Weltliches und Kirchliches im Wassertal

Johann Traxler und Anton-Joseph Ilk veröffentlichten bleibende Dokumentation über Liedgut und Bräuche

Es ist nun schon der vierte Band der Serie „Veröffentlichungen zu den Zipsern im Wassertal“,den der Volkskundesammler und Ethnologe Anton-Joseph Ilk, dieses Mal wieder in Zusammenarbeit mit dem Lehrer und Musiker Johann Traxler, veröffentlicht.  Ebenfalls gemeinsam hatten sie sich im ersten Band  der „Geschichte des deutschen Schulwesens von Oberwischau“ gewidmet. Der zweite Band der Serie, dessen Autor Anton-Joseph Ilk ist, befasste sich mit der mythischen Erzählwelt des Wassertales. Gertraude Schmitzberger analysierte im dritten Band „Die Entstehung des Waldwesens im Wassertal“, deren Mitarbeiter und Herausgeber Kurt Druckenthaner und Anton-Joseph Ilk sind.

Die Serie und die Autoren der vier bisher erschienenen, sehr inhaltsreichen und gut dokumentierten Bände, haben damit Bleibendes für diese deutsche Siedlergruppe aus dem Norden des Landes getan, damit deren Geschichte, Sitten und Bräuche der Nachwelt  erhalten bleiben. Dieses ist von besonderer Bedeutung, da in diesem Landesteil wo, wie auch in den anderen Gebieten des Landes, die Spätaussiedlung nach der Wende in der Reihe der deutschen Bevölkerung große Risse hinterlassen hat, die Dinge noch schlechter  stehen. Beide Autoren sind in Oberwischau/Vişeu de Sus geboren, beide verbrachten ihre Jugendjahre dort, bis sie beruflich in andere Landesteile kamen und später ebenfalls aussiedelten. Doch ihre Bindung zu der Heimat ist ungebrochen geblieben,und sie haben sich der Erforschung der Vergangenheit der Zipser gewidmet.

Anton-Joseph Ilk wurde 1951 geboren, studierte Philosophie und Theologie in Alba Iulia/Karlsburg. Nach der Priesterweihe war er Seelsorger in Satu Mare und anschließend Pfarrer in Baia Mare. 1998 kehrte er in die „Heimat seiner Vorfahren“ zurück, wie er betont, und wirkt als Pfarrer in der Diözese Linz. 2009 promovierte er an der Universität Wien im Fach Europäische Ethnologie, ist Autor zahlreicher Bücher im Bereich Volkskunde, die den Deutschen aus Nordsiebenbürgen gewidmet sind.
Johann Traxler  ist ebenfalls in Oberwischau, 1954, geboren. In Hermannstadt bildete er sich von 1969 bis 1974 zum Grundschullehrer aus und ließ sich nach dem Militärdienst 1976 in Viktoriastadt im Kronstädter Kreis nieder.

Dank seiner musikalischen Begabung und Ausbildung machte er sich einen Namen im Umfeld nicht nur als Lehrer, sondern auch mit seiner Band, als Chorleiter, durch seine Auftritte im Fernsehen. Auch in unserer Wochenschrift wurden mehrere Berichte über ihn veröffentlicht. Nach seiner 1990 erfolgten Aussiedlung nach Deutschland arbeitete er in einer Gemeindeverwaltung im Raum Aalen (Baden- Württemberg). In seiner Freizeit widmete er sich auch dort der musikalischen Tätigkeit als Instrumentallehrer für Tasten- und Blechblasinstrumente, als Blasmusikdirigent, komponierte und arrangierte. Somit ist auch der reiche Inhalt des aufliegenden Bandes an Liedern und Noten zu erklären, die in den Band aufgenommen wurden. Gemeinsam mit Anton Joseph Ilk haben sie 2004 die Publikation der Heimatortsgemeinschaft des Oberwischauer e.V. „Wassertaler Heimatbote“ herausgebracht und die ersten fünf Ausgaben betreut.

Im Geleit bieten die beiden Autoren  einen kurzen geschichtlichen Rückblick über  Geschichte des Wassertales und seiner deutschen Siedler. 1777 erwarb die Wiener Hofkammer von Adligen in Ober- und Mittelwischau ein weiteres Waldgebiet des Wassertals. Dadurch nahm der Zuzug von Arbeitern und Beamten im Forstbereich zu. 1796 und nach 1812 kamen viele Zuwanderer aus der Zips, einer deutschen Sprachinsel im östlichen Vorland der Hohen Tatra. Allerdings war deren Zahl geringer als die der  aus Oberösterreich dort angesiedelten. Alle wurden aber als Zipser benannt, im rumänischen Staat als Deutsche eingestuft. Das Zusammenleben mit den anderen da ansässigen Rumänen, Ungarn Juden, Ukrainern wirkte sich auch auf ihre Sprache, auf das Gefüge des Wischaudeutschen aus. Auch wurden die deutschen Siedler des Wassertales stark den Magyarisierungstendenzen in ihrer Geschichte ausgesetzt, sowohl vor dem Ersten Weltkrieg bis zur Gründung Großrumäniens1918, als auch in den Jahren 1940 – 1944 als Nordsiebenbürgen an Ungarn zugefallen war. Somit gab es viele ungeklärte Fragen zur eigenen Identität.

„Erst Mitte der 1960er Jahre kamen wir mit Hilfe unserer Lehrer, aber auch rumäniendeutscher Journalisten sowie Volkskundler zu den ersten Antworten. Nach und nach erhielten wir Gewissheit über unsere Herkunft, unsere Vorväter und unsere Vergangenheit. Bis dahin waren die Oberwischauer Zipser selbst den Deutschen anderer Gebiete Rumäniens, wie den Siebenbürger Sachsen und den Banater Schwaben, kaum bekannt. Endlich wurden wir wahrgenommen und in die rumäniendeutsche Kulturlandschaft integriert“ unterstreichen Traxler und Ilk in ihrem Vorwort. Mit etwas Wehmut schließen sie: „Deshalb ist dieses Buch als womöglich letzter Versuch zu verstehen, einen Funken gelebter Gemeinschaft in einer uns fremd gebliebenen Welt zu vermitteln.“ Strukturiert ist der 500 Seiten starke Band in drei Teile. Davon sind 170 Seiten den weltlichen Bräuchen und kirchlichen Feiern im Jahreskreis gewidmet, 223 dem Liederverzeichnis und 50 dem Bildteil. Ausführlich werden die weltlichen Bräuche und kirchlichen Feiern  beginnend mit dem Neuen Jahr dokumentiert.

Die Zipser, die alle römisch-katholischen Glaubens  sind, waren eng mit der Kirche verbunden, sodass die weltlichen Bräuche eng an die kirchlichen Feiern gebunden und untrennbar waren. So werden alle Ereignisse im Familienleben ausgehend von der Taufe, Firmung, Hochzeit bis hin zum Todesfall ausführlich beschrieben, auf Besonderheiten eingegangen. Illustriert werden diese jeweils mit dem Liedgut, niedergeschrieben in Text und Noten. Die Autoren gehen dann auf die Feiern im Kirchenjahr ein ausgehend von der Advents- und Weihnachtszeit, auf Silvester und den folgenden Feiertagen wie das Fest der Erscheinung des Herrn (Heilig drei Könige), auf Maria Lichtmess, die Fasten- und Osterzeit. Auch weitere Feste und Gedenktage wie das Fest des heiligen Johannes Nepomuk, das Geburtsfest Johannes des Täufers, Petrus und Paulus, das Kirchweihfest werden mit den spezifischen Aspekten beschrieben. Die Siedler des Wassertales pflegten ein vielseitiges Kulturgut und waren nicht nur als fleißig und gläubig bekannt, sondern auch durch ihre reiche Sagen- und Märchenwelt und ihre Freude am Singen.

Ihre Lieder, die im Dialekt als „Gsangeln“ bekannt sind  wurden mündlich verbreitet. Feststellbar ist, dass nur wenige ihrer Lieder aus ihrem Herkunftsgebiet, dem  Salzkammergut, überliefert worden sind. Auch der siebenbürgische Komponist und Dirigent Karl Fisi hatte Interesse an dem Liedgut aus dem Wassertal gezeigt. Insgesamt 138 weltliche und geistliche  Volkslieder die in diesem Band aufgenommen sind, erschienen teilweise (84) schon 1990 in dem Band „Zipser Volksgut aus dem Wassertal“. Der größte Teil der Liedtranskriptionen baut auf Tonbandaufnahmen, die in den Jahren 1976 – 1988 gemacht wurden und mittlerweile in digitalisierter Form im Oberösterreichischen Landesarchiv und im Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich und im Volksliedwerk in Linz aufliegen.
Der Band kann auch als Liedersammlung betrachtet werden. Außer den zahlreichen Liedtexten und der jeweiligen Partitur sind auch einige jiddische Weisen aufgenommen worden. Allein die Matthäus-Passion, die am Palmsonntag anstelle des gelesenen Evangeliums gesungen wurde, umfasst über 30 Seiten in dem Band. Die gesungene Passion  war jährlich das große Ereignis am Palmsonntag und leitete die Karwoche ein.

Die Autoren gehen auch der kulturhistorischen Bedeutung der Gebet- und Gesangbücher, deren Funktion bei den Oberwischauer Zipsern nach. Die deutschsprachige Bevölkerung im Wassertal verwendete die Gebets- und Gesangbücher täglich, vor allem am Abend, wenn die Arbeit in der Landwirtschaft zum Abschluss kam. Am Sonntag nahmen sie diese in die Kirche, da man bis zu der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils 1961/1965 die Messe in den römisch-katholischen Kirchen  in lateinischer Sprache feierte. Sodass die Gottesdienstteilnehmer ihre Gebetsbücher zur Hand nahmen, bis 1975 das „Gotteslob“ erschienen ist. Die zahlreichen Fußnoten geben weitere Erklärungen zu den im Band dokumentierten Daten.

Der ansprechende Bildteil umfasst zahlreiche schwarz-weiß Fotos, die weiteren Aufschluss über die Deutschen aus dem Wassertal und Oberwischau geben. Zum Teil handelt es sich auch um Familienbilder von Hochzeiten, einschließlich von der des Autoren Johann Traxler und Hildegard (geb. Bruss), die aus dem Burzenland stammt. Es fehlen nicht Fotos von Kirche und Pfarrhof, vom Friedhof und Trauerzügen, Musikern, Chor,  Kirchen anderer Konfessionen, Reproduktionen von Gesangbüchern und Ikonen. Abgeschlossen wird der Band mit einem Abkürzungs- und dem Literaturverzeichnis.
Der ausführliche, gut dokumentierte Band kommt sicher auch bei den deutschsprachigen Lesern anderer Landesgebiete an, die Interesse an  den vielseitigen Aspekten aller in Rumänien niedergelassenen Siedler haben. Vor allem ist der Band eine unerschöpfliche Quelle für die Kenntnis der eigenen Vergangenheit der deutschen Siedler im Wassertal, für die Ethnologen, die Forschungen bezüglich der zahlreichen Minderheiten des Landes vornehmen.

Dieter Drotleff

Zu: Johann Traxler, Anton-Joseph Ilk „Liedgut und Bräuche aus dem Wassertal“, Band 4 der Serie Veröffentlichungen zu den Zipsern im Wassertal, Verlag Haus der Heimat Nürnberg 2015, 500 Seiten.