Aus dem Rechenschaftsbericht des Anwalts Dr. Heinz Dieter Hüsch

Veröffentlichung von deutsch-rumänischen Dokumenten zur „Familienzusammenführung“

Voraussetzung für die Offenlegung der Quellen zur sogenannten „Familienzusammenführung“ der Rumäniendeutschen war, dass der damalige Innenminister Dr. Wolfgang Schäuble am 3. Juni 2009 Dr. Heinz Günther Hüsch von der Schweigepflicht entband und ihm somit ermöglichte, in zahlreichen Interviews und Konferenzbeiträgen, die teilweise bereits in dem Band „Kauf von Freiheit“ von Hannelore Baier und Ernst Meinhardt veröffentlicht wurden, Auskunft zu erteilen. Nun bringt die Landsmannschaft der Banater Schwaben eine Quellensammlung heraus, in der einige der Vereinbarungen und Dokumente aus dem Bestand von Dr. Heinz-Günther Hüsch zur Veröffentlichung gelangen. Unter dem Titel „Wege in die Freiheit: deutsch-rumänische Dokumente zur Familienzusammenführung und Aussiedlung 1968-1989“ gibt er Einblicke in seinen umfangreichen Aktenbestand, ca. 1800 Seiten in fünf Bänden, die neben den schriftlichen Vereinbarungen und Abrechnungen aus Gedächtnisprotokollen über die Verhandlungen oder auch Gesprächen mit zuständigen Politikern, einschließlich Bundeskanzler Kohl und Präsident Ceauşescu, bestehen. Der Herausgeber und Vorsitzende der Banater Landsmannschaft, Peter-Dietmar Leber, hat auch das Vorwort zu diesem Band geschrieben, in dem er die Aussiedlungsgeschichte der Deutschen aus Rumänien seit den ersten Auswanderungswellen im 19. Jahrhundert bis zur Massenauswanderung nach 1989 zusammenfasst und erläutert.

Die Vorgeschichte zu Hüschs 1968 einsetzender Tätigkeit, die bis 1989 laut eigener Auskunft 226.000 rumänischen Staatsangehörigen deutscher Nationalität zur Ausreise in die damalige BRD verhalf, wird summarisch in dem Kapitel „Familienzusammenführung – politische Ebene“ wiedergegeben. Den Weg zu seinen Verhandlungen ebneten vor allem die Bemühungen des Roten Kreuzes und diverse Anwälte, unter denen Dr. Ewald Garlepp besonders zu nennen ist, der im Auftrag der Evangelischen Kirche bereits Erfahrungen zum Freikauf inhaftierter Personen erworben hatte.

Des Weiteren legt Hüsch in seinem 1992 verfassten Vorwort zu seinem Rechenschaftsbericht einige der Begleitumstände dar, die das Verhalten der rumänischen Verhandlungspartner charakterisierten, nicht zuletzt, dass sie nie unter ihrem Klarnamen auftraten. Indirekt eine Bewertung der politischen Akteure – immerhin war er für die verschiedensten Regierungskoalitionen unter den Bundeskanzlern Kiesinger, Brandt, Schmidt und Kohl bis nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in Rumänien tätig – nimmt er durch seine Danksagungen vor, indem er die Verdienste der Parteifreunde, des Staatssekretärs Gerd Lemmer vom 1969 von der sozial-liberalen Koalition aufgelösten Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, des später mit diesen Angelegenheiten betrauten Heinrich Windelen, der Minister Zimmermann und Schäuble sowie des Kanzlers Helmut Kohl besonders herausstreicht. Darüber hinaus führt er die Minister Dietrich Genscher, Werner Maihofer oder Gerhardt Baum von der FDP als Unterstützer seiner Tätigkeit auf.

Dies obwohl die Ostpolitik unter Willy Brandt und die damit verbundene Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Rumänien im Jahr 1967 eigentlich als eine der Voraussetzungen zu diesen Verhandlungen um humanitäre Erleichterungen gilt, was als Faktum eher beiläufig erwähnt wird. Einem häufig auch aus Kreisen der evangelischen Kirche angemerkten Kritikpunkt, dass die stetige Erhöhung der Auswanderungszahlen dazu führte, dass das Deutschtum in Rumänien verdrängt wurde, entgegnet er, die „Erhaltung des Deutschtums zu verlangen, überforderte materiell und moralisch“ (S.38). Gerade Kanzler Kohl war in diesem Punkt wohl an einer endgültigen Lösung gelegen, da „bei zunehmender Eigensucht in der deutschen Gesellschaft, es nur noch eine begrenzte Zeit möglich sein werde, finanzielle Opfer für die Rückführung der Deutschen in die Freiheit zu erbringen.“ Auf rumänischer Seite werden jedoch laut Hüsch alle humanitären Angebote, so z. B. die Errichtung von Altersheimen, regelmäßig abgelehnt.

Hüsch übte seine Verhandlungen als Privatperson in seiner Eigenschaft als Anwalt aus, wenn auch inoffiziell im Auftrag der Bundesregierung. In den „Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland“ wird er z. B. als „der Beauftragte des Bundesministeriums des Inneren für die periodischen vorgesehenen Abrechnungsgespräche über die Familienzusammenführung“ (1983 – Anmerkung 3304 ) bezeichnet. Dennoch ist Hüsch kein „neutraler Beobachter“. Als langjähriges aktives CDU-Mitglied, Ratsherr, Landtags- und Bundestagsabgeordneter profilierte er sich zum Beispiel als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses im für die Gewerkschaften verheerenden „Neue Heimat“-Skandal, ebenso durch seine kontroverse Rolle im „Flick-Untersuchungsausschuss“ – legendär der Austausch von Verbalinjurien mit Helmut Schmidt. In Interviews bezeichnete er sich selbst gerne als äußerst konservativ. So verwundert es auch nicht, dass Hüsch in seinen politischen Anmerkungen die „Neue-Heimat-Affäre“ zwar erwähnt, aber weder seine Rolle darin, noch überhaupt zur „Flick-Affäre“ irgendein Wort verliert.

Dies als Hinweis auf die einleitenden Abschnitte zu den nach Jahreszahlen angeordneten Kapiteln von 1968 bis 1989 (wobei nicht alle Jahre belegt sind, so fehlen z. B. einige Jahre 1971-72, 1974-77, 1984-86), in denen Hüsch den jeweiligen Dokumenten immer eine Einordnung der politischen Situation in Deutschland unter der Überschrift „die politische Situation“ und eine zusammenfassende Bewertung zum Gang der Verhandlungen unter dem Titel „die Verhandlungen“ gibt. Hannelore Baier verfasst analog jeweils den politischen und zeitgeschichtlichen Überblick unter „die Lage in Rumänien“. Dabei konzentriert sich die Auswahl der Dokumente auf besonders wichtige, zuweilen auch kritische Momente dieser deutsch-rumänischen Kooperation.

So natürlich auf die Anfänge, die ersten Treffen 1968 und 1969, die entscheidend für die Beurteilung waren, ob dies überhaupt ein gangbarer Weg der Vermittlung sein könne, bei denen es noch keinerlei schriftliche Vereinbarungen gab. Schließlich die ersten Verträge 1969 und 1970, die als „Stockholmer Verträge“ hier vorgelegt werden. Als Petitesse wird hier ein Dokument über die in Interviews oft erwähnten Lieferungen von Fahrzeugen für rumänische Funktionäre abgedruckt.

Für 1973 konnte ein mehrjähriger Vertrag bis 1978 geschlossen werden, jedoch ohne eine von Rumänien schriftlich bestätigte Ausarbeitung, in dem die Auswanderungsquoten für die nächsten fünf Jahre vereinbart wurden. Dabei ging es um gestaffelte pro-Kopf Entschädigungen je nach Ausbildung und eine Kreditbewilligung über 200 Millionen DM.

Zu den hier fehlenden Jahren 1974 – 1977 können Interessierte online aus den Akten des Auswärtigen Amtes Aufzeichnungen verfolgen. So die Anmerkung der Legationsrätin Finke-Osiander am 9. April 1976 zu den stark sinkenden Aussiedlerzahlen (Akten 1976, S. 329, Anm. 7).

Zu einer völkerrechtlich verbindlicheren Abmachung kam es anlässlich des Besuchs von Kanzler Schmidt in Rumänien im Januar 1978. Die Konditionen dieses Vertrages, der zunächst ohne die Mitwirkung von Hüsch zustande kam, auch wenn ab Oktober 1978 die Ausführungsbestimmungen wieder auf den bewährten Kanälen geregelt wurden (das Schreiben von Hüsch an Martinescu , S.116), werden in ihrer Auswirkung von Hüsch negativ beurteilt. Darin wurden die gestaffelten Raten durch eine Pro-Kopf-Pauschale ersetzt, die nach Hüsch zu hoch ausfiel, und ein erheblich größerer Kreditrahmen vereinbart. Als zusätzliche humanitäre Geste durch Kanzler Schmidt kam es zur Schenkung einer Feuerwehrdrehleiter an Rumänien, als Beleg erscheint hier bei Hüsch ein Dokument über die Teilnehmerliste der Übergabezeremonie.

Hannelore Baier erwähnt die diversen Besuche von Schmidt, Brandt und Genscher, bei denen in bilateralen Gesprächen neben wirtschaftlichen Vereinbarungen auch über die Ausreise der Rumäniendeutschen gesprochen wurde. Aus den Akten zur Auswärtigen Politik von 1978 können hierzu die Ausführungen des Staatssekretärs van Well über die schwierigen Verhandlungen vom 16. Januar 1978 eingesehen werden, ebenso wie die Gespräche von Schmidt mit Ceauşescu, in denen letzterer sich grundsätzlich ablehnend bis ironisch über die Familienzusammenführung äußert. Zur Einschätzung der Situation in Rumänien gehören u. a. das katastrophale Erdbeben in Bukarest im Jahr zuvor und die Flucht von Ion Mihai Pacepa im Juli 1978, dem stellvertretenden Leiter des rumänischen Außennachrichtendienstes und persönlichen Berater Ceauşescus, was auf der rumänischen Seite zu einer anhaltenden Verunsicherung führte und sich belastend auf die Verhandlungen auswirkte.

Ein weiterer Komplex dreht sich um das „Dekret 402 vom November 1981“, das in Kompensation der Ausbildungskosten für jeden rumänischen Auswanderer 120.000 DM verlangte. Was natürlich in krassem Widerspruch zu den deutsch-rumänischen Vereinbarungen stand und nur mühsam in zähen Verhandlungen, die sich bis 1983 hinzogen, abgemildert werden konnte, wenn dies auch nicht ohne weitere finanzielle Zugeständnisse sowie Zinsvergünstigungen bei Krediten erreicht wurde. Seit 1982 ist in der deutschen Politik eine „Wende“ vollzogen. Bundeskanzler Kohl konnte nach einem dank der FDP-Stimmen erfolgreich durchgeführten konstruktiven Misstrauensvotum Helmut Schmidt als Kanzler ablösen. Die Beziehungen zur Bundesrepublik verlaufen relativ kontinuierlich, wofür die Staatsbesuche und Ministertreffen ein Beleg sind. Neben den periodischen Verhandlungen um Zahlungen und die Nichtanwendung des Dekrets 402 weisen die Dokumente jedoch auch auf weitere Sachverhalte hin. So führt Hüsch als Begründung für die zwingend notwendige Auswanderung seine Ausarbeitung über die gesetzliche Benachteiligung der Deutschen in Rumänien auf, die neben anderem aus den Deportationen, den Enteignungen, Verstaatlichungen, aber auch aus der Unterdrückung der deutschen Sprache bestand. Ergänzend können hier die Ausführungen von Baier über die Vorschläge zur Errichtung von Altersheimen anlässlich der Besuche des Bundespräsidenten Carstens nebst anderer Vorschläge, die eben auch den Deutschen in Rumänien eine Bleibeperspektive eröffnet hätten, erwähnt werden, was jedoch von Ceauşescu immer abgelehnt wurde.

Thematisiert werden auch die zusätzlichen Schmiergeldzahlungen, die vielfach besonders von den Banater Schwaben zur Beschleunigung der Ausreiseverfahren geleistet werden mussten. Beschwerden hierzu, die an die deutsche Botschaft gingen und einzelne Fallbeispiele, werden in einem Schreiben an den rumänischen Verhandlungspartner Andronic drastisch dargestellt. Beinahe schon Ironie, das Dokument über die Lieferung von Jagdwaffen für Ceauşescu nebst Familie.

Politische Konzepte für Erleichterungen der in Rumänien verbliebenen Deutschen, verbunden mit humanitärer Hilfe auch für die rumänische Bevölkerung, sind Gegenstand der persönlichen Überlegungen Hüschs 1987 zur politischen Einschätzung der Lage in Rumänien. Über die leider völlig erfolglosen Verhandlungen in diesem Sinne berichtet er in seinem Gedächtnisprotokoll zu den Unterredungen mit dem rumänischen Verhandlungspartner Dr. Anghelache.

Das Vor-Krisenjahr 1988 beinhaltete auf der Verhandlungsbasis für Hüsch insofern einen Höhepunkt, als er in Vorbereitung eines Gegenbesuchs von Kanzler Kohl in Rumänien in die Sondierungsgespräche unmittelbar inkludiert wurde. Dies bedeutete einen direkten Gesprächskontakt sowohl zu Kanzler Kohl wie zu den Ministern Schäuble und Zimmermann zur Abfassung eines Briefes, den Hüsch nun direkt und persönlich an Ceauşescu übermitteln sollte. Kernpunkt auf Seiten Kohls war die signifikante Erhöhung der Ausreisequoten, um zu einer „umfassenden und abschließenden Lösung“ zu gelangen, und dass die Lösung der humanitären Fragen Grundvoraussetzung für seinen Besuch darstelle. Laut Hüschs Gedächtnisprotokollen wurden jedoch sämtliche Ansinnen von Ceauşescu ablehnend beschieden. Die Verhandlungen für einen neuen Vertrag liefen dementsprechend weiter in den bewährten Bahnen mit Hüsch und Anghelache als Verhandlungsführer. Die ausführlichen Protokolle über die intensiven Verhandlungen zu einer erneuten mehrjährigen „vertraulichen Vereinbarung“ und ergänzend einer „speziellen Vereinbarung“, die zusätzlich die Zahlungen für Eisenbahnfahrtkosten beinhaltete, zeigen neben den verschiedenen finanziellen Problemen auch den hohen Stellenwert, den die rumänische Seite der Geheimhaltung dieser Verhandlungen nach wie vor beimaß.

Es folgt schließlich das Jahr, an dessen Ende der Sturz und die Hinrichtung Nicolae Ceau{escus steht. Laut den Schreiben von Hüsch an Anghelache und Ministerialrat Meiss-ner wurden die vierteljährlichen Zahlungen bis zur Mitte des Jahres nach einigen Unregelmäßigkeiten vertragsgemäß weitergeführt, ebenso liefen die Medikamentenlieferungen nach Siebenbürgen den Umständen entsprechend noch bis zum Oktober relativ reibungslos ab. Erst am 4. Dezember kommt es zu einer Vertragskündigung seitens Anghelaches, infolgedessen auch die Zahlungen von deutscher Seite aus eingestellt wurden. Es folgen Überlegungen und Besprechungen mit Bundeskanzler Kohl über die Lage in Rumänien und die deutsche Haltung zu weiteren Leistungen, die dann zunächst durch die historischen Ereignisse obsolet wurden. Als Nachsatz liefert Hüsch hier noch das Schreiben an Ministerialrat Meissner, in dem er ihn über ein Treffen mit dem ehemaligen Dolmetscher „Oprea“ alias Oprescu vom August des Jahres 1990 unterrichtet, der ihn kontaktierte, wohl um künftige Optionen unter nun veränderten Vorzeichen zu sondieren. Dabei informierte er auch über einige Interna der damaligen rumänischen Verhandlungsführung sowie über deren Beauftragte, insbesondere aber rückt er dabei die Verantwortung Ceauşescus für einzelne Entscheidungen sowie auch für die Verwendung von gezahlten Geldern in den Vordergrund.

Die hier aufgeführten Quellen und Dokumente sind ein beachtlicher Meilenstein in der Aufarbeitung dieses Kapitels der Aussiedlung der Deutschen aus Rumänien. Sicher wird die zukünftige Freigabe weiterer Akten z. B. des Auswärtigen Amtes, aber auch anderer Ministerien und Behörden, sowohl von rumänischer als auch deutscher Seite, hier weitere Lücken schließen.