Bunt beschirmt durch ein leuchtendes Kulturhauptstadtjahr

Das neue Deutsche Jahrbuch 2024 ist da!

Das Jahrbuch 2024 wird an unsere treuen Leser der ADZ als Abo-Prämie versandt. Interessenten für das Jahrbuch melden sich bitte in der Redaktion unter aboservice@adz.ro oder Tel. +40 (0) 21 317 89 18 (rumänisch) bzw. +40 (0) 21 317 89 16 (deutsch). Postabonnenten bitten wir um die elektronische oder postalische Zusendung der Kopie des Einzahlungsbelegs.

Unter bunten Sonnenschirmchen eröffnet das schmucke Paar des Jugendtrachtenvereins „Rosmarein“ den Rückblick auf ein fulminantes Kulturhauptstadtjahr. Temeswar läuft im Deutschen Jahrbuch diesmal allen anderen Themen den Rang ab: Zu gern erinnern wir uns an Brauner und Brâncuși, an die Neuweihe der restaurierten Sankt-Georgs-Kathedrale, an das Lichterfestival, an die Ulmer Schachtel  mitten auf dem Domplatz während der Heimattage  der Banater Deutschen – und viele andere Herzensmomente, die Fotograf Zoltan Pazmany in zwölf Kalenderbildern meisterhaft eingefangen hat. Die europäische Kulturhauptstadt 2023 soll auch 2024 weiter leuchten... 

.... und nachleuchten beim Erinnern und Durchblättern dieses Jahrbuchs. Lichtvolle Momente haben wir nötig, denn 2024 erwartet uns ein düsteres Jahr, befürchtet Dr. Paul-Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) in seinem Vorwort: Immer noch Krieg in der Ukraine, Krieg im Gazastreifen, fortgesetztes Säbelrasseln an allen Ecken und Enden mit Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, hinzu kommen Europawahlen und hierzulande Lokalwahlen, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. „Hoffen wir, dass die demokratischen Kräfte die Oberhand bewahren“, wünscht er uns allen. 

Politische Highlights der bilateralen Beziehungen

An drei politische Highlights hingegen erinnert der deutsche Botschafter in Bukarest, Dr. Peer Gebauer: die Rumänien-Besuche des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und von Bundeskanzter Olaf Scholz, der Berlin-Besuch von Premier Marcel Ciolacu. Sie haben die enge Beziehung unserer Länder weiter vertieft. 

Im ersten Kapitel „Im Dienste der Gemeinschaft“ findet der Abgeordnete der deutschen Minderheit, Ovidiu Ganț, kritische Worte im Interview mit Hannelore Baier: zum anhaltenden Koalitionszoff, der „Wind in die Segel der populistischen und xenophoben Partei AUR“ bringen wird, eine seiner Sorgen für die Wahlen 2024. Zu der kaum vorhandenen Unterstützung, um nicht zu sagen Sabotage, der Regierung am Kulturhauptstadtprojekt. Zum neuen Unterrichtsgesetz, große Fortschritte seien nicht zu erkennen, wesentliche Probleme blieben ungelöst. Zu den Highlights gehört die Berlin-Reise des rumänischen Premiers, mit Ganț als Delegationsmitglied, direkt nach dem Besuch des Premiers in Chișinău – „ein starkes politisches Signal in Richtung Europäische Union, aber auch NATO“, meint er. 

Von leuchtenden Menschen und zu beleuchtenden Fragen

Von der Politik wechseln wir auf andere Menschen im Dienst der Gemeinschaft: Hannelore Baier erzählt die bewegende Geschichte von Ortrun Rhein, Leiterin und gute Seele des Altenheimes sowie der beiden Hospize des Dr. Carl-Wolff-Vereins in Hermannstadt/Sibiu. Nicht umsonst stand die warmherzige ehemalige Kindergärtnerin und studierte Theologin neben 13 Kandidaten in der Auswahl des vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen (TVR1) ausgeschriebenen Wettbewerbs „Mensch des Jahres 2023“. Weiter geht es mit dem Vortrag von Adalbert Csaszar zum Schwabentreffen in Turterebesch; Aurelia Brecht plaudert mit drei evangelischen Pfarrerinnen – Angelika Beer (Malmkrog), Elfriede Dörr (Beauftragte der EKR für Ökumene und Fortbildung) und Hildegard Depner-Servatius (Mediasch) – über ihren Beruf, ihre Berufung und Erfahrungen in einem Amt, in dem es an weiblichen Vorbildern eher mangelt. Dieter Drotleff folgte dem Kronstädter Pfarrer Danielis Mare auf seinem Weg von der Elektrotechnik zur Seelsorge. Vom geistigen wechseln wir dann in den schulischen Bereich: Gabriela Rist lässt mit Alexandru Szepesi, dem Leiter der Direktion für Minderheitenschulwesen im Unterrichtsministerium, dessen Laufbahn und Herausforderungen im Amt revuepassieren. Andreea Goța, Deutschlehrerin mit Leib und Seele und stellvertretende Leiterin der Temeswarer Lenau-Schule, deren 150. Jubiläum im letzten Jahr (nach)gefeiert wurde, bekennt gegenüber Andreea Oance, die Schule sei ihr „wahres Zuhause“. Über lebendige Schultraditionen plaudert der Direktor des Johannes Honterus Nationalkollegs in Kronstadt mit Laura Căpățână Juller. 

Gedanken zu der Frage, wie Presse am besten in den Dienst der (deutschen) Gemeinschaft zu stellen sei, beleuchen am Schluss des Kapitels Klaus Philippi und Nina May.

Durch Städte, Dörfer und Zeiten

Im Kapitel „Aus Stadt und Land“ führt Werner Kremm durch Reschitza, das ehemalige Herzstück der rumänischen Schwerindustrie, vom unaufhaltbaren Abstieg bis zum Bemühen, sich ständig neu zu erfinden. Die Projekte des großen Temeswarer Architekten Hans Fackelmann beleuchtet Raluca Nelepcu. Mit der „Rosenauer Erfolgsstory“ – die des Landwirts Eugen Truetsch, erzählt von Ralf Sudrigian, wechseln wir aufs Land. Über einen Dorfarzt im Harbachtal zu Zeiten Ceaușescus geht es im Beitrag von Kurt Thomas Ziegler und das Porträt der Hermannstädter Landschaftsmalerin Silvia Porsche-Togan zeichnen Cristiana Scărlătescu und Elena Porsche. Große Träume verfolgt – zurück in der Stadt – Andreea Dincă, die Leiterin des Rumänischen Kulturinstituts in Wien, wie sie Andreea Oance verrät. 

Reisend geht es weiter mit Ursula Philippi und Katja Kamp, die „drei Tage wie im Roman“  in Temeswar erleben; Dagmar Dusil führt durch „Hermannstadt mit allen Sinnen“; und über eine himmelschreiende Ungerechtigkeit gegenüber Rumänen im Zug von München nach Hamburg befragt Karin Gündisch ihr Gewissen: hätte man eingreifen müssen? Das Kapitel klingt mit der wahren Geschichte von Horst Peter Hanns „Onkel Emil“ aus, ein illustrer „Zahnkünstlers“, der selbst nach seiner Rückkehr von der Russlanddeportation, wo er beinahe verhungert wäre, „vom gebratenen Hähnchen nur die Brust aß“... 

Vorhang auf für – Temeswar!

In das dritte Kapitel führt Raluca Nelepcu ein: die Kulturhaupstadt im Überblick. Werner Kremm teilt seine Erlebnisse zum Auftritt des großen Philosophen Peter Sloterdijk, den er begleiten und simultanübersetzen durfte – musste – konnte! Im Interview von Elise Wilk mit Stadtschreiber Thomas Perle wird auch der „Skandal“ aufgegriffen, der uns veranlasst hat, in der ADZ eine Online-Umfrage zum Thema Umgang mit Brauchtum durchzuführen... Mit fünf Nobelpreisträger-Gästen stellt Ștefana Ciortea-Neamțiu den gewichtigen Beitrag der Temeswarer Westuniversität zum Kulturhauptstadtjahr vor. Als „barockes Juwel“ mit „vielen Geschichten“ präsentiert Diozesanarchivar Dr. Claudiu Călin die Sankt-Georgs-Kathedrale am Domplatz in Temeswar durch Raluca Nelepcu. Auch die seit 31 Jahren im Banat existierende Österreich-Bibliothek lernen wir im Gespräch von Raluca Nelepcu mit deren Leiterin, Prof. Dr. Roxana Nubert, kennen. Andreea Oance rundet das Bild von Temeswar ab mit der Vorstellung des Buchs von Cristian Viscol: „Eine kurze Geschichte von Temeswar bis 1716“. 

Auf der vergeblichen Suche nach Herta...

Fünf Nobelpreisträger – aber keine Herta Müller zum Kulturhauptstadtjahr in Temeswar. Diese bleibt ihrer alten Heimat hartnäckig fern, weswegen man sie suchen musste. Ein Film ist das Ergebnis, über „The making of“ interviewte Ștefana Ciortea-Neamțiu Brândușa Armanca. 

Dafür dürfen wir dank Erhard A. Berwanger erst in die Vergangenheit und dann in die Zukunft der Kulturhauptstadt 2023 eintauchen: Er hat die charmante Science-Fiction Geschichte, „Temeswar im Jahre 2069“, im Sommer 1869 in der „Temesvarer Zeitung“ erschienen, für das Jahrbuch entdeckt und aufbereitet.

Weiter geht es im Kapitel „Lesen, Literatur und Literaten“ mit dem 90 Jahre alt gewordenen Schriftsteller-Pfarrer Eginald Schlattner, der mit Thomas Wagner „über Geheimdienst-Knast, leere Kirchen und viel Schriftstellerei neben der Theologie“ plaudert – und verrät: er müsse mindestens 120 werden, „weil bei jeder Geschichte, an der ich arbeite, Gefahr besteht, dass ein Roman draus wird.“ 

Einen Briefwechsel mit Hans Bergel zu einer „zeitgeschichtlich interessanten Begebenheit im Bukarest der 1950er Jahre“ teilt Wolfgang Wittstock unter dem vielversprechenden Titel „Dejs zunächst finstere Miene entspannte sich...“: Gheorghe Gheorghiu-Dej.

„Rätselhaft wie der Schnee“ mutet der Todesfall einer aus Czernowitz/Cernăuți stammenden Buchenländerin in Kronstadt/Brașov an, den Joachim Wittstock im Fragment seiner romanhaften Chronik „Das erfuhr ich unter Menschen“ aufrollt. 

Wir bleiben noch im Kommunismus: Auf die Frage ihrer Tochter, „Wie war deine Kindheit?“, antwortet Krisztina Molnar in „Die Farbe der Hausschokolade“ mit: grau, schwarz-weiß, grün, rot-gelb-blau. Aus der Kindheit erzählt auch Balthasar Waitz, der als Knirps nicht darum herumkam, „mit den Sekundaten zu gehen“, aus Furcht vor seiner dicken Tante.

„Diese Welt ist widersprüchlich“ und mehrdimensional, muss Helena Haid nach dem Interview mit der österreichischen Autorin Lisa Spalt erkennen. Dietfried Zink spinnt einen nicht minder philosophischen Faden mit der Geschichte von Frau Wahrheit und Herrn Lüge. Zehn Netze muss Matthias Buth auswerfen auf der Suche nach der Frage, was ihm die ADZ bedeutet, die 2024 ihr 75. Jubiläum feiert: 1. die Zeitung als Floß, 2. „Noch da“,  3. die Zeitung als Geliebte, ..., bis 10. „Danubien ist Rumänien“. 

Von der „Erdhaufenphilosophie“ über „Wahrnehmungsfilter“ bis zu „Fleißig und blöd?“ - keine Glosse ist der Germanistin Prof. Dr. Mariana-Virgina Lăzărescu entgangen, die sich einer ausführlichen Analyse den humoristischen interkulturellen Alltagserlebnissen von Nina May widmet, die man mit einem einzigen Spruch zusammenfassen kann: „Das gibt’s doch gar nicht!“ – Eben doch.

Schwätzen, Schmunzeln, Natur und Rätselraten...

„Mit schwätzet nou schwoabisch“, weiß Arthur Glaser aus Beschenred, einer kleinen Sprachinsel im Sathmarland, zu berichten. Weiter geht es im Kapitel „Heimat, Brauchtum und Mundart“ mit Anton Sterbling unter dem Nussbaum, sprachwissenschaftlich mit Sigrid Haldenwang durch die sächsische Fastnacht mit Fasten und Aberglauben, bis zum großen Schmunzeln in der banatschwäbischen Mundartecke: „Drei Nachbarsmädchen“ (Rainer Kierer), „Abzusaan, des war e Schand“ und „Dalli, geger die Bahn“ (Helen Alba), „Mei Oma“ (Amalia Singer), „Off Kur“ (Niki Schmidt) und „De Laafgrawe“ (Nikolaus Tullius).

Die Sprach- und Schmunzelecke verlassen wir mit einem Spaziergang durch Temeswar, auf dem Ștefana Coirtea-Neamțiu bemerkenswerte alte Bäume vorstellt. Einen Fischfresser, den nicht alle lieben, präsentiert, vor allem fotografisch, Dr. Klaus Fabritius im Donaudelta.
 
Rätselnd verlassen wir das Jahrbuch mit Ovidiu Șperlea: „Ich hätte gerne eine grüne Deutschlandflagge.“– „Die gibts nur in Schwarz-Rot-Gold.“ – „Okay, dann nehme ich eine goldene.“ Wie’s weitergeht? Nicht raten – Jahrbuch bestellen und hinein ins Lesevergnügen!