Multilaterale Perspektiven

Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik im 25. Jahrgang

Die vom „Arbeitskreis für Geschichte und Kultur in Ostmittel- und Südosteuropa e.V.“ unter Koordinierung von Dr. Johann Böhm herausgebrachte Halbjahresschrift versteht sich als eine Publikation die die komplexen Probleme aus diesem Teil des Kontinentes aus multilateraler Perspektive untersucht, heißt es in dem vom Herausgeber Johann Böhm verfassten Editorial der Doppelnummer 1 und 2, Herbst 2013, 25. Jahrgang. „Im Unterschied zu einigen mit öffentlichen Mitteln geförderten Periodika (gemeint sind u. a. die „Südostdeutschen Vierteljahresblätter“, ab 2006 „Spiegelungen“ - Anm. RS) hat die Halbjahresschrift immer die Mitverantwortung der deutschen Minderheiten für den Nationalsozialismus thematisiert und auch deren Verhalten in der Zeit des Kommunismus kritisch hinterfragt.“ Zum Mitarbeiterkreis der Halbjahresschriften gehören bekannte Namen wie William Totok, Dieter Schlesak, Georg Herbstritt, Anton Sterbling, Hildrun Glass.

Die jüngste Ausgabe der „Halbjahresschrift“ wird mit einem interessanten Beitrag von Stefano Bottoni eröffnet. „Zögernde Spione. Die ungarische Staatssicherheit und Rumänien 1975-1989“ beschreibt die Wandlung in der Haltung des kommunistischen ungarischen Sicherheitsdienstes kurz vor Ceauşescus Sturz, als erstmals und nach längerem Zögern auch gegen den sozialistischen Nachbarstaat die Prinzipien und Methoden der aktiven Aufklärungsarbeit eingesetzt werden. Bis dann wurde eher der „interne Nationalismus“ skeptisch betrachtet und bekämpft, wobei dem Schicksal der „Auslandsungarn“, also auch der zahlenmäßig bedeutenden ungarischen Minderheit in Siebenbürgen, weniger Bedeutung zugemessen wurde. Der Verfasser behauptet, dass lange Zeit die Stasi der DDR besser über die Lage in Rumänien im Bilde war, als ihre ungarischen Partner. „Ab Ende der 1960er Jahre war an der Bukarester Botschaft eine zahlenmäßig kleine, aber aktive Außenstelle der DDR-Staatssicherheit angesiedelt. Bis zum politischen Umbruch wurden von hier aus zahlreiche Aufklärungsberichte an die Zentrale versandt. Eine wichtige Rolle spielte hierbei die intensive und vertrauliche Kontaktpflege zur deutschen Minderheit in Rumänien: Mehrere prominente Intellektuelle und Parlamentsabgeordnete hatte die Stasi für sich gewonnen.“

Für Interesse dürfte auch die Studie von William Totok sorgen, deren ersten Teil den Titel trägt: „Mit tückischer Durchtriebenheit. Durchsetzung der offiziellen Geschichts- und Kulturpolitik im national-kommunistischen Rumänien mit nachrichtendienstlicher Unterstützung.“ Es handelt sich um die Überwachung der in Ungnade gefallenen einst erfolgreichen Theaterautorin Ana Novac, die eigentlich Zimra Harsany hieß und jüdischer Herkunft war. Anfang des Jahres 1959 erhält die inoffizielle Mitarbeiterin der  Securitate „Marga“ den Auftrag, Einzelheiten über ein geplantes Tagebuch von Harsany zu erfahren, ein Tagebuch, das diese auf Grund von Notizen ihrer in Auschwitz verbrachten Zeit schreiben und im Ausland veröffentlichen wollte. Es sollte, meinte Novac, selbst Anna Franks viel bekannteres Tagebuch in den Schatten stellen. Ins Spiel gerät dabei auch der damalige Ehemann von Ana Novac, der siebenbürgisch-sächsische Schriftsteller Paul Schuster (1930-2004), da Marga seine Daktylographin und somit eine Vertraute des Ehepaars Novac-Schuster war.

Die Halbjahresschrift enthält auch weitere lesenswerte Beiträge, z. B. „Die Frage der Russlanddeutschen in der deutschen Presseberichterstattung der Jahre 1913-1923“ (Waldemar Schmidt); „Ein Friede der keiner war. Der Vertrag von Athen und der griechisch-türkische Gegensatz 1913-1923“ (Björn Opfer-Klinger) oder Gedichte von Frieder Schuller und von dem Kronstädter Dichter Andrei Dosa (in der Übersetzung von Rolf-Frieder Marmont).
Die Halbjahresschrift gibt es auch in einer online-Variante unter www.halbjahresschrift. homepage.t-online.de