VOR 50 JAHREN: Abschluss und Neubeginn

Am Sonntag, dem 18. Februar, erschien die letzte Nummer (826) der „Volkszeitung“. „Mit der heutigen Ausgabe verabschiedet sich die ‘Volkszeitung‘ von all ihren Lesern, denen sie im Laufe von über zehn Jahren nach bestem Wissen und Gewissen versucht hat, Genüge zu leisten“, heißt es in einer Ankündigung auf Seite 1. Es sollte aber „kein Abschluss, sondern ein Neubeginn sein“, wird vermerkt, da für März bereits unter dem Titel „Karpaten-RUNDSCHAU“ das Erscheinen einer neuen Publikation angekündigt wird. Sie wird wie folgt beschrieben. „eine neue deutschsprachige Wochenschrift für Gesellschaft, Politik Kultur und Unterhaltung (in 16 Seiten), die es sich zum Ziel setzt, breitesten Leserkreisen in ihren vielseitigen Interessen entgegenzukommen.“ Die VZ-Abos behalten ihre Gültigkeit auch für die neue Wochenschrift.

Außer dieser Ankündigung sind die ersten zwei Seiten, also die Hälfte dieser Ausgabe, der Gründungssitzung des Kronstädter Provisorischen Kreiskomitees der RKP und des Kreisvolksrates „reserviert“. Denn im Zuge der neuen territorial-administrativen Einteilung des Landesgebietes stellten auch die bisherigen Regionsparteiorganisationen ihre Tätigkeit ein. Zum Ersten Sekretär des Kreisparteikomitees Kronstadt wurde Gheorghe Pan² gewählt. Unter den 15 Mitgliedern des Büros des Kronstädter Kreisparteikomitees befindet sich auch Eduard Eisenburger, der später zum ersten Chefredakteur der „Karpatenrundschau“ ernannt wird. Bei der Gründungssitzung war die Parteiführung durch Ilie Verdeţ vertreten – damals Mitglied des Exekutivkomitees und des Ständigen Präsidiums des Zentralkomitees der RKP sowie Erster Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates. In seiner Ansprache beschreibt er den neuen Kreis Kronstadt als „mittelgroß“ was Fläche und Bevölkerung betrifft, gekennzeichnet „durch einen hohen Grad der Urbanisierung: 67,6 Prozent seiner Bevölkerung (Landesdurchschnitt 38,2 Prozent) lebt in Städten“. Es werden einige weitere Zahlen genannt, die nicht vergessen werden sollten: die Bevölkerung dieses Landeskreises bestand, nach ethnischer Herkunft, aus 330.000 Rumänen, 65.000 Ungarn und 41.000 Deutschen, die laut damaligem Parteijargon „verbrüdert arbeiten.“ Der Kreis war bereits damals stark industrialisiert: er stellte 6,7 Prozent der Landesindustrieproduktion. „Was die absolute Industrieproduktion anbelangt, steht Kronstadt im Landesmaßstab an dritter Stelle und hinsichtlich der Prokopfproduktion an erster Stelle.“

Ansonsten findet man in den VZ-Seiten der letzten Ausgaben Berichte in der Sportrubrik zu der X. Ausgabe der olympischen Winterspiele die in Grenoble abgehalten wurden und den französischen Skifahrer Jean Claude Killy zum Superstar hatten. In der internationalen Politik war der Vietnamkrieg das dominante Thema; die erste Mondlandung wird von der NASA noch vor Ende 1969 angekündigt. Kronstadt bereitet sich auf die erste Auflage des internationalen Leichtmusikfestivals „Der goldene Hirsch“ vor – ein guter Anlass für Else Mayerbüchler mit einer der beliebtesten rumänischen Sängerinnen, Margareta Pîslaru, ein Interview zu führen. Den Kronstädtern wird mitgeteilt, dass in einigen Wochen der Bau der Drahtseilbahn zur Zinne beginnen soll. Architekt Günther Schuller stellt kurz zwei neue Hauptverkehrsadern vor: die Verbindung Hidromecanica-Platz – Hauptbahnhof (heute Victoriei-Boulevard) und im rechten Winkel dazu die Verbindungen zu den Stadtvierteln Bartholomä und Steagul Roşu (heute Astra) mit dem Lkw-Werk. So soll auch der Innenstadtverkehr entlastet werden. Das Lkw-Werk gehört der Geschichte an; die Verkehrsentlastung bleibt Zukunftsmusik.