Das Bild der Kirchenburgen Siebenbürgens

Fotoausstellung „Der befestigte Glaube“ in Hermannstadt

Die Kirchenburgen Siebenbürgens haben im letzten Jahrhundert viel an symbolischer Bedeutung gewonnen. Ihre Einmaligkeit wurde oft betont, bis der Historiker Michael Kroner in einem vielbeachteten Aufsatz diese viel gepriesene Einmaligkeit relativiert hat. Er hat die Aufforderung ausgesprochen, die siebenbürgischen Kirchenburgen und Wehrkirchen im europäischen Kontext wahrzunehmen und die Gemeinsamkeiten dieser Bauten wissenschaftlich herauszuarbeiten. Die Wissenschaftler Siebenbürgens haben die Kirchenburgen relativ früh wahrgenommen. Durch die Publikation ihrer Aufsätze in vielen europäischen Verlagen, so 1857 Friedrich Müller in Wien oder Victor Roth 1905 in Straßburg, wurde sehr oft der Begriff Kirchenburg europaweit mit Siebenbürgen verbunden.Wenn sich Müller für die Illustration der Bauwerke noch der präzisen Zeichnung bedienen musste, konnten die nachfolgenden Publikationen mit hervorragenden „Lichtbildern“ aufwarten. Die Fotografie wurde für wissenschaftliche Zwecke als Dokumentation der Architektur entdeckt und eingesetzt. Einen regelrechten Triumphzug führten Anfang des 20. Jahrhunderts die Foto-Mappen von Emil Sigerus, die in mehreren Auflagen die siebenbürgischen „Kirchenkastelle“ einem breiten europäischen Publikum bekannt machten.

In seinem Vorwort betont Sigerus, dass es „nicht der »Zahn der Zeit« ist, der das Aussehen der Kirchenburgen verändert und die Zeugen der Vorfahren zerstört, vielmehr tun dies Menschenhände, denen die ehrwürdigen Wahrzeichen einer ruhmvollen Vergangenheit leider allzu oft im Wege stehen!“ Heute wissen wir und bedauern es, dass manch ein Stadttor der Straßenbahn weichen musste, und aus den Steinen der Kirchenmauer die neue Schule gebaut wurde.Große Verbreitung fand in der Reihe der „Blauen Bücher“, 1941 in Leipzig gedruckt, „Siebenbürgen und seine Wehrbauten“ von Heinrich Zillich. Das Fotomaterial stammte größtenteils von Emil Fischer, Karl Ernst Krafft und Oskar Netoliczka. Der Text der Publikation vermittelt ein einseitiges Bild Siebenbürgens als „Festung Europas“, stark geprägt durch die Ideologie der Zeit.

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben rumänische Autoren mit großem Einsatz das Bild der Wehrkirchen und Kirchenburgen dem rumänischen Publikum nahegebracht. George Oprescu betonte 1957 die „Einmaligkeit“ der sächsischen Kirchenburgen und Ovidiu Velescu schreibt 1964 über die Bauernburgen in Transsilvanien und verwendet als Illustration die Fotografien von Josef Fischer.Den Reigen der Kirchenburg-Illustratoren übernimmt ab 1970 die Malerin, Ethnographin und Kunsthistorikerin Juliana Fabritius-Dancu. Sie hat durch ihre Aquarelle in einmaliger Weise das kulturelle Erbe der Siebenbürger Sachsen dokumentiert und dadurch das Bild der Kirchenburgen ins Gedächtnis der Menschen eingeschrieben. In 15 Bänden des vom „Neuen Weg“ herausgegebenen Reiseführers „Komm mit“ haben ihre Aufsätze und Aquarelle über 100 siebenbürgisch-sächsische Kirchenburgen vorgestellt. Als Krönung ihrer Tätigkeit konnte Juliana Fabritius-Dancu 1980 bzw. 1983 die großformatige Mappe „Sächsische Kirchenburgen in Siebenbürgen“ im Verlag der Zeitschrift „Transilvania“ in Hermannstadt veröffentlichen.

Ihre leuchtenden Aquarelle bleiben somit unvergesslich.Die schwarz-weißen Kirchenburg-Holzstiche des Kronstädter Malers und Grafikers Helfried Weiß waren ein willkommenes Pendant zu den farbigen Darstellungen und ergänzen die künstlerische Sicht auf die Tradition.In der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts und bis heute hat die Fotografie fast ausschließlich die Wiedergabe der Kirchenburgen übernommen. Einen besonderen Verdienst hat Martin Eichler. Seine perfekten Farbbilder versüßen vielen Ausgewanderten das Bild der zurückgelassenen Heimat. Alle diese Bilder, speziell die der Kirchenburgen, wurden bewusst oder unbewusst gesehen und gespeichert. Immer spielte dabei die Tradition eine große Rolle. Oft waren neben den Bauten, die das Dorf prägen, auch Menschen in Tracht, junge und alte, dabei. So ritualisiert sich eine gewisse Wahrnehmung von Objekten.Durch die Öffnung Rumäniens wurden plötzlich Künstler aus dem Ausland, auch Fotografen, auf eine gewisse Exotik des Landes aufmerksam. Sie haben aber einen anderen, fremden Blick. Sie kennen nicht immer das über ein Jahrhundert lang ritualisierte Betrachten der Sehenswürdigkeiten. So auch der Berliner Fotograf Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen van Buer. Drei Reisen hat er nach Siebenbürgen unternommen und die Kirchenburgen fotografiert.

Sein fotografischer Blickwinkel, geschult an den Bauten Syriens oder an der Alhambra in Granada, ist ein ausschließlicher Kunst-Blick. Seine Aufnahmen wollen nicht anklagen, wollen den Verfall der Steinzeugen einer vergangenen Geschichte nicht dokumentieren. Jürgen van Buer will nichts dergleichen. Sein Blick ist vorurteilsfrei. Jürgen van Buers erste Ausstellung mit „Kirchenburgen in Siebenbürgen“ erfolgte in Dinkelsbühl 2016. Er hat ein Ausrufezeichen gesetzt. So hat noch niemand diese „Einmaligkeit“ abgelichtet. Es folgen Ausstellungen in Nürnberg, Regensburg, in München im Generalkonsulat von Rumänien und auf Schloß Horneck. Die Presse wird aufmerksam und berichtet öfters über „die neue Sicht auf das Alte“2018 haben Jürgen van Buer und Josef Balazs einen beachtlichen Bildband „Befestigter Glaube - Kirchenburgen in Siebenbürgern“ herausgegeben. Die „Siebenbürgische Zeitung“ urteilte, „mit diesem Buch haben Jürgen van Buer und Josef Balazs ein Opus Magnum zusammengestellt. (...) Es sind einzigartige Fotografien, die so noch nie da waren“.Im November 2018 stellt Jürgen van Buer eine außergewöhnliche Auswahl seiner Kirchenburgen-Fotografien in Hermannstadt im Teutsch-Haus aus. Die von Josef Balazs kuratierte Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft Bischofs Reinhart Guib und wird durch das Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt unterstützt. Die Leiterin des Teutsch-Hauses, Frau Gerhild Rudolf, betont, dass durch diese Ausstellung – im Europäischen Kulturerbejahr – ein bedeutsamer Aspekt unseres lokalen Kulturerbes künstlerisch ins Licht gerückt wird: die siebenbürgischen Kirchenburgen.

Die Ausstellung wird am Donnerstag der nächsten Woche, am 15. November 2018, um 17 Uhr im Terrassensaal des Friedrich-Teutsch-Hauses eröffnet.