Stets im Dienste der Gemeinschaft der er entstammte gewirkt

Der Theologe, Historiker, Minderheitenpolitiker Prof. Dr.Dr.h.c. mult. PAUL PHILIPPI Vorsitzender und Ehrenvorsitzender des Landesforums DFDR vor 100 Jahren geboren

Der ehemalige Vorsitzende und Ehrenvorsitzende des Landesforums Prof. Paul Philippi war immer wieder Gast der Veranstaltungen des Demokratischen Forums der Deutschen im Kreis Kronstadt (DFDKK).

Senioren im Gespräch. Fotos: KR-Archiv

Seine Predigttexte, seine Ansprachen bei den Tagungen des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde als Historiker, bei den Sachsentreffen oder denen der Schwaben, Bukowinadeutschen, als Vorsitzender und dann als Ehrenvorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien haben jedes Mal besondere Breitenwirkung durch die angesprochene Problematik, durch seine frei gesprochenen Texte erzielt, sind im Gedächtnis geblieben. In einem Interview das er unserer Wochenschrift anläßlich seines 1993 erfüllten 70. Geburtstages erteilte, und nach seiner Meinung gefragt wurde, ob es noch eine Zukunft für die noch da lebende deutsche Minderheit gibt, antwortete er: „Ich bin überzeugt, dass die Konstellation der 1990-er Jahre große Chancen für die deutsche Minderheit in Rumänien bereithält. Ich bin nicht sicher ob wir diese Chancen ausreizen und nützen werden. Das hängt von mancherlei Faktoren ab, nicht zuletzt daran, ob wir als Gemeinschaft den Willen zur Zukunft neu aufbringen werden. Und ich betone das Wort ‚neu‘ . Wenn wir eine Zukunft haben werden, dann wird die zwar in Verbindung stehen mit dem, was wir einst waren. Aber sie wird frisch ansetzen müssen und wird anderes aussehen. Und es wird Mut brauchen auch zu positiver Wertung von Veränderungen. Übrigens ist es ein tödlicher Aberglaube zu meinen, das sächsische oder schwäbische Leben sei schon immer nach den Normen der letzten Jahrzehnte verlaufen. Wir sind immer nur durch Schübe von Veränderungen in die Zukunft weitergegangen. Wer sich Veränderungen grundsätzlich verweigert, legt sich zu den Toten - in die Gruft oder ins Museum.“

Um im gleichen Kontext weiter zu betonen: „Bei genügender Zähigkeit unsererseits halte ich es für möglich, den Grund für einen aussichtsreichen Neuanfang zu legen. Diese Chance nicht zu nützen, halte ich für feige und unzulässig. Natürlich kann man es niemandem verbieten, in die Namenlosigkeit westlicher Sicherungen auszuweichen. Nur sollten die, die sich dafür entscheiden, dann zurückhaltend (oder zumindest behutsam) umgehen mit ihrer Berufung auf die Tradition ihrer siebenbürgischen Vorfahren. Es gibt im Westen lebende Landsleute, die ihre Solidarität mit den in Rumänien lebenden sehr konstruktiv verwirklichen“.

Auch kam seine kritische Meinung in den Nachkriegsjahren in Deutschland bezüglich der Auswanderung der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben bei deren Landsmannschaften nicht gut an,. Bei vielen der Betroffenen, die diesen Schritt getan hatten, löste diese ebenfalls Befremdung aus. Mit Kritik sparte er nicht auch im Inland wegen den repressiven Maßnahmen, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegen die deutsche Minderheit getroffen worden sind.

Anläßlich der landesweiten Gedenkfeier im Januar 1995, als in Kronstadt der 50 Jahre seit der Deportation der deutschen Angehörigen in die Sowjetunion gedacht wurde, betonte er in seiner Ansprache bei der Begegnung im Gebäude der hiesigen Präfektur an der auch der damalige Landespräsident Ion Iliescu anwesend war: „Die Deportation der Rumäniendeutschen in die Sowjetunion war nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer großangelegten ethnischen Diskriminierung. Soweit uns bekannt ist, war es die einzige Diskriminierung in unserem Land, der ausschließlich das Kriterium der Volkszugehörigkeit zugrunde lag. Deshalb sind wir der Meinung, dass nicht nur wir, die deutschstämmigen Bürger Rumäniens, der Deportation gedenken sollten.“ Die weiteren Repressivmassnahmen wie Bodenreform, Enteignung, Evakuierung, gegen die „Hitleristen“, haben dazu beigetragen, dass die deutschstämmige Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit diskriminiert wurde. In seiner Botschaft betonte Iliescu: „wir erklären uns solidarisch mit allen, die dieses tragische Erlebnis haben durchstehen müssen; wir verneigen uns vor denen, die in den Zwangsarbeitslagern umgekommen sind, und vor denen die, wieder heimgekehrt sind von unerbittlichen Krankheiten daran gerafft worden sind“. Die später getroffenen reparatorischen Maßnahmen wie die staatliche Unterstützung der Forumsstrukturen, der Rückerstattungen oder Entschädigungen ausgezahlt an ehemalige Eigentümer oder deren Nachkommen, die finanzielle Unterstützung der Deportierten, nun auch von deren direkten Nachkommen, sind begrüßt worden, doch das erlittene Leid ist nicht zu vergessen.

Nicht nur Kronstädter

Dr. Paul Philippi hat sich zwar stets als Kronstädter gefühlt, was sich auch darin äußerte, dass er sich oft als Pfarrer an Gottesdiensten in der Stadt unter der Zinne oder in Burzenländer Ortschaften beteiligte, predigte, Aussprachen mit den Leitungen des Demokratischen Forums der Deutschen im Kreis Kronstadt oder deren Mitgliedern führte, doch sein Wirken bezog sich auf die gesamte deutsche Minderheit. Er war stets ein kritischer Beobachter unserer Wochenschrift aber auch gelegentlicher Mitarbeiter bei dieser, wofür wir ihm und die Leser ihren Dank ausdrückten.

Geboren wurde Paul Philippi am 21. November 1923 in einer der angesehenen Familien Kronstadts. Der Vater Gustav Philippi war Jurist und leitete die Rechtsabteilung der Stadt, die Mutter Adele, geborene Zeidner, hatte namhafte Vorfahren in der Stadtgeschichte. Die drei Brüder und zwei Schwestern erfreuten sich einer glücklichen Kindheit. Noch während seines Besuches der traditionsreichen Honterusschule, entwickelte sich sein Interesse für die Geschichte der Stadt aber auch der der Gemeinschaft der er angehörte. Dazu hat sicher entscheidend auch das hiesige Burzenländer Sächsische Museum beigetragen. Doch seine Wünsche der Jugendjahre waren Gymnasiallehrer oder Dorfpfarrer zu werden. Auch äußerte sich schon früh bei ihm die musikalische Begabung, die er aus der Familie mitbekommen hatte. Über seine Rekrutierung in deutschen Militärdienst zwischen 1943 bis 1945, als er dann in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten ist, hat er des öfteren aufklärende Antworten gegeben. Nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft begann er das Studium der Evangelischen Theologie, Geschichte und Germanistik in Erlangen und Zürich. Die Pfarramtsprüfung für Siebenbürgen legte er 1952 ab und leistete seinen diesbezüglichen Beitrag hier, da diese Gemeinschaft in besondere Schwierigkeiten nach der Flucht von 1944 geraten war. Sein Vikariat hat er in Zürich an der lutherischen Gemeinde durchgeführt, hat da auch als Hauslehrer gearbeitet. Auch wirkte er in seiner Jugend als Mitbegründer 1952 und Mitarbeiter des Arbeitskreises junger Siebenbürger Sachsen, trat eine Assistentenstelle an der Heidelberger Universität an, ist in Erlangen 1957 promoviert worden, und 1963 in Heidelberg habilitiert. Ab 1971 war er Leiter des Diakoniewissenschaftlichen Instituts in Heidelberg. Hier hatte er 1956 Irmentraut (geb. Waadt) geheiratet. 1962 wurde dann von einer Gruppe Wissenschaftler und Historiker der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landekunde (AKSL) als Nachfolger des 1840 in Siebenbürgen entstandenen Vereins für Siebenbürgische Landeskunde gegründet. Außer Paul Philippi gehörten zu den Gründungsmitgliedern des Arbeitskreises Roland Böbel, Otto Mittelstraß, Wilhelm Czell, Andreas Möckel, Balduin Herter, Christian Phleps, Alfred Prox, Ernst Wagner, Otto Folberth, Georg Weber, Martin Wellmann, Bartholomäus Galter, Walter König, Rolf Kutschera. Jährlich fanden dann die wissenschaftlichen Tagungen statt die meist in bekannten Universitätsstädten abgehalten wurden oder von solchen Hochschulanstalten auch beherbergt wurden. Eine Tagung fand erstmals in Siebenbürgen in Hermannstadt 1977 statt, weitere Zusammenkünfte wurden dann nach der politischen Wende 1989 mehrmals in Rumänien organisiert. Erinnert sei u.a an die 2011 stattgefundene Tagung in Kronstadt als das Treffen der Siebenbürger Sachsen vom Kronstädter Kreisforum da organisiert worden ist in Zusammenarbeit mit dem Siebenbürgenforum und der Regionalgruppe der Burzenländer Heimatortsgemeinschaften in Deutschland. Bei diesem Anlaß wurden Prof. Dr. Dr. Paul Philippi, Dr. Harald Roth und der Organist Eckart Schlandt zu Ehrenbürgern von Kronstadt ernannt.

Tagungen,Werke, Anerkennungen

Die bei den Tagunen des AKSL behandelten Themen u.a. „Siedlungsgeschichte und Sprachgeographie“, „Die Zeit der Aufklärung in Siebenbürgen“, „Luxemburg und Siebenbürgen“, „Der Beitrag Siebenbürgens zur Türkenabwehr“, „Siebenbürgen zwischen den beiden Weltkriegen“ materialisierten sich immer wieder in wissenschaftliche Forschungsergebnisse die die Geschichte Siebenbürgens, der Siebenbürger Sachsen, deren Zusammenleben mit den anderen Ethnien analysierten, grundlegende Erkenntniss für die Geschichte darstellen, wurden in der Reihe „Studia Transilvanica“ herausgegeben von Paul Philippi, in den anderen Publikationen des Arbeitskreises veröffentlicht.

Seine besondere Aufmerksamkeit galt der evangelischen Theologie, wobei besonderes seine Dissertation in Erlangen „Abendmahlsfeier und Wirklichkeit in der Gemeinde“ hervorzuheben ist. Paul Philippi hat zahlreiche ehrenamtliche Ämter ausgeübt, war Mitglied im Diakonischen Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands, in der Diakonischen Konferenz, Mitarbeiter des Ökumenischen Rates in Genf. 1974 wurde ihm vom Protestantisch-Theologischen Institut der Universität Klausenburg die Ehrendoktorwürde verliehen. Er hat zahlreiche Vorlesungen an bekannten Universitäten, ab 1979 auch in Hermannstadt gehalten. Von 1979 – 1981 war er da Gastprofessor, ab 1983 bis 1994 ordentlicher Professor . Er war Professor für Kirchengeschichte und praktische Theologie die er an der Lucian-Blaga-Universität in Hermannstadt unterrichtete. Seine Veröffentlichungen „Die Kirchengemeinde als Lebensform. Eine siebenbürgisch-sächsische Besinnung“ München 1959, „Kirche und Politik. Siebenbürgische Anamnesen und Diagnosen aus fünf Jahrzehnten“ erschienen in zwei Bänden, Hora Verlag Hermannstadt 2006, gehören zu seinen besonderen theologischen Arbeiten.

Im Dezember 1989 hat er mit anderen Vertretern der deutschen Minderheit die Initiative zur Gründung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien ergriffen, um von 1992 bis 1998 zu dessen Vorsitzenden, und nachträglich zum Ehrenvorsitzenden des Landesforums gewählt zu werden.

Paul Philippi erfreute sich zahlreicher Ehrungen. 2015 wurde ihm der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis verliehen, 2017 erhielt er den Georg-Dehio-Kulturpreis des Deutschen Kulturforums Östliches Europa, er wurde auch zum Ehrenbürger von Bodendorf und Hermannstadt ernannt. Paul Philippi hat auch in der letzten Zeit seines Lebens sich besonderes der Forumstätigkeit als Vertreter der deutschen Minderheit gewidmet, hat dieses durch seine Vorschläge aber auch kritischen Bemerkungen stets begleitet. Zu seiner letzten Ruhe wurde er am am 4. August 2018 in seiner Geburtsstadt beigesetzt. Gedenken wir seiner in Ehren.