Graffiti legal: Burning Saxony

MadC, Omsk und Caparso brechen als Mitglieder der bekannten Graffiti-Crew aus Sachsen keine Gesetze

Made by Burning Saxony: Das beeindruckende Mural wurde von MadC, Omsk und Carpaso gemacht.

Jede Menge Farbe: Der Sprühdosenhersteller Molotow sponsert Graffiti-Veranstaltungen.

Bei 30 Grad im Schatten: (v.l.n.r.) MadC und Caparso

Es wurde bis abends gearbeitet: MadC in Temeswar beim ersten Graffiti-Festival der Stadt.
Fotos: Robert Tari

Es fängt als Spiel an, ehe man sich als Künstler daraus entwickelt. Es kommt darauf an, mehr, größere und bessere Pieces zu machen als andere Writer. Omsk hat 1994 mit dem Sprühen angefangen. Er ist ein Veteran der Szene. Seit 17 Jahren ist er als Graffiti-Künstler unterwegs.

Seine jüngste Tour brachte ihn in das graffitiverschlafene Temeswar/Timişoara. In der Stadt an der Bega kann man kaum von einer Szene reden. Rumänien ist noch ein Entwicklungsland. Die besten Sprüher Rumäniens kann Omsk in einem Atemzug nennen. Es sind vielleicht mal zehn, die sich im Westen einen Namen gemacht haben.

Aus Temeswar stammt keiner von diesen. Bukarest und Kronstadt/Braşov sind die Ursprungsstädte der rumänischen Graffitiszene. Omsk selbst kommt aus Chemnitz. Ein waschechter Ossi, genau wie die anderen Mitglieder seiner Crew: Burning Saxony. Zurzeit zählt die Gruppe elf Mitglieder. Darunter sind auch die erfolgreiche Künstlerin MadC und der Newcomer Caparso.

Gesprüht wird legal. Zumindest seit 2000 für Omsk, obwohl er seine Wurzeln nicht verleugnet. Als Teenager hat er die City gebombt. Es ging ihm nicht um eine politische Message oder soziale Revolte. Er suchte einfach nur den Kick. Es gab eine Zeit, da konnte man an jeder Straßenecke seine Tags sehen. Dass er vor der Millenniumwende nur illegal war, wäre wohl gelogen. Es gibt keinen konkreten Wendepunkt für ihn. Er hat auch vor dem Anbruch des 21.

Jahrhunderts gelegentlich Aufträge angenommen. Seit SUPERKOOL223 Anfang der 1970er Jahre das erste Piece auf eine Wand gesprüht hat, hat sich in der Graffiti-Szene vieles verändert. Es ist ein wenig so wie mit dem Rock’n Roll, als er noch nicht mit Kommerz zu tun hatte. Auch die Zeiten, als Sprüher Dosen und Caps aus den Läden klauten und mit verschiedenen Farbdosen herumexperimentieren mussten, sind vorbei. Heute gibt es Unternehmen, die sich auf die Herstellung von Graffiti-Dosen spezialisiert haben. Einer  der führenden Hersteller ist die Firma Molotow.

Brennende  Leidenschaft für Farbe

Das Graffitiunternehmen Molotow fördert und unterstützt Crews und einzelne Artists. Auch MadC, Omsk und Caparso werden von Molotow gesponsert. In Temeswar wurde kürzlich das erste Graffitifestival abgehalten. Die Kunsthochschule hat in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung eine dreitägige Veranstaltung organisiert. Die Firma Molotow unterstützte das Festival mit Sprühdosen für die Künstler aus Rumänien und dem Ausland.

Als VIPs der Szene schlug Molotow die drei Sprayer aus Deutschland vor. Inzwischen kann man zwei Murals der drei Künstler in der Stadt an der Bega bestaunen. Viele Bürger werden den Wert dahinter wahrscheinlich kaum verstehen. Immerhin gilt Graffiti noch immer als Vandalismus und tut sich schwer damit, bei der breiten Öffentlichkeit Kunststatus zu erlangen.

Im Ausland ist das Thema noch immer kontrovers, doch es haben sich gleichzeitig auch zwei Fronten gebildet. Zum einen hat man den Mainstream und zum anderen den Underground. Mainstreamkünstler sprühen legal, verdienen ihr Geld damit und etablieren sich leicht als Künstler, die sich mit eigenen Einzelausstellungen und Kunstbänden einen Namen für sich machen. Auftraggeber sind inzwischen oft die Städte selbst, die gegen das illegale Sprühen vorgehen möchten. Es ist eine andere Form der Bekämpfung.

Statt Millionen in die Säuberung der beschädigten Wände zu investieren, möchte man als Stadt selber entscheiden, wo Graffitis stehen sollen und welche Themen sie behandeln. Undergroundkünstler sind meistens Sprüher, die weiterhin illegal bleiben möchten. Besonders Jugendliche schlagen diesen Weg ein, aber auch viele ältere Sprüher, die seit den Anfängen dabei sind. Ein besonderes Vergehen in der Graffitiszene ist das Crossen - wenn ein anderer Sprayer mit seinem Piece über die Arbeit eines anderen geht. Es ist ein Affront für den  Künstler. Inzwischen sind die Städte selbst zu Crossern geworden, indem sie Graffitis, die man nicht haben will, wegmachen und einen anderen Künstler beauftragen, ein neues Piece drüberzumalen.

Zwischen den Fronten

Omsk kennt die Geschichten zuhauf. Er hat schließlich beides kennengelernt und bewegt sich auch heute noch auf dem schmalen Grad dazwischen. Ganz legal kann jemand wie Omsk nicht bleiben. Da scheint Caparso das krasse Gegenteil zu sein. Der Newcomer sprüht erst seit vier Jahren. Er hat von Anfang an legal gesprüht, hat in Andy K. einen Mentor gefunden, der ebenfalls illegal angefangen hat.

Caparso schätzt es, dass er an die richtigen Leute geraten ist, die ihn gefördert haben, die ihm geholfen haben, etwas aus diesem Interesse zu machen. Er hat zwar vorher versucht, Street zu sein und es auch illegal zu tun, doch er ist schnell davon abgekommen, nachdem man ihm seine Dosen geklaut hat und er auch noch dafür verdroschen wurde.

Inzwischen haben immer mehr Studien gezeigt, dass viele Sprayer es nicht ausschließlich wegen der Grenzerfahrung machen, nicht ausschließlich wegen dem Kick, den man bekommt, wenn man illegal sprüht. Untersuchungen der Universität Potsdam haben ergeben, dass legale wie auch illegale Sprayer einen drogenähnlichen Rauschzustand – ähnlich wie bei Extremsportlern -–  erleben.

Davon möchten besonders Jugendliche nichts hören. Oft herrscht „Beef“ zwischen den älteren und den jüngeren Generationen. Besonders Toys, sogenannte schlechte, unerfahrene Writer, werfen Veteranen vor, dass sie nicht mehr „Real“ sind, weil sie es legal betreiben. Auch Omsk musste sich von Toys sagen lassen, dass er es als Graffiti-Writer nicht mehr draufhat. Oft wird auch der Style kritisiert, der für viele jüngere Sprüher zu langweilig ist. Dabei haben es heutige Writer aufgrund der Industrie, die sich um das Phänomen entwickelt hat, wesentlich leichter.

„Ein Anfänger heute kann in zwei, drei Jahren topfit sein“, sagt Omsk. Früher hätte man dafür locker das Doppelte gebraucht. Weder Omsk noch MadC oder Capraso finden das schlimm. Und das hat nichts damit zu tun, dass sie von Molotow unterstützt werden. Omsk vergleicht es gerne mit der Entwicklung vom Radio zum Farbfernseher.

Durch neue Produkte kann man neue Sachen machen, die man sich früher kaum vorstellen konnte. Besonderheiten wie Transaparentfarbe gab es früher nicht. Ältere dagegen werfen jüngeren Generationen oft vor, dass heutige Pieces weniger kreativ sind, dass sie bestimmte Regeln zu strikt befolgen, die ein gewisser Writing-Style festgelegt hat.

Dabei sind „Biter“, die andere Künstler nur nachahmen können, noch das kleinste Problem. Besonders in Städten wie Temeswar, wo die gesamte Graffitikultur niemals wirklich durchgestartet ist und sich kaum ein Writer herausgebildet hat, herrscht eine Überfülle an schlechten Pieces, die von Toys gemacht werden. Oft sind die Täter Jugendliche, die zwar über die nötige Attitüde verfügen, nicht aber über die nötigen Skills.

Graffiti in der Kunstindustrie

Politische Statements wie Banksys Stencils in London findet man in Temeswar kaum. Der britische Street Artist hat längst den Sprung auf den internationalen Kunstmarkt geschafft. Er ist einer von vielen Beispielen, wie man  als Street Artist oder Graffiti-Writer zum Künstler wird. Omsk geht da mit dem Thema Banksy vorsichtiger um. Denn Banksy ist auch der Beweis dafür, wie dünn die Linie zwischen Underground-Credibility und Mainstream ist.

Banksy, der sich als unkommerziell hinstellt, verdient mit dem Image saftig Kohle. „Der Hype um Banksy ging los, als er zusammen mit Damien Hirst eine Arbeit machte, die sich für satte drei Millionen Euro verkaufte“, erklärt Omsk.
Auch MadC hat sich als erfolgreiche Künstlerin international etabliert. 1998 fing sie zu sprühen an. Damals noch illegal. „Das Erste ist immer illegal“, sagt MadC, die inzwischen zahlreiche Einzelausstellungen im In- und Ausland hat.

Als sie anfing, wurde sie von drei Sprühern besonders beeinflusst: dem Graffit-Writer DARE aus der Schweiz, Amok aus Berlin und Svet aus Dänemark. Zwei Jahre nachdem sie als Graffiti-Writerin angefangen hat, traf sie auf einem Festival in Dresden das erste Mal auf DARE. Damals hatte sie viel zu großen Respekt vor ihm, um den Writer anzusprechen. „Anfangs kopiert man“, erklärt MadC. „Ich hatte nicht den Mut, ihn anzusprechen, dafür hatte ich viel zu viel Respekt vor ihm.“ Inzwischen konnte sie sogar mit ihren Vorbildern zusammenarbeiten. 2010 dann die traurige Nachricht: DARE ist an einem Gehirntumor gestorben. Ein großer Verlust für die Szene.  

Das Masterpiece  von gestern

Im Sommer war MadC ständig unterwegs. Im August besuchte sie Stockholm und Moskau, ehe sie jetzt im September auch einen Abstecher nach Rumänien unternommen hat.

Seit SUPERKOOL223 hat sich die Welt gedreht. Inzwischen ist das Thema „Graffiti“ nicht mehr ganz so kontrovers. Es bürgert sich langsam als Kunstform ein. Es verhält sich wie mit dem Rock’n Roll, der sich aus Mamas Garage zu einem Milliardenbusiness entwickelt hat. Graffiti wird wohl nicht auf Milliardensummen kommen, aber die Zeiten, als Graffiti Geld kostete und nichts einbrachte, scheinen für viele vorbei zu sein. Das hat seine Vor- und Nachteile. Da sind sich auch MadC, Omsk und Caparso einig. Das Wesentliche bleibt ohnehin gleich.

„Man fühlt sich halt immer noch Sch..., wenn jemand dein Piece crosst“, sagt Omsk. Aber Graffiti ist nicht für die Ewigkeit gedacht. Wie viele seiner Tags, mit denen er vor Jahren die City eroberte, auch heute noch stehen, kann er schwer sagen. Viele können es aber nicht sein.

Graffiti ist halt für den Augenblick gedacht. Morgen ist das Masterpiece wahrscheinlich wieder weg.