Von hilfsbedürftigen Kindern und armen ländlichen Kommunen

Agapedia Rumänien setzt nun auch EU-Projekte um

Bedürftige Kinder bekommen Schulmaterialien von Agapedia.

Weihnachtsfeier mit Geschenken für Kinder aus armen Familien. Fotos: Agapedia

Die von Jürgen Klinsmann 1995 in Esslingen gegründete Agapedia-Stiftung hatte schon im selben Jahr eine eigenständige Vertretung in Kronstadt/Braşov. Damals wie heute war die Hilfe für Kinder in Not wichtigstes Ziel der durch Spenden geförderten Projekte. Inzwischen ist Agapedia auch in Bulgarien und in der Republik Moldau tätig und ihr Aufgabenbereich hat sich erweitert. Marika und Stefan Barth waren von Anfang an als Geschäftsführer mit dabei. Sie besuchen Kronstadt regelmäßig. Nun berichteten sie der KR, zusammen mit Sozialassistentin Tatiana Burcel und der stellvertretenden Direktorin Tünde Soos, die Direktorin Liliana Guşu vertrat, über neue und ältere Projekte, die vom neuen Stiftungssitz in der Rumänischen Kirchgasse 48 (str. Bisericii Române) koordiniert werden.

Die Wissenszentrale

So könnte man das große, neu eingerichtete Haus bezeichnen, das die Stiftung von einer ausgewanderten Kronstädter sächsischen Familie günstig erwarb. Zwar fehlen die Kleinkinder, die beim alten Sitz in der Horia-Straße gepflegt wurden, aber die meisten Aktivitäten und Programme stehen weiter-hin mit dem Schicksal von Kindern in Not in Verbindung. Seit 2004 dürfen in Rumänien bis zu drei Jahre alte Kinder (außer jenen mit schweren Behinderungen) nicht mehr in Institutionen untergebracht werden, sondern ausschließlich in Pflegefamilien.

Die Ausbildung und Vorbereitung der Pflegefamilien (wo das elternlose Kind auf Zeit betreut wird) und der Adoptivfamilien (der ideale Fall) bleibt eine der Hauptaufgaben der Stiftung. Agapedia ist eine der sehr wenigen Stiftungen und NGO, die vom rumänischen Staat für das nationale Adoptionsprogramm anerkannt und zugelassen sind. Das spricht für die gute Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen zwischen der Kinderschutzbehörde Kronstadt und der Stiftung. Ideal wäre es, wenn ein Kind zu seiner Herkunftsfamilie zurückkehrt -  Agapedia scheut keine Bemühungen, um dies zu erreichen.

In Zusammenarbeit mit dem Stadtrat Kronstadt läuft ein Programm für sinnvolle und kreative Freizeitgestaltung, Förderung und Hausaufgabenbetreuung für sechs- bis zehnjährige Kinder im städtischen Kindertageszentrum „Astra“. Bei Agapedia gibt es ein sozialmedizinisches Zentrum, das die Ärztin Gabriela Mateoc vorbildlich betreut. Es gewährt Frauen und Teenagern, die es sich sonst nicht leisten könnten, kostenlose gynäkologische Untersuchungen und gesundheitliche Grundversorgung. Darüber hinaus bietet es Informationen  über Familienplanung, Schwangerschaftsverhütung und Vorbeugung von Geschlechtskrankheiten an. Erziehungsarbeit in dieser Hinsicht wird auch an Schulen und auf dem Lande geleistet; in Zusammenarbeit mit Partnern (z.B. Bürgermeisterämter, Schulanstalten, Vereine und Nichtregierungsorganisationen).

Der große Raum im Dachgeschoss wird vielseitig genutzt: für Vorbereitungskurse, Freizeitaktivitäten, Workshops für Kinder,  z.B. anlässlich des 1. und 8. März oder während der „Schule anders“-Woche. So konnten Schüler von Studenten der Kronstädter Transilvania-Uni über ein Schattenspiel leicht verständlich erfahren, was für Rechte und Pflichten sie haben. Agapedia organisiert außerdem Sommerlager für Kinder in Vlăhiţa und Zărneşti.

Hilfe vor Ort

Direkte Hilfe wirkt sofort und ist vor allem auf dem Lande notwendig. Stefan Barth nennt das „aufsuchende Arbeit“. Dabei geht es um materielle Hilfe für die, denen es an Lebensmitteln oder Kleidung mangelt; aber auch um finanzielle Unterstützung: für Roma-Familien zum Beispiel, damit diese sich Geburtsurkunden für  Kinder oder Personalausweise ausstellen lassen können; aber auch für ärztliche Laboranalysen. Beratungsangebote sollen den Landbewohnern helfen, einen Arbeitsplatz oder eine Ausbildungsmöglichkeit zu finden. Solche Hilfeleistung erfolgt auf Grund von Umfragen und Informationen von den lokalen Behörden, mit der dazugehörenden Vorsicht, um sich nicht von  „Schlauen“ ausnutzen zu lassen.

Neu ist die Einbindung von Agapedia Rumänien in die Kommunalentwicklung über Projekte mit EU-Finanzierung. Diese Einbindung hat nachhaltige Wirkung und ist als Weiterentwicklung älterer Projekte gedacht. Ein erstes Projekt hieß „RurActiv“ und wurde Ende Januar dieses Jahres erfolgreich abgeschlossen.   Es ging um Information und Ausbildung ländlicher Bewohner in drei Gemeinden aus dem Kreis Kronstadt (Tărlungeni, Apaţa und Budila), die bei der Suche nach einem Arbeitsplatz behilflich sein können. Praktische und theoretische Ausbildung gab es für 102 Personen in den Bereichen Kinderpflege, Altenpflege und Gesundheitsmentoren. Letztere sind wichtig als Ansprechpersonen für Bevölkerungsgruppen, mit denen die Behörden schwer in Verbindung kommen.

Arbeitsmigration, fehlende Jugend, schwache Infrastruktur, Ausgrenzung sind die Probleme vieler ländlicher Kommunen. Es bestehe „dringender Handlungsbedarf“, meint Stefan Barth. Agapedia tut das ihre in dieser Hinsicht, z. B. mit zwei weiteren EU-Programmen, die im April starten und zusammen mit Community Aid Network Brasov umgesetzt werden. Das eine ist „RurAbility“ – ein Projekt das in fünf noch festzulegenden Kronstädter Gemeinden laufen wird und sich an 380 Dorfbewohner wendet für die eine Erwerbsmöglichkeit gefunden werden soll. 15 von ihnen sollen junge Arbeitslose und 30 Langzeitarbeitslose sein, heißt es in den Projektauflagen, wo auch Ausbildungskurse für Zimmermädchen und Fachkräfte im Bereich Handel und Gaststättenwesen genannt werden. Das zweite Projekt „WorkAbility“, das wie auch das erste bis Oktober 2015 läuft, ist ein ähnliches Projekt für 90 erwerbslose Personen und 180 Langzeitarbeitslose, die aber nicht ausschließlich aus ländlichen Ortschaften rekrutiert werden sollen.

In ihrer gesamten Tätigkeit, die im nächsten Jahr stolze zwei Jahrzehnte währen wird, baut Agapedia Rumänien auf ein festes, kompetentes Mitarbeiterteam (heute rund 20 Personen) sowie auf die Spendenbereitschaft der Freunde der Stiftung. Verstärkt will man auch auf eigene Finanzierungsmöglichkeiten setzen, z. B. Saalvermietung, kostenpflichtige Kurse, Seminare, Workshops, ärztliche Untersuchungen für Patienten, die es sich leisten können. Außerdem wünscht sich Geschäftsführer Barth eine bessere Zusammenarbeit mit der rumänischen Zivilgesellschaft. Auch in Rumänien solle das Konzept der freien Träger einer Stiftung wie Agapedia stärker zur Geltung kommen.