„Rumänien? Wie konntest du das tun?“

Wenn ich den Menschen in Deutschland oder Österreich erzähle, dass ich vor fünf Jahren meinen Lebensmittelpunkt von Wien nach Rumänien verlegt habe, ist die Reaktion meist ungläubiges Staunen. Oft dermaßen ungläubig, dass ich das Gefühl habe, ich hätte meinem Gegenüber gerade eröffnet, ich käme direkt vom Mond. Auch wenn niemand wirklich etwas über meine Wahlheimat weiß, ist die Frage doch immer die gleiche: Kann man dort wirklich leben?

Erzähle ich umgekehrt meinen rumänischen Freunden, dass ich mich freiwillig dazu entschlossen habe ins rumänische Kronstadt/Braşov zu übersiedeln, hier eine Firma zu gründen und in meiner alten Heimat alles aufzugeben, ist die Reaktion meist die gleiche: Wie konntest du das tun? Die Rumänen verlassen das Land und du kommst freiwillig hierher? In ein Land mit viel Bürokratie, wenigen Chancen, hohen Preisen, niedrigen Verdiensten und auch sonst jeder Menge Probleme?

Betrachten wir das Ganze einmal aus der Sicht jenes Fremden, der ich nun einmal bin. Als ich im Mai 1989 das erste Mal am Flughafen Băneasa gelandet bin um Bukarest und Rumänien auf der Durchreise in die Türkei einen Kurzbesuch abzustatten, wäre ich nicht im Traum auf die Idee gekommen, dass dieses Land mir einmal Zuhause sein könnte. Mit lachendem Schrecken erinnere ich mich noch heute an die Qualität der Speisen in den Lokalen, die für mich verwöhnten „Westmenschen“ so schrecklich war, dass ich oft fünf Gerichte bestellen musste um eines essen zu können, an die omnipräsente, durchaus nicht immer freundliche Polizei und die Angst bei meinem ersten Aufenthalt am Bukarester Nordbahnhof/Gara de Nord.

Man hatte nicht nur Gutes gehört über dieses damals doch ferne Land und vieles schien sich zu bestätigen. Wären diese Eindrücke die einzigen gewesen, die mir von diesem Aufenthalt geblieben sind, ich wäre wohl niemals wieder gekommen. Waren sie aber nicht. Denn die Bilder, die ich bis heute mit dieser Zeit verbinde, sind andere. Lachende, freundliche, offene Menschen, die mir zu jeder Zeit das Gefühl vermittelt haben, in ihrer Welt willkommen zu sein und die es verstanden haben, auch unter den schwierigsten Umständen nicht auf das Leben zu vergessen. Es war eine ganz eigene, nicht zu beschreibende Gemütlichkeit, die ich sonst nirgends auf dieser Welt gefunden habe.

Ich mochte Rumänien vom ersten Moment an und wollte wieder kommen um mehr über dieses erstaunliche Land und seine Menschen zu erfahren. Und eine Antwort finden auf die Frage, was es bedeute, in diesem Land zu leben.
Viele Male habe ich darüber mittlerweile diskutiert. Mit meinen österreichischen Landsleuten, die mir versprochen haben, sich selbst vor Ort ein Bild zu machen um meine Faszination für dieses Land zu verstehen. Mit Rumänen, die mir oft gestanden haben, einerseits im Ausland ihre Herkunft zu verleugnen um möglichen Anpöbelungen aus dem Weg zu gehen, gleichzeitig aber oft das Verlassen der Heimat als einzigen Weg zu wirtschaftlichem Erfolg sehen. Ihnen sage ich das immer Gleiche: Bleibt da. Wer es in Rumänien nicht schafft, schafft es auch woanders nicht.

Auch wenn es oft einfacher ist, bürokratische und gesetzliche Hürden als Ursache für den eigenen Misserfolg vorzuschieben, entspricht das nicht den Tatsachen. Wer einmal in Österreich gelebt hat, der weiß was echte Bürokratie bedeutet und warum es so viele Unternehmen hier her zieht. Natürlich muss sich vieles ändern.

Denn so sehr den Fremden auch erstaunt, wie selbstverständlich Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen hier friedlich zusammen leben, mit welcher Leichtigkeit viele von ihnen zwischen zwei Muttersprachen wechseln als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, mit mehr als einer Sprache groß zu werden, so sehr fühlt er auch das ständige Gejammere über die schwere Last des Schicksals und über die Unabänderlichkeit der eigenen Situation als jenen Teil der rumänischen Seele, die jede Veränderung im Keim erstickt. Rumänien hat mehr Zukunft als die meisten glauben wollen. Aber diese liegt weder bei der Regierung noch bei ausländischen Investoren. Rumäniens Zukunft liegt ganz alleine bei jenen Menschen, die mich seit so vielen Jahren faszinieren: beim rumänischen Volk.