Kapellmeister Heinrich Weidt im Banat (V)

Der Komponist Heinrich Weidt und der Poet Murad Efendi

Diplomat und Poet Murad Efendi

Titelseite des Autografs von Heinrich Weidt: „Klänge aus dem Osten“, für eine Baritonstimme mit Klavierbegleitung, op. 108

Heinrich Weidt wurde in der Zeit seines Wirkens als Temeswarer Theater- und Opernkapellmeister wie ein Star gefeiert. Nicht nur seine bis dahin komponierten Operetten, Lieder und Orchesterwerke wurden von der europäischen Musikwelt lobend anerkannt, auch seine in Temeswar entstandenen Werke brachten viel Neues in die Musikszene der Banater Metropole.

In Temeswar befreundete er sich mit dem damaligen türkischen Konsul für das Banat, Murad Efendi. Dieser war nicht nur eine besondere politische Persönlichkeit, sondern auch schriftstellerisch tätig. Murad Efendi kam 1836 in Wien als Sohn eines kroatischen Gutsbesitzers zur Welt und hieß eigentlich Franz von Werner. Als Mitglied eines österreichischen Kavallerieregiments trat er während des Krimkrieges in die türkische Armee ein und konvertierte zum Islam. Nach dem Pariser Frieden (1856) wechselte er in die Politik und wurde Sekretär mit besonderen Befugnissen und später persönlicher Sekretär des Großwesirs Mehmed Ali Pascha.

Zwischen 1864-1872 war er als türkischer Konsul für das Banat mit dem Sitz in Temeswar tätig. Wegen seiner politischen und diplomatischen Rollen wurde er selbst von Kaiser Franz Josef I. geachtet und geschätzt. Als dieser 1872 in Temeswar eine Opernvorstellung besuchte, saß Murad Efendi an dessen Seite. In Temeswar entdeckte er auch seine poetische Ader und veröffentlichte 1865 seinen Gedichtband „Klänge aus Osten“ (Temeswar 1865). Später erschienen seine weiteren Werke: „Durch Thüringen“ (1870), die Tragödien „Marino Falieri“ (Leipzig 1871), „Selim III.“ (1872) und „Ines de Castro“ (1872).

Als 1872 die Oper „Adelma“ von Heinrich Weidt ihre Premiere an der Temeswarer Bühne feierte, wurde in der „Temesvarer Zeitung“ auch an die Tragödie Murad Efendis „Selim III.“ erinnert: „Noch ist es nicht lange her, seitdem ein Drama zuerst über die Bretter unserer Bühne ging, um von da aus seinen Weg über die größten Bühnen Deutschlands zu nehmen. Dieses Werk hatte einen unserer Mitbürger zum Verfasser und heißt ‘Sultan Selim III.’, und wie uns die Presse Deutschlands berichtet, hat dieses Werk, nachdem es schon an der Burg mit glänzendem Erfolg zur Aufführung gelangte, jetzt auch in Dresden einen Success erreicht, den nur wenige dramatische Werke der Neuzeit errungen haben. Jetzt hat wieder ein Drama desselben Verfassers, dessen Aufführung unser braver Stelzer (Direktor des deutschen Theaters) ermöglichte, Beweis von dem fruchtbaren Genie Murad´s gegeben, und schon ist eben dieselbe Bühne wieder berufen, die Wiege einer Oper zu sein, die Donnerstag den 2. Jänner zum Benefice ihres Kompositeurs des Meister Weidt, aufgeführt wird.“

Nach der erfolgreichen Premiere der Oper „Adelma“ 1872 in Temeswar bezog sich der Chronist u. a. auch auf die Erfolge Temeswarer Künstler und Schriftsteller, so auch auf Murad Efendi: „(…) Auf einem so günstigen Boden konnte es nicht fehlen, daß auch die literarische und Kunstproduktion reiche Blüthen treibe und zahlreiche, nicht blos relativ werthvolle Früchte trage. Ormós als Kunstschriftsteller, Preyer und Szentkláray als Historiker und Archäologen haben eine Anerkennung gefunden, die auch in weite Kreise noch auswärts gedrungen ist. Von Temesvar aus hat Murad Efendi seine Siegeslaufbahn als dramatischer Dichter begonnen, und das letzte Werk desselben, die Tragödie ‘Ines de Castro’ läßt es zweifellos erscheinen, daß der Dichter, bei konsequenter Bekämpfung einiger mehr in der Manier als in der geistigen Anlage begründeten Schwächen, sich einen ehrenvollen Platz in der Literaturgeschichte erkämpfen werde.“

Die drei Lieder Murad Efendis, welche Heinrich Weidt vertont hat, sind Beispiele musikalischer Mediationskunst und poetischer Feinsinnigkeit. Das Autograf Weidts, das sich im Besitz der Coburger Landesbibliothek befindet, hat folgenden schriftlichen Eintrag: „Zu schlechter Wortlaut (?), so schlechte Musik. Erstes Lied enthält Kirchenklänge. Die anderen Lieder geist- und melodielos.“ Wir kennen den Verfasser dieser Zeilen nicht, doch hat er den poetischen Inhalt dieser Lieder nicht verstanden. Weidt wollte die orientalische Atmosphäre dieser Verse in Musik umsetzen und hat sich deshalb auch solcher Klänge und Tonfolgen bedient. Alle drei Lieder sind sehr ausdrucksvoll und sensibel konzipiert.