Geschichte Südosteuropas in 603 Artikeln

In der Neuausgabe des „Lexikons zur Geschichte Südosteuropas“ nehmen Siebenbürgen und Rumänien breiten Raum ein

„Lexikon zur Geschichte Südosteuropas“. Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage 2016, für das Institut für Ost- und Südost-europaforschung hg. von Holm Sundhaussen u. Konrad Clewing, geb., 1102 S., 10 Karten, ISBN 978-3-205-78667-2

Zwölf Jahre nach der ersten Auflage von 2004 ist nun das renommierte „Lexikon zur Geschichte Südosteuropas“ in einer erweiterten und aktualisierten Ausgabe neu erschienen. Die schnell zum Standardwerk avancierte Enzyklopädie wurde damit als Projekt des Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung und des Böhlau-Verlags gleichermaßen fortgesetzt wie fortgeschrieben.

Das für die Südosteuropaforschung und an der gesamten Region, ihrer Geschichte, Politik und Kultur und ihren Ethnien Interessierte genauso wichtige wie unverzichtbare Werk ist nun – auch mittels 61 neuer Stichwörter – noch einmal deutlich ausgeweitet worden und dadurch noch informativer und breiter angelegt als bisher. Manche thematische Lücke wurde dabei geschlossen. Auch in der Neuausgabe werden Rumänien und Themen aus dem Umfeld der deutschen Siedlungsgebiete in Siebenbürgen, dem Banat, der Bukowina, der Dobrudscha und Bessarabien ausführlich behandelt.

Völlig zu Recht halten die beiden Herausgeber dieser Neuausgabe, Holm Sundhaussen und Konrad Clewing, in ihrer Einleitung fest: „Die Kenntnis der südosteuropäischen Vergangenheit trägt nicht nur zum besseren Verständnis der Region bei, sondern ist auch angesichts der europäischen Integration nötiger denn je.“ (S. 7). Dass sich Forschungen, Forschungsthemen und -interessen weiterentwickeln und auch immer wieder neue Fragestellungen aufgreifen, wird in den Beiträgen deutlich, die in dieser Ausgabe neu aufgenommen wurden.

Zu den neuen Stichwörtern zählen unter anderem Artikel zu Städten wie Belgrad, Jassy/Iaşi oder Prishtina und wichtige alltags- und sozialgeschichtliche Fragen (z. B. Eliten, Verwandtschaft, Urbanisierung), aber auch politische Themen und Strömungen (z. B. Erinnerungskultur, Sozialismus, Kommunismus, Stalinismus) und auch grundlegende Übersichten (z. B. Balkanologie, Rechtsgeschichte, Rechtskulturen). Die mitwirkenden 72 Autorinnen und Autoren sind allesamt ausgewiesene Experten ihres Fachs, die ein breites Spektrum geografischer, historischer, methodischer und thematischer Schwerpunkte garantieren.

Von den Karpaten bis zum Mittelmeer, von der Slowakei bis Zypern gibt dieses Lexikon in nunmehr insgesamt 603 Einträgen von „Absolutismus, Aufgeklärter Absolutismus“ bis „Zypern“ Auskunft über Raumbegriffe, Völker, Religionen, Staaten, Gesellschaften, Recht, Wirtschaft, Kultur und über zentrale historische und politische Prozesse und Strömungen, Ereignisse und Entwicklungen in der Region vom Ende der Antike und dem frühen Mittelalter bis zur Gegenwart. Es entsteht eine Geschichte Südosteuropas in 603 Artikeln.

Rumänien und die deutschen Siedlungsgebiete werden ausführlich berücksichtigt. So gibt es unter anderem Beiträge über Aromunen und Istrorumänen, die Münzen Ban und Leu, das Banat, Bessarabien, Bukarest, das Burzenland und Czernowitz, die Donaufürstentümer Walachei und Moldau, die Maramuresch, die Eiserne Garde, und selbst Dracula. Alte Völkerschaften wie Kuruzzen, Kumanen und Tataren, die in der Geschichte der Regionen Rumäniens ihre Spuren hinterlassen haben, kommen ebenso in eigenen Beiträgen zur Sprache wie die Vielvölkerstaaten des Osmanischen Reiches und des Habsburgerreiches, die sowohl in eigenen Artikeln ausführlich behandelt werden, als auch in den Beiträgen zu Rumänien mit allen historischen und politischen wie auch ökonomischen und religiösen Verflechtungen thematisiert werden. Den Siebenbürger Sachsen, den Széklern und dem Széklerland, den Walachen/Vlachen und Zigeunern sind je eigene Beiträge gewidmet, ebenso dem rumänischen Herrscherhaus von Hohenzollern-Sigmaringen und dem Horea-Aufstand.

Die aus dem ersten Band übernommenen Texte und die entsprechenden Literaturangaben wurden unter Berücksichtigung des jüngsten Forschungsstands sorgfältig aktualisiert. Damit wird auch die Verwendbarkeit des Lexikons in Forschung und Lehre noch verbessert. Das intensive Verweissystem zwischen den Lemmata wurde noch weiter verdichtet. Neu hinzugekommen sind zehn teilweise farbige Karten (S. 30-40) und ein umfangreiches Orts- und Sachregister (s. 1073-1102). Dies und die Ortsnamenkonkordanz (S. 1069-1072) sind sehr hilfreich und erhöhen die Benutzerfreundlichkeit.

Dem Ziel und Anliegen der Herausgeber, der Südosteuropaforschung als Disziplin und damit der Fachwelt, aber auch interessierten Laien eine „Wissensquelle und Inspiration“ zu bieten (S. 14), wird dieser Band sicher mehr als gerecht. Dieses Lexikon darf auch in der erweiterten Neuauflage als Grundlage und Standardwerk für jeden gelten, der sich mit Südosteuropa und Rumänien beschäftigt und für diese besondere Region Europas interessiert. Zumal die Beiträge in angenehm lesbarer Sprache verfasst sind statt der gelegentlich anzutreffenden recht trockenen und künstlich komplexen Sprache manch anderer Lexika. Selbst wer die Erstausgabe bereits besitzt und damit arbeitet, ist gut beraten, auch zu dieser zweiten, wesentlich erweiterten Auflage zu greifen. Es lohnt sich in jeder Hinsicht, der Band ist eine wichtige, würdige und wertvolle Weiterführung der Erstausgabe von 2004.