Gesammelte darstellende Czernowitz-Erinnerung

Großer zweisprachiger Kunstbildband von Historiker Dr. Sergij Osatschuk und Kunsthistorikerin Tetyana Dugaeva

Ölgemälde von Constantin Flondor (2010): Blick auf die Czernowitzer Altstadt

Lithografie von Franzischek Liebisch (1861): erste Steinkirche der evangelischen Gemeinde A. B. Czernowitz

Die früheste bekannte bildliche Darstellung der evangelisch-deutschen Pfarrkirche in Czernowitz/Cernăuţi in einem Umfeld, wie man es sich heute im verbauten Stadtkern kaum vorstellen kann, stammt aus dem neuen und bisher größten Kunstbildband über Czernowitz, der zu Weihnachten gedruckt und geliefert wurde: „Cernivcy - Czernowitz“. Der Bildband ist ein verlegerisches Ereignis wie auch ein historisches Werk zur Urbanisierung der Stadt, nachvollzogen durch graphische und künstlerische Reflexionen, eine „Bilderreihe“ zur Entwicklung des Dorfes am Pruth zu einer modernen europäischen Stadt mit ausstrahlendem Zentrumscharakter.

Der zweisprachige Band (ukrainisch-deutsch) wurde vom Historiker Dr. Sergij Osatschuk und von Tetyana Dugaeva erstellt und bietet einführend einen erläuternden Text dieser bekannten Kunsthistorikerin, Begründerin des Kunstmuseums der Stadt vor 30 Jahren (1988) und langjährigen Direktorin, sowie einen einschätzenden Beitrag des Autors und guten Czernowitz-Kenners Raimund Lang (Salzburg/Hamburg).

Die hier abgebildete Lithographie auf Papier aus dem Jahre 1861 stammt von einem nicht näher bekannten Künstler (so im Buch) und zeigt die 1849 unter Pfarrer Johann G. Jenkner (aus Dornfeld/ Galizien gebürtig) eingeweihte erste Steinkirche der evangelischen Gemeinde A. B. Czernowitz (mit Vororten). In der Zwischenzeit konnte die Mitautorin Dugaeva den Künstler identifizieren: Franzischek Liebisch, Inhaber einer lithographischen Anstalt in Prag.
Es war ein Prestigebau jener Zeit für die Landes-Hauptstadt, um den sich später das evangelische Zentrum entwickelte. Die hohe Saalkirche zeigt ihre dekorative Westseite mit dem Eingangsportal und dem zweiteiligen Giebelwerk darüber, sowie den Turm über der Hauptachse (noch ohne Turmuhr).

Gut sichtbar sind die jeweils fünf hohen Seitenfenster, die oben rundbogenartig abgeschlossen sind. Es war dies die evangelische Stadtpfarrkirche bis zur Umsiedlung der Buchenlanddeutschen im Spätherbst 1940 (links der damaligen Residenzgasse, heute Universitäts-Str.). Unter allen lutherischen Gotteshäusern in der Bukowina wurde dieser evangelische Sakralbau von der Turmhöhe her nur von der Pfarrkirche der evangelischen Gemeinde Illischeschtie/Ilişeşti, unweit der Stadt Suceava, im Süden des Buchenlandes überragt. In dieser Kirche wirkten mehrere Stadtpfarrer, die aus Siebenbürgen stammten - ab 1879 Karl Josef Fronius, Ehrenbürger von Czernowitz, zuletzt Dr. Wilhelm Arz, Umsiedler, später in Ost-Berlin - wie auch der spätere evangelische Bischof (1932-1941) der Landeskirche der Siebenbürger Sachsen, Dr. Viktor Glondys, der an der Universität Czernowitz habilitiert hatte.

Initiator Osatschuk wusste wo und was zu suchen und zu finden ist, denn viele der frühen Abbildungen sind in den grundlegenden alten Bukowina-Veröffentlichungen erschienen, vor allem in der weniger bekannten ersten illustrierten „Geschichte von Czernowitz“ (Festschrift, Hochglanzpapier, Czernowitz 1908, 232 S., DIN A4, 103 Abbildungen), die der Bukowiner Historiker Prof. Dr. Raimund Friedrich Kaindl, der „Karpatendeutsche“, aufgenommen hatte. Aber auch die großen frühen Künstlermappen – die von Franz Xaver Knapp im Bestand der Rumänischen Akademie Bukarest oder die spätere von Oskar Laske – waren Dr. Osatschuk bekannt. Des Weiteren stellten ein Dutzend Institutionen und Privatpersonen für den Bildband Quellenmaterial zur Verfügung. Hervorzuheben sind die erstmals veröffentlichten Farbentwürfe für den bekanntesten Bau der Stadt, die erzbischöfliche Residenz, vom Wiener Chefarchitekten Josef Hlavka aus dem Fonds des Technischen Museums Prag. Der Großteil der erfassten Arbeiten aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg befindet sich im reichen Bestand des Czernowitzer Kunstmuseums.

Wie in der Dokumentation zu „Literaturstadt Czernowitz“ von Dr. Peter Rychlo (Czernowitz 2009), ist es den Herausgebern gelungen, auch die ethnische Zusammensetzung der Welt der bildenden Künstler dieser Stadt über die Jahrhunderte mit darzustellen: ein Armenier, zwei Tschechen, mehrere Deutsche, Österreicher, Polen, Rumänen, Juden, Russen, Ukrainer und Ungarn.

So zeigt die zweite hier reproduzierte Darstellung ein bekanntes Panorama, den „Blick auf die Stadt“ von der Weinbergstraße her, aber in der eigenwilligen Farbgebung des rumänischen Künstlers Constantin Flondor, der am 16. Dezember 1936 dort geboren wurde. Das Motiv Gesamtansicht der Altstadt von oben findet sich sehr häufig, wie bei den Fotografen oder als frühes Ansichtskartenmotiv. Flondor, der als Kind wohlhabender Gutsherrn-Eltern (bessarabische Flondor-Linie) nach zweimaliger Flucht während des Zweiten Weltkrieges mit der Familie in Temeswar/Timişoara im Banat seine neue Heimat gefunden hat, legt der Altstadt jedoch auf seiner Leinwand (Ölgemälde) aus dem Jahre 2010 ein monotones Patina-Farbkleid über, das aus dem Auge und Herzen des reifen Malers und Kunsterziehers kommt, der sein Heimweh bis ins hohe Alter mitgetragen hat. Sein Bild-Blick über die Stadt hinaus - der Turm mittig links ist die ehemalige evangelische Kirche - bis zum Cecina-Berg am Horizont lässt keinen Raum für Farbexplosionen, wie bei der jüngeren Generation Czernowitzer Maler, die in den Bildband aufgenommen wurden.

Gefördert wurde die Herausgabe des Bildbands durch das österreichische Bundesland Kärnten (Partnerschaft mit Czernowitz) und unterstützt von der Österreichischen Nationalbibliothek Wien.

Cernivcy - Czernowitz, Knyhy XXI-Verlag, Cernivcy 2017, ISBN 978-617-614-185-3, 362 Seiten, über 400 Reproduktionen, Preis 25 Euro plus Porto.