Nur wenige Angaben in der siebenbürgisch-sächsischen Geschichtsschreibung

Spätansiedlung deutscher Angehöriger in Zernescht, dieser Burzenländer Ortschaft

Für die Rückgabe des Gebäudes der ehemaligen deutschen Schule in Zernescht stellte das Kronstädter Evangelische Bezirkskonsistorium A.B. einen Antrag, der immer noch auf seine Lösung wartet.
Foto: Ovidiu Lupu

Am Ende des Burzenlandes in einer malerischen Landschaft, am Fuße des Königsteins  gelegen, ist die heutige Stadt Zernescht/Zărneşti, gegenwärtig  eine der bevölkerungsreichsten Ortschaften des Kronstädter Kreises mit über 21.000 Einwohnern, einschließlich der dazugehörenden Dörfer Tohanul Vechi und Tohanul Nou. Die ersten demographischen Daten stammen aus dem Jahre 1490, als in Zernescht 55, in Tohan 45 Wirte gezählt wurden.  Die erste urkundliche Erwähnung von Tohan ist 1294 als Tuhan vermerkt, die von Zernescht im Jahre 1367 als Zerne. Eingegangen in die rumänische Geschichte ist die Ortschaft durch die Schlacht von Zernescht vom 21. August 1690, als der rumänische  Fürst der Walachei Constantin Brâncoveanu über die nahe gelegene Grenze zu Siebenbürgen, bei Törzburg kam, und mit seinen Verbündeten  das österreichische Heer unter Donat Heissler besiegte.

Die Ortschaft war bis  Mitte des 19. Jahrhundert rein rumänisch geprägt, deutsche Siedler wurden da nicht verzeichnet. Erst mit der wirtschaftlichen Entwicklung wurden vor allem deutsche Fachleute aus anderen Ortschaften Siebenbürgens, aber auch des Banats angeworben, um die industrielle Entwicklung zu unterstützen.  Das begann praktisch mit   der Gründung der Papierfabrik  1853 durch eine Gruppe rumänischer und griechischer Kaufleute aus Kronstadt, die dann 1864 von dem Unternehmer Martin Copony übernommen wurde. Im August 1918 wurde diese dann von der Ersten Ungarischen Papierindustrie AG Budapest erworben, um drei Jahre später 1921, in den Besitz der neu gegründeten „Zernester Papierfabrik A.-G.“ zu gelangen. Gebaut wurde die Fabrik auf einer Baufläche gelegen zwischen dem Gelände, wo 1891 der Bahnhof errichtet werden sollte, und dem Burzen-Bach. In dieser wurden sämtliche Arten Packpapier und Tüten hergestellt. Hinzu kam in kurzer Zeit die Zellulose-Fabrik 1889, dann das Sägewerk LOMAS 1925, und 1937 der Rüstungsbetrieb Malaxa, zu der Zeit auf dem Gelände von Tohanul Vechi, eine Ortschaft, die 1951  Zernescht einverleibt wurde, als die Ortschaft  zur Stadt erklärt wurde. Bei der  neuen Verwaltungsreform 1968 wurde auch Tohanul Nou Zernescht angeschlossen. Nach der 1948 stattgefundenen Enteignung  wurde die Papier- mit der Zellulose-Fabrik zu einem Kombinat zusammengeschlossen.

Evangelische Kirche und deutsche Schule gebaut

Durch die Gründung der Papierfabrik und deren Übernahme von Martin Copony, wurden immer mehr Fachleute von diesem Betrieb angezogen, da sichere Arbeitsplätze geschaffen wurden und ein gutes Einkommen gesichert war. Laut dem 1898 erschienenen Band „Das sächsische Burzenland“, herausgegeben von Franz Herfurth auf Beschluss der Kronstädter Evangelischen Bezirkskirchenversammlung, standen 1897 in der Evidenz der Kirchenfiliale Zernescht, die ab 1905 der Kirchengemeinde Rosenau zugeteilt wurde,  208  evangelische Seelen. Davon 113 männliche  und 95 weibliche Angehörige. Auch gab es 26 schulpflichtige Kinder (16 Knaben, 10 Mädchen). Verzeichnet wurden in dem Jahr 24 Geburten und 14 Todesfälle. Somit eine relativ hohe Zahl, die besonders in den Zwischenkriegsjahren weiter steigen sollte. Für diese wurde aus Spenden und mit Unterstützung der Betriebsleitungen die evangelische Kirche A.B. gebaut, die 1910 eingeweiht wurde (Leider fehlt uns ein Foto der Kirche). 1923 wurde auch eine reformierte Kirche und 1927 die römisch-katholische Kirche Heiliger Antonius gebaut. Für die evangelische Kirche sollte aber der Standort in den Jahren des Kommunismus zum Verhängnis werden, da diese an der Straße lag, die die Papier- und Zellulose-Betriebe trennte.

Durch deren Fusion  kam der Standort der Kirche  auf Betriebsgelände, was dazu führte, dass es den Kirchengliedern untersagt wurde, diese weiter zweckentsprechend zu benutzen. In diese wurde dann mehrmals eingebrochen, wobei die Pfeifen der Orgel, Kirchenausstattung und andere Gegenstände entwendet wurden. Unter dem Vorwand, neue Investitionen in dem Papier- und Zellulose-Kombinat durchzuführen, wurde die Kirche 1956 abgetragen. Den evangelisch-lutherischen Sachsen gestattete die reformierte Kirchengemeinde ihr Gotteshaus, das jenseits der Burzen stand, für Gottesdienste und sonstige kirchliche Handlungen wie Taufen, Konfirmationen, Trauungen zu benutzen. Die Gottesdienste konnten somit nur noch am Sonntagnachmittag abgehalten werden. Pfarrer Gustav Barthmes aus Neustadt nahm diese vor.

Vor ihm hatten diese Aufgabe Prediger Seiler und Pfarrer Serafim aus Rosenau auf sich genommen. Die Glocke der abgetragenen Kirche ist laut Beschluss des Kronstädter Kirchenbezirkes der orthodoxen Sf. Nicolae Kirche, die 1512 im Zentrum der Ortschaft vom Fürsten Nicolae Basarab errichet wurde, übergeben worden. Sie strömt auch heute ihren Klang mit den anderen Glocken über die Ortschaft aus. Auch wurde eine deutsche Schule mit Kindergarten  neben dem Bahnhofsgebäude 1941 von der über 300 Seelen zählenden evangelischen Kirchengemeinde errichtet. Durch die Schulreform von 1948 wurde dieses Gebäude enteignet, und somit wurde auch der deutschsprachige Unterricht eingestellt. Ehemalige Schüler haben auch heute noch Schulrektor Haiser in Erinnerung.  Der Kronstädter Evangelische Kirchenbezirk A.B. stellte vor einigen Jahren einen Rückgabeantrag für das Schulgebäude, der aber noch nicht eine entsprechende Lösung gefunden hat.   

Deutsche Fachleute und Persönlichkeiten

 Schon  Martin Copony hatte mehrere vertrauenswürdige Sachsen herangezogen und ihnen auch Leitungsstellen anvertraut. Beson-ders in der Zwischenkriegszeit wurden Fachleute angeworben, die in den beiden Betrieben ihr Können unter Beweis stellten, einheimische Arbeiter weiter ausbildeten. Diese kamen mit ihren Familien. Nachkommen blieben aber kaum da und gingen zum Studium  in Universitätszentren des Landes oder gar ins Ausland, viele siedelten aus. Die Familien Soos und Boer kamen aus Petersdorf von der dortigen Papierfabrik, Familie Rotenari kam aus Baaßen und war in der Buchhaltung tätig, Familie Drotleff kam aus Bukarest und Hermel aus Heldsdorf, beide Fachleute im Elektrizitätsbereich, Familie Braun aus dem Banat. Da die Zellulose-Fabrik auch Produkte für Sprengstoffe erzeugte und die Fachleute befreien konnte, um nicht an die Front eingezogen zu werden, hatten einige Sachsen dies zum Anlass genommen  und kamen nach Zernescht. Die Familien Huber und Kraus eröffneten Metzgereien in der Ortschaft.

Das Fotostudio Gregosch machte sich schnell einen Namen. Konditor Ernst Hienz, der aus Schäßburg kam, eröffnete außer der Konditorei in Zernescht auch eine in Törzburg, wo zu seinen Kunden in den Sommermonaten auch Angehörige der Königsfamilie gehörten. Die Bäckerei Binder,  Frisör Schneider, Tierarzt Niklos, die Schneiderei Badjon  waren bald nicht mehr wegzudenken aus dem Treiben der Ortschaft. Jekeli, Köhler, Dobosch, Schepp, Grempels, Haldenwang waren weitere Namen mit Bezug zur sächsischen Gemeinschaft. Von der Enteignung  wurden  alle betroffen, die Grundstücke besaßen.   Deportiert  wurden im Januar 1945 diejenigen, die der vorgesehenen Alterskategorie entsprachen, und auch solche, die versucht hatten, am König-stein Zuflucht zu finden. Die Evakuierung von 1952 hat die hiesigen Sachsen  nicht betroffen, da die meisten in Miete in Betriebswohnungen oder bei Hauseigentümern wohnten. Erklärten sich  bei der Volkszählung 1992 117 Personen als Deutsche, waren es 2011 noch 51. Heute gibt es noch fünf evangelische Kirchenglieder A.B. in Zernescht, die in der Evidenz der Kirchengemeinde von Rosenau erfasst sind.

Aus Zernescht stammen auch einige Persönlichkeiten, die da geboren wurden, doch durch Studium und berufliche Laufbahn den Ort verlassen haben, und heute kaum noch im Gewissen der Stadtleitung existieren. Auch die von Ioan Lepădatu  1998 herausgebrachte Monographie der Stadt, erwähnt diese nicht. Als Ehrenbürger  würden  diese, auch wenn sie verstorben sind, der Stadt mehr Prestige einbringen. Luise Schiel, geboren am 22. Januar 1879, Tochter des damaligen Direktors der Papierfabrik Karl Schiel, zog schon als dreijähriges Kind  nach Buşteni,  wo ihr Vater mit seinem Bruder Samuel die Papierfabrik gründeten. Nach dessen Tod 1894, übersiedelte sie nach Hermannstadt, wo sie den Sächsischen Kinderschutzverein leitete. Sie starb da am 7. Juni 1946.

Die hervorragendste und bekannteste Persönlichkeit ist sicher Grete Csaki-Copony die am 12. Oktober 1893 ebenfalls in Zernescht geboren wurde. Die ausgebildete Malerin und Grafikerin  studierte an den Kunstakademien in Dresden, München, Berlin. Sie wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, ihre Werke sind in Museen in Berlin, Paris, in Kronstadt, dem Brukenthalmuseum, in Privatsammlungen aufbewahrt. Sie starb am 4. Dezember 1990 in Berlin.  Der Chemiker Dr.-Ing. Arthur Miess, Sohn des aus Neustadt stammenden Johann Miess, der für die gesamte Holzversorgung in der Zellulose-Fabrik zuständig war, wurde am 25. November 1917 in Zernescht geboren. Nach dem Studium an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg kehrte er heim und war in Bukarest Abteilungsleiter für physikalisch-chemische Analysen am Institut ICECHIM. Nachdem er in Ungnade fiel, wurde er nach Jassy versetzt und konnte das Land illegal verlassen.

Er starb 2009 in Wiesbaden. Er veröffentlichte über 50 Facharbeiten im Bereich der analytischen und pharmazeutischen Chemie, die in einheimischen und ausländischen Zeitschriften veröffentlicht wurden. Sein Bruder,  Dipl.-Ing. Walter Miess, (1905 - 1979), der ebenfalls ein Fachstudium in Deutschland abgeschlossen hatte, war innerhalb des Gesundheitsministerium der Fachmann im Bereich der Röntgengeräte, leitete deren Montage und Instandhaltung in den wichtigsten Krankenhäusern des Landes. Zwar nicht in Zernescht geboren, doch da wohnhaft, gründete der Musiker Friedrich Stolz das semisinfonische Orchester in Rosenau.  Der Torpedo-Sportklub zählte zu seinen Spitzensportlern auf Landesebene den Alpinisten  Valentin Garner, den Radfahrer Wilhelm Gross, den Motorradfahrer Ernst Muellner die da auch ihre Arbeitsplätze  im 6-Martie-Betrieb hatten. Aus Zernescht stammen auch zahlreiche rumänische Persönlichkeiten, von denen wir nur den international bekannten Sänger Ion Piso, den Arzt Prof.-Dr. Tiberiu Spârchez, den orthodoxen Metropoliten Ion Me]ianu erwähnen.

 Wirtschaftlicher Rückgang

Die großen Betriebe der Stadt sind nach der Wende von 1989 auch mit der ausländischen Konkurrenz konfrontiert worden, die Produkte fanden weniger Absatz, die Unternehmen wurden privatisiert und bieten heute nur noch bedeutend weniger Arbeitsplätze. Auch das Wahrzeichen der Zellulose-Fabrik, der hohe Schlot, der schon von Rosenau gesehen werden konnte, ist abgetragen worden. Der „6 Martie“-Betrieb, wo Fahrräder und die Mobra-Motorräder erzeugt wurden, aber auch Munition für die Rüstungsindustrie, ist unter seiner aktuellenn Benennung „Mechanischer Betrieb“ auch stark zusammengeschrumpft. In Erinnerung ehemaliger Angestellter und der Ortsbewohner sind nicht nur die Betriebe zu ihrer Blütezeit geblieben, als sie tausende Arbeitsplätze sicherten, sondern auch durch die von diesen ausgelösten tragischen, kollektiven Arbeitsunfälle. 

Im Dezember 1939 war ein Chlor-Kessel  in der Zellulose-Fabrik explodiert. Im Kontakt mit der Luft wandelte sich das flüssige Chlor in giftiges Gas um. Über 70 Tote und 90 Verletze wurden dabei registriert. Am 5. Mai 1983 explodierte Sprengstoff in einem Munitionslager des „6. Martie“-Betriebes. 37 Tote und über 300 Verletzte waren zu beklagen. Einen Aufschwung erlebt allerdings der Tourismus im Gebiet. Die vielen Pensionen in Zernescht und dem Umfeld sind gesuchte Herbergen für die zahlreichen in- und ausländischen Touristen, die vom Königstein, der umliegenden Bergwelt wie auch dem Bärenreservat angezogen werden. Diese Entwicklung wird auch in die Geschichte der Ortschaft eingehen.
Bezug auf die erste urkundliche Erwähnung von Zernescht und Tohan finden wir bei Gernot Nussbächer. Der Historiker Constantin Rezachevici hat sich mit der da 1690 stattgefunden Schlacht ausführlich befasst. Es gibt aber noch viele unerforschte Daten über  die Ortschaft, die es verdienen, bekannt gemacht zu werden.

Dieter Drotleff