Kronstädter Musik im (Online-)Fokus

Das Audioarchiv von „Musica Coronensis“ wächst Jahr für Jahr

Anfang 2015 veranstaltete das Kulturkonsortium „Corona“ erstmals eine „Gala der Kronstädter Kulturpreise“. Die Jury kürte dabei ein Benefizkonzert des Bachchors der Schwarzen Kirche zum Musikprojekt des Jahres. Das Ereignis hatte unter dem Namen „Musica Coronensis im Bukarester Athenäum“ in Mai vergangenen Jahres stattgefunden und rückte die gleichnamige Kronstädter Konzertreihe in die Aufmerksamkeit der Hauptstadt.

Die Festspiele „Musica Coronensis“, die seit 2003 jeden Herbst in Kronstadt veranstaltet werden, stellen laut Festivalkoordinator Steffen Schlandt eine „Radiografie des einheimischen musikalischen Potentials“ dar, tragen zur Vernetzung von Kulturinstitutionen bei und präsentieren dem Publikum wiederentdeckte sowie neue Tonkunst aus der Stadt am Fuße der Zinne. Weniger bekannt ist, dass die Kronstädter Musik in Form von Konzertmitschnitten nun auch im Internet zur Verfügung steht und auch außerhalb der Festivalzeiten unter www.musica.coronensis.ro gehört werden kann. Jahr für Jahr kommen zahlreiche neue Audiodateien hinzu.

„Wir sind stolz und dankbar in einer Stadt zu leben, in der die Geschichte und die Gegenwart unterschiedlicher Kulturen immer wieder zusammen finden“, heißt es auf der Webseite von „Musica Coronensis“. Der Leser erfährt, dass die musikalischen Produktionen der Stadt bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgt werden können und dass Kronstadt die Heimat zahlreicher bedeutender Komponisten ist: Valentin Greff Bakfark, Martin Schneider, Iacob Mure{ianu, Gheorghe Dima, Rudolf Lassel, Paul Richter, Tudor Ciortea, Tiberiu Brediceanu und Norbert Petri sind nur einige der aufgelisteten Namen.

Im Audioarchiv gibt es unterschiedlichste musikalische Kostproben aus allen Epochen, gespielt oder gesungen von einer Vielfalt von Musikgruppen, die meistens interkulturell zusammengestellt sind und die produktive Zusammenarbeit von „Profis“ und „Laien“ fördern. Die Onlinebesucher, die historische Klänge aus Kronstadt hören möchten, können zum Beispiel Ausschnitte aus dem „Tabulaturbuch“ von Daniel Croner anklicken, die farben- und registerreich von der Organistin Ursula Philippi auf der Hesse-Orgel der Schwarzen Kirche im Rahmen der zweiten Festivalauflage aufgeführt wurden.

Zeitgenössische Musik gibt es ebenfalls reichlich, etwa die drei Miniaturen für Streichorchester von Wilhelm Georg Berger, die auf hohem professionellem Niveau von dem Orchester „Die Virtuosen aus Bukarest“ („Virtuozii din Bucuresti“) unter Horia Andreescu gespielt wurden. Ein vielleicht weniger bekannter Komponist mit siebenbürgisch-sächsischen Wurzeln ist Waldemar von Baußnern, der vor allem in Deutschland Karriere machte. Seine Werke erklingen in Kronstadt nicht nur bei „Musica Coronensis“, sondern gelegentlich auch im Rahmen des Orgelsommers in der Schwarzen Kirche – und nun auch im Online-Archiv, wo u.a. das Stück „Sollt ich meinem Gott nicht singen”, dargeboten von Hans Eckart Schlandt an der Buchholz-Orgel, zu finden ist. „Kronstädter“ Kammermusik von Ciprian Porumbescu oder Heinrich Neugeboren wird von Gastensembles – etwa dem Trio „Katharsis“ aus Temeswar oder dem Ensemble „Trikolon“ aus Wien gespielt, außerdem sind im Archiv auch feierliche Momente aus dem evangelischen Gemeindeleben festgehalten, zum Beispiel die Aufführung der Kantate zur Einweihung der (neuen Buchholz-)Orgel von Johann Lukas Hedwig, die von dem Kronstädter Bachchor und dem Orchester der Musikhochschule unter der Leitung von Steffen Schlandt aufgeführt wurde.

Hinzu kommen unzählige Lieder, Sinfonien, Chor- und Instrumentalwerke, klassische Blasmusik, kammermusikalische und konzertante Stücke. Es sind keine technisch einwandfreien Studioaufnahmen, sondern Konzertmitschnitte - der Hörer wird also unmittelbar in die Live-Konzert-Situation versetzt und bekommt so auch die Stimmung mit, die den Charme der musikalischen Herbstkonzerte in Kronstadt ausmacht. Ergänzt wird das Online-Archiv von einem (gewiss noch auszubauenden) Musikerindex und von Informationen zu Biografie und Werk der wichtigsten Musiker in deutscher und rumänischer Sprache, sowie von einer gelungenen Fotogalerie, die ein ansprechendes Bild des Festivals zeichnet.

Neben seinem musikalischen und dokumentarischen Wert stellt das Musikarchiv von „Musica Coronensis“ auch deshalb einen Mehrwert dar, weil es zeigt, wie fruchtbar die Zusammenarbeit von Musikern aus unterschiedlichsten Kontexten sein kann, und wie geschwind Projekte wachsen, wenn sie mit Herzblut und Überzeugung angegangen werden. Die Interpreten der „Musica Coronensis“ sind Instrumentalisten und Formationen der Kronstädter Schwarzen Kirche, Musik-Schüler, Studenten und Dozenten, Opernsolisten, leidenschaftliche Hobby-Sänger oder Philharmoniker; die Orte an denen die Konzerte ausgetragen werden umfassen Kirchen, Kulturzentren, Konzertsäle und Museen. Vielleicht lassen sich mit der Zeit auch andere Kronstädter Institutionen – etwa die Philharmonie und die Oper - von der Schwarzen Kirche inspirieren, und nehmen die Musik der eigenen Heimatstadt öfter in ihre Spielpläne auf. Es wäre - genau wie „Musica Coronensis“ – ein großer Gewinn für die gesamte Region.