Kein Brecht, aber nicht schlecht

Deutsche Abteilung des Radu-Stanca-Theaters eröffnet Spielzeit 2011/2012 mit „Herr Puntila“

Natalie Sigg, Wolfgang Kandler und Johanna Adam (v.l.) in Brechts „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ am Hermannstädter Theater
Foto: RST

Ich weiß nicht, ob Bertolt Brecht die Inszenierung des „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ gefallen hätte, mit der am Mittwochabend die Spielzeit 2011/2012 am Radu-Stanca-Theater eröffnet wurde. Das deutschsprachige Ensemble brachte diesen anspruchsvollen Dramatiker in der Regie der hauseigenen Spielleiterin Anca Bradu als erste Premiere auf die Bühne.

Nach dem vorigen Saisonende mit Schillers „Räubern“ wollte man als deutsche Sektion auch diesen Klassiker im Repertoire haben, zumal Brecht in Hermannstadt/Sibiu immer wieder gespielt worden ist, teilt Abteilungsleiterin Anna Neamţu im Programmheft mit. Dort gibt sie auch die Antwort auf die Frage: Warum Puntila, das Volksstück? Es galt ein Stück zu finden für jede Publikumssparte, mit zeitgenössischer Ausstrahlung und Herausforderung für das Ensemble. Das erbrachte eine beachtliche Leistung, die Aktualität hat das Stück nicht verloren und wurde zudem noch um Einiges aktualisiert. Das Premierenpublikum quittierte die über zweistündige Aufführung mit Szenenapplaus und herzlichem Beifall.

Gelungen ist die Inszenierung dank der beiden Hauptdarsteller – dem Luxemburger Daniel Plier als Puntila und dem Österreicher Wolfgang Kandler als Schofför Matti – und dem von Florica Mălureanu und Alin Gavrilă geschaffenen Bühnenbild. Die pausenlose Handlung spielt in und um ein Trabant-ähnliches Vehikel, das auf der ansonsten leeren Bühne rumkurvt, oder es werden mittels Tischen Badehäuschen sowie die Verlobungstafel aufgestellt.

Schön ist das Abschlussbild mit Puntila auf Tisch und Stühlen – dem von Matti erbauten imaginären Hatelmaberg – vor ihm ein Meer von bunten Plastikflaschen. Puntila gibt das Trinken nicht auf, Matti verlässt die Bühne mit dem Fahrrad. Eindrucksvoll vermag es Kandler, vom devoten Diener zum spitzbübischen Charmeur zu wechseln, ein etwas ausgeprägterer Unterschied im Spiel des betrunkenen beziehungsweise des nüchternen Puntila käme den Zuschauern entgegen, zumal beide Hauptdarsteller un-Brecht-mäßig rasch sprechen und selbst des Deutschen sehr gut Mächtige zuweilen Schwierigkeiten hatten, dem Text zu folgen. Aus diesem Grund gingen manch berühmte Brecht’sche Äußerungen zu Menschbild und sozialer Kritik leider unter.

Gut gemeistert haben die anspruchsvollen Rollen – da auch mit Gesang verbunden – Natalie Sigg als Schmuggleremma, Enikö Blénessy als Apothekerfräulein, Emöke Boldizsár als Kuhmädchen und Johanna Adam als Telefonistin. Die Paul-Dessau-Kompositionen hatte Károly Horváth angepasst. Etwas zu dramatisch und launisch wirkte Iulia-Maria Popa als Puntilas Tochter Eva, gelungen ist Franz Kattesch, den Möchtegernattaché darzustellen.

Großartig die Szene, in der er Puntila de facto ölt, um Evas Hand zu bekommen. Die Vorstellung ist allgemein voll guter mimischer und gestischer Einfälle. Lob verdienen alle der zwanzig (!) an dieser Inszenierung auf der Bühne Mitwirkenden. Vor wenigen Jahren wurde von der Schließung der deutschen Abteilung in Hermannstadt gesprochen, nun zählt das Ensemble 17 Mitglieder. Besteht dennoch Personalnot, springen Kollegen von der rumänischen Abteilung ein.

Die neue Spielzeit hat das Ensemble mit einem Tag der offenen Tür begonnen, um die 55 Jahre seit Bestehen der Abteilung zu würdigen. Einige Schwarz-Weiß-Fotos im Foyer ließen bei älteren Theaterbesuchern Erinnerungen an Produktionen und berühmte Namen aus den 1960er und 1970er Jahren wach werden, gezeigt aber wurden auch Modelle von Bühnenbildern jüngeren Datums sowie Kostüme. Im Programmheft aufgelistet sind alle Vorhaben der laufenden Spielzeit und die klingen ganz einfach gut.

Ich weiß nicht, ob diese Puntila-Inszenierung Bertholt Brecht gefallen hätte. Ich glaube schon.