Bilder aus dem Zeitgeschehen während der Weimarer Republik

Fotografien von Willy Römer in Bukarest ausgestellt

Hat Willy Römer was mit Rumänien zu tun? Zum ersten Mal kann das Bukarester Publikum dies überprüfen, und zwar im Stadtmuseum Bukarest (Bd. I. C. Brătianu 2, Palatul Şuţu). Die Bilder des Fotografen Römer haben uns viel über das Zeitgeschehen in der Weimarer Republik zu erzählen, war er doch ein Spitzen-Pressefotograf und seine Presseagentur „Photothek Römer & Bernstein“ eine der besten in Berlin in der Zeit von 1920 bis 1935. Es stellt sich allerdings die Frage, welche weiteren Qualitäten seine Arbeiten haben. Die zeitgeschichtlichen, sozialdokumentarischen, ästhetischen u. a. Aspekte gilt es zu entdecken.

1887 geboren, genoss Römer eine solide fotografische Ausbildung bei der ersten Berliner Presseagentur ab 1903. Im Ersten Weltkrieg dokumentierte er Schtetl-Leben an der Ostfront, aber auch das Leben in Städten wie Warschau (1916). Die Ausstellung in Bukarest zeigt Fotos aus Berlin in der Zeit von 1918 bis 1933.

Römer ist ein handwerklich exzellenter Fotograf und es gelingt ihm, kleinste Details und spezifische Texturen einzufangen. Schauen Sie sich nur das Foto mit dem Motorradverkäufer genauer an! Es muss allerdings gesagt werden, dass manche Fotos gestellt sind, die Leute halten also still, um fotografiert zu werden, versuchen dabei aber möglichst natürlich zu wirken. Schließlich benutzte Römer ein recht sperriges Aufnahmegerät mit Negativen auf Glasplatten. Seine Werke bleiben voller interessanter Details, für die es sich lohnt, die (eintrittsfreie!) Ausstellung mehrmals zu besuchen!

Dahingegen ist die Hängung im Bukarester Stadtmuseum dürftig. Der Raum wirkt beengend und mit Stellwänden kann viel mehr erreicht werden. Es werden wohl denkmalschützerische Gründe gewesen sein, die zum Aufstellen der Stellwände direkt vor die Wände geführt haben.

Leider fehlt insgesamt eine Kontextualisierung. Es ist nämlich nicht egal, ob das Publikum Zusatzinformationen darüber bekommt, wer da auf wen, von Papierballen gedeckt, schießt. Wenn man wüsste, dass dort im Foto die SA vor dem Hauptsitz der KPD marschiert, der aussieht wie ein besetztes Haus im heutigen Berlin, dann würde mehr junges, engagiertes Publikum angesprochen werden. Überhaupt geben die Bilder viel Sensationelles her und es ist leicht, dieses publikumswirksam zu aktivieren. Die Bilder setzen Denkvorgänge in Gang und ohne klärende Zusatzinformation spielen Vorurteile hinein. Bei den hitzigen Diskussionen um die „historischen Wahrheiten“ in Rumänien, fehlten uns gerade noch vorurteilsbeladen interpretierte Bilder der Berliner Geschichte! Es sollte z. B. auch dringend näher erläutert werden, was genau unter „Schundliteratur“ im Jahre 1922 verstanden wurde.

Selbstverständlich wäre es toll, ähnliche Bilder des Stadtlebens aus dem Bukarest der Zwischenkriegszeit aufzutreiben. Die Möglichkeit aber, Parallelen zu hiesigen historischen Zeitdokumenten über unterschiedliche Ansätze zu finden, ist eine große Chance dieser Ausstellung. Die Novemberrevolution z. B. und der anschließende Spartakusaufstand ist auch für Bukarester interessant, finden sich doch Parallelen zur Revolution im Dezember ’89 und den sogenannten Mineriaden, den gewalttätigen Aktionen der Bergarbeiter aus dem Schiltal, im Juni 1990, vor genau 24 Jahren also.

Die vom Goethe-Institut vermittelte Ausstellung ist mit Sicherheit ein außergewöhnliches Ereignis. Kann sie jedoch zu einer ortsrelevanten Ausstellung werden? Das hängt davon ab, ob z. B. die Bilder – real oder virtuell – in der kurzen Zeit, die diese in Bukarest verweilen (vier Wochen, bis 4. Juli), in ein Gespräch mit hiesigen Fotos treten oder nicht. Wir wünschen dazu gutes Gelingen!