bahnhof anhält. Dann steigen sie in den Zug und verteilen Lebensmittel und Kosmetika an die Ukrainer, die sich auf der Durchreise befinden. Und andere fragen sich noch: Wie kann man am besten helfen? 

Als wir ins Gebäude eintreten, öffnen uns zwei Jugendliche mit strahlendem Lächeln. Sie führen uns zu Rebeca, die eine Gruppe von Freiwilligen koordiniert und gerade dabei ist, eine Instant-Nudelsuppe zu essen, weil es fast Mittag ist und sie noch nicht dazu gekommen ist, ihr Frühstück zu essen. Rebeca B²ia{ geht in die 11. Klasse im Kronstädter Kunstlyzeum. Doch seit dem 4. März, als das Flüchtlingszentrum geöffnet hat, ist sie täglich von 8 Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags hier und hilft, soviel sie kann. 

„Auf der Facebook-Gruppe des Kronstädter Kreisrats stand, dass man dringend Freiwillige benötigt. Ich habe auch andere Kollegen mitgenommen“, sagt Rebeca, die später Industriedesign studieren will, weil sie mag, Dinge zu entwerfen, die nützlich sind. Sie erinnert sich, dass am ersten Tag nicht sehr viel passiert ist, außer dass die vielen Freiwilligen die Hilfsgüter aussortiert haben. Am Abend trafen dann die ersten Geflüchteten im Zentrum ein.  „Wenn sie kommen, müssen wir das Essen vorbereiten, wir müssen uns vergewissern, dass es genug Matratzen gibt, auf denen sie schlafen können, dass alle Toiletten sauber sind, dass der Fußboden glänzt, dass die Duschen gereinigt wurden, dass für die Kinder genügend Kleidung und Spielzeug zur Verfügung steht. Wir haben Lagerhallen ausgeräumt und Matratzen hingestellt, wenn mehrere Leute kommen räumen wir noch eine Halle aus und wir versuchen, alles so sauber wie möglich zu halten.“ 

„Es ist eigentlich ein Luxus, ein Dach über dem Kopf zu haben“
Viele Spenden kamen von Schulen, wo Eltern und Kinder Pakete zusammengestellt haben. „Aus den Schulen kamen sie dann in andere Zentren und wurden in LKWs hierher gebracht und wir sortieren sie dann. Aber es gibt auch Leute, die wissen, dass sie direkt her kommen können. Die Spenden kommen entweder zur Bar, wenn es Lebensmittel oder Getränke sind, oder zum sogenannten Geschäft. Das ist kein richtiges Geschäft, also man muss nichts zahlen. Man sagt nur, was man braucht, ob es Windeln sind oder ein Deo oder vielleicht eine warme Bluse. An der Bar gibt es permanent Brot, Kaffee, Tee und Früchte, die Cărturești-Buchhandlung hat Puzzles, Spiele und Kinderbücher gespendet und wir sind  gerade dabei, sie zu sortieren. Andere Kollegen spielen mit den Kindern. Gestern haben sie sogar Volleyball gespielt“, erzählt Rebeca. 

Jeder Freiwillige (pro Tag arbeiten 100 bis 200 Freiwillige im Zentrum) ist für einen gewissen Bereich zuständig. Die meisten sind Schüler und Studenten, doch auch ältere Leute setzen sich ein und helfen, wo sie können. Es gibt auch Schüler, die russisch sprechen, sie werden dann im Geschäft oder an der Bar eingesetzt. 

„Die Ukrainer sind so traurig und es ist gut, wenn man ihnen Freude bereitet. Als ich am ersten Abend die Suppe auf dieTeller verteilt habe und einer Frau einen Suppenteller gereicht habe, waren Tränen in ihren Augen. Die Leute hier sind nicht Schuld am Krieg. Wir sind die einzigen, die helfen können. Danach gehen wir nach Hause und essen, wir alle haben einen Platz, wo wir schlafen können und finden das selbstverständlich. Es ist eigentlich ein Luxus, ein Dach über dem Kopf zu haben. 

Heute Morgen war ein älterer Mann hier neben der Bar, ich habe ihn gefragt, was er braucht. Jemand hat mir übersetzt: „ich brauche nichts, ich möchte euch nur von Herzen danken, dass ihr uns helft.“

Die Hilfsbereitschaft  ist groß 
Die ersten Ukrainer, die in Kronstadt eingetroffen sind, haben hier Verwandte und wohnen bei ihnen. „Die ukrainische Gemeinschaft aus Kronstadt umfasst etwa 30 Leute, vielleicht ein bisschen mehr“, sagt Astrid Hamberger, Leiterin des Zentrums für Integration der Migranten aus Kronstadt. Seit der Eröffnung des Flüchtlingszentrums ist sie ständig hier und ist bemüht, mit den Angestellten der Behörde für Sozialassistenz, des Bürgermeisteramts, mit Nichtregierungsorganisationen, Organisationen und dem Verein Pro Afaceri, sowie mit zahlreichen Freiwilligen den Bedürfnissen der Emigranten entgegenzukommen.  Mehr als 400 Ukrainer wurden bis zum 9. März registriert, ihre Zahl hat sich bis jetzt mit Sicherheit verdoppelt oder sogar verdreifacht. Bei einem Büro geben sie ihre Daten an, ihre Bedürfnisse und Pläne. 

Einige sind auf der Durchreise, bleiben zwei-drei Nächte im Zentrum, wo sie Nahrung, Kleidung, Beratung erhalten. Man unterstützt sie, ihre Reise in europäische Länder anzutreten, wo sie Bekannte oder Familienmitglieder haben. Zahlreiche andere Emigranten stellen sich auf einen Aufenthalt in der Zinnenstadt ein. Für sie werden Wohnungen in Hotels, Pensionen, in Räumlichkeiten verschiedener Unternehmer bereitgestellt. Auch Privatpersonen nehmen Flüchtlinge auf, allerdings brauche man mehr Unterkünfte, zumal die Möglichkeit besteht, dass die Anzahl der Ukrainer steigt.  „Wer Leute unterbringen möchte, soll uns angeben, für wie lange, sowie die Anzahl der Betten und die Bereitschaft, Haustiere aufzunehmen“. Die Bereitschaft der Menschen zu helfen sei überwältigend, meint Hamberger, auf Dauer müsse man allerdings auf staatliche Hilfe bauen. 
Die Leiter der verschiedenen Gruppen, die bei CATTIA im Einsatz sind, erhalten wöchentlich psychologische Gruppentherapie. 
Auf einem der großen Fenster ist mit Klebeband ein weißes Papier angeheftet. Am  7. März hat Yzhene aus Odessa mit einem blauen Filzstift auf Englisch da-rauf geschrieben: „Vielen Dank für Eure Hilfe! Alle Leute waren so nett zu uns und wir waren keinen Moment hungrig, es war uns nie kalt und wir haben uns hier nie einsam gefühlt“. 

 

Wo kann man Informationen bekommen?
* Hotline „Brașov pentru Ucraina“: 0371.784.071.
* Infos unter ua.brasovcity.ro
 

Wo kann man spenden?
* Spenden können täglich zwischen 8 und 20 Uhr bei CATTIA, Institutului-Straße Nr. 35 abgegeben werden
* erwünscht sind viele Stücke vom selben Artikel, beispielsweise 50 Paar Socken, 100 Liter Milch
* Malbücher, Buntstifte, Spielsachen können bei der C˛rture{ti-Buchhandlung (Marktplatz Nr. 20) gespendet werden