Mobbing: Wenn unbegründeter Hass Seelen zerstört

Eventreihe ADZ/Goethe-Institut: „Literatur für eine bessere Welt“

Annette Pehnt: „Mobbing“

Dieter Schenk: „Tod einer Polizistin. Die Geschichte eines Skandals“

Tom Zürcher: „Mobbing Dick“

Tom Zürcher: „Mobbing Dick“

Hermann Schulz: „Warum wir Günter umbringen wollten“

Bettina Obrecht: „Opferland. Wenn die anderen dich kaputt machen“

Astrid Frank: „Unsichtbare Wunden“

Michael Sieben: „Das Jahr in der Box“

Viele aktuelle gesellschaftliche Probleme finden auch Eingang in die zeitgenössische Literatur. Der Zugang ist dann ein ganz anderer als der gewohnte über Medien oder Fachbücher: Mit dem Haupthelden eines Buches fühlt man hautnah mit und erlebt aus eigener Perspektive. Der Ansatz, ein Thema über spannende Literatur zu erschließen, kann helfen, Horizonte zu erweitern und vielleicht sogar dazu beitragen, unsere Welt ein kleines bisschen besser - empathischer, offener, toleranter - zu machen. 

Unser erstes Thema in dem gemeinsamen Projekt „Literatur für eine bessere Welt“ (ADZ/Goethe Institut Bukarest; siehe auch Interview mit Goethe Institut-Direktor Joachim Umlauf vom 22. September: „Aktiv versuchen, positiven Einfluss auszuüben“ ), in dem gesellschaftsrelevante Literatur nicht nur passiv präsentiert, sondern anschließend auch aktiv diskutiert werden soll - mit Betroffenen, Autoren, Experten und anderen Interessierten – heißt Mobbing. Ein erschreckend verbreitetes Phänomen, das Kinder wie Erwachsene betreffen und tief aus der Bahn werfen kann.

Doch was sind die Gründe für Mobbing? Wie wird man überhaupt zum Opfer? Und wie fühlt man sich als Opfer? Welche Rolle spielt die Gruppendynamik, zum Beispiel in einer Schulklasse?  Sind die untätig zusehenden  Mitschüler oder die wegsehenden Lehrer mitschuld, wenn es zu Kurzschlusshandlungen kommt? Was kann Mobbing in Familien anrichten? Wo überhaupt liegt der Unterschied zwischen Hänseleien und Mobbing?

Viele Fragen, auf die es vielleicht keine eindeutigen Antworten gibt. Doch der Umgang mit dem Thema und die Diskussion kann Kinder wie Erwachsene sensibilisieren und ihnen bewusst machen, wann die Grenze zu harmlosen Scherzen und Sticheleien überschritten ist - und welche schlimmen Auswirkungen Mobbing haben kann.

Zur Einstimmung ins Thema präsentieren wir hier ein paar vom Goethe-Institut ausgewählte Bücher, später auszuleihen in der Bibliothek desselben,  und laden Sie anschließend am 29. November 2023 um 18 Uhr zur Diskussionsveranstaltung „Mobbing: Wenn unbegründeter Hass Seelen zerstört“  im Rahmen der Event-Reihe „Literatur für eine bessere Welt“ ins Goethe-Institut Bukarest ein. Zum Ergebnis der Diskussionsveranstaltung werden wir im Anschluss in der ADZ berichten.


Romane zum Thema Mobbing für Erwachsene:

Annette Pehnt: „Mobbing


Mit „Mobbing“ gelingt Annette Pehnt in der Verbindung aus Anteilnahme und literarischer Distanz ein glänzender Roman um ein drängendes Thema. Joachim machte seine Arbeit gut, die Kollegen schätzten ihn. Wenigstens das stand doch außer Frage. Denn mit der neuen Chefin blieb für ihn nichts, wie es war. So kam der Briefumschlag mit der fristlosen Kündigung beinah wie eine Erleichterung. Mit beklemmender Eindringlichkeit schildert der schmale Roman, wie eine Mobbingaktion die Existenzbedingungen und den Seelenhaushalt einer jungen Mittelstandsfamilie erschüttert. Annette Pehnt beschreibt ebenso beklemmend wie virtuos die Folgen einer alles zerstörenden Bürointrige. 

Dieter Schenk: „Tod einer Polizistin. Die Geschichte eines  Skandals

Aus Realität wird Fiktion. Der  Suizid der gemobbten Polizistin Silvia Braun dient als Romanstoff. Keine zwei Jahre nach dem Selbstmord der 22-jährigen Polizistin Silvia Braun erzählt jetzt ein Buch den „Tod einer Polizistin” nach – Untertitel: „Die Geschichte eines Skandals”. Was reißerisch klingt, ist einfühlsam geschrieben und sehr lesenswert. Es ist ein Roman, der sich an wahren Begebenheiten orientiert, betont Autor Dieter Schenk, ein ehemaliger Direktor des deutschen Bundeskriminalamts in Wiesbaden. Zu Grunde liegen dem Buch die Suizide von insgesamt vier Polizistinnen aus Deutschland. Allen Fällen ist eines gemein: Die Kollegen stehen im Verdacht, die jungen Frauen durch massives Mobbing in den Freitod getrieben zu haben. Den Gutachterstreit, der im Fall Silvia Braun bis heute andauert, ficht Schenk nicht an. War die Polizistin übersensibel, womöglich depressiv oder gar geistig labil, wie es die Polizeipsychologen darstellen? Der pensionierte Polizist bezweifelt das öffentlich – nicht nur mit dem Buch, auch bei dessen Präsentation: Mobbing sei ein „sehr akutes und wichtiges Problem der Polizei”, so Schenk. 

Tom Zürcher: „Mobbing Dick

Eine Satire über das Schweizer Bankenwesen, die sich aber auch damit auseinandersetzt, wie ein Mensch, der selbst eher Außenseiter war, mit Macht ausgestattet sich plötzlich anders verhält: Innerhalb eines geschlossenen Systems ist jeder Irrsinn ganz normal. So merkt man auch als Leser erst allmählich, dass Dick sich nach und nach in einen Psychopathen verwandelt und immer schrecklichere Dinge tut. Er rächt sich für all die Demütigungen, die er erleiden musste, auch wenn er seine Niederlagen als Triumphe zu erleben versteht. Dick entspricht jenem Tätertypus, der in Wahrheit ein Opfer von Verhältnissen ist, denen er nicht entkommen kann. Oder, wie es im Roman heißt: „Es gibt keine bösen Menschen. Nur Menschen, die Böses tun. Wenn der Druck stimmt.“ So darf man dieses böse Märchen von Geld und Macht, Arbeit und Familie als wahnwitzige Parabel auf die gesellschaftliche Wirklichkeit lesen. Mit großem Vergnügen führt die Lektüre direkt ins Entsetzen. Und löst das Entsetzen im Gelächter.

Für Kinder & Jugendliche:

Saša Stanišic: „Wolf. Ferienlager im Wald

Wolf ist ein Kinderroman darüber, wie schmal der Grat zwischen Anderssein und Ausgrenzung ist. Er thematisiert Mobbing unter Jugendlichen. Und doch ist „Wolf“ mehr als nur eine Mobbing-Geschichte. Der Roman erzählt auch von Freundschaft, Veränderung und vor allem von Selbstermächtigung - davon, wie man wieder zum Erfinder oder zur Erfinderin der eigenen Geschichte wird. 

Hermann Schulz: „Warum wir Günter umbringen wollten

März 1947. Eine Zeit zwischen Krieg und Frieden. Für Freddy und seine Freunde hat die Schule wieder begonnen. An den Nachmittagen stromern sie durch die Wiesen, rüber zum Moor. Auch der Flüchtlingsjunge Günter schließt sich ihnen an. Er klebt geradezu an ihnen. „Der tickt doch nicht richtig“, sagen die Jungs über ihn. Denn Günter ist anders. Seine Mitschüler halten Günter für bekloppt, denn ständig läuft ihm Rotz aus der Nase, er redet kaum und verhält sich merkwürdig. Für Freddy und seine Freundesclique ist Günter ein ideales Opfer. Wo immer es geht, lassen sie ihn spüren, dass sie ihn für dumm halten und spielen ihm übel mit. Freddy und die anderen Jungs machen sich über ihn lustig, sie quälen und demütigen ihn, wo sie nur können. Doch dann bekommen sie Angst, dass Günter sie bei den Erwachsenen verraten könnte - und fassen einen ungeheuren Plan. 

Bettina Obrecht: „Opferland. Wenn die anderen dich kaputt machen

„Opferland“ ist ein vielschichtiges, ein gelungenes Buch, das sich dem Thema Mobbing sehr differenziert nähert und insbesondere die massiven Einschränkungen und schlimme Auswirkungen nicht nur für das Opfer, sondern auch für dessen Angehörige behandelt. Wer wissen will, wie Mobbing seinen Verlauf nimmt, wie die Situation für das Opfer immer unerträglicher wird und eskaliert, wie sich ein Gemobbter fühlt und wie er jahrelang an den Attacken zu leiden hat, der findet in „Opferland“ ein Buch, wo all das haargenau beschrieben wird. 

Michael Sieben: „Das Jahr in der Box“ 

Rezensent Tilman Spreckelsen hat schon viele Bücher übers Mobbing gelesen, doch Michael Siebens Jugendroman ragt seiner Ansicht nach vor allem aufgrund seiner sensiblen Figurenzeichnung aus den Fluten heraus: Sieben erzählt vom sechzehnjährigen Paul, der aus Berlin in die Kleinstadt zieht und dort vom fiesen Klassenanführer gemobbt wird. Die Qualität des Romans macht für den Rezensenten jedoch aus, dass Sieben nicht Pauls Qualen einfühlsam beschreibt, sondern auch den Weg aus der Misere, seine Freundschaft zu den anderen Außenseitern der Schule, von denen ihm besonders der dicke Computerspiel-Meister Mehmet ans Herz gewachsen ist.

Astrid Frank: „Unsichtbare Wunden

Die 13-jährige Anna führt ein unbeschwertes Leben und kann sich nicht vorstellen, dass sich daran in Zukunft etwas ändern soll. Doch 19 Monate später ist sie tot. Was zunächst aussieht wie ein Verkehrsunfall, entpuppt sich nach und nach als folgenschweres Machtspiel ihrer Klassenkameraden, dessen Opfer Anna geworden ist. „Annas Geschichte ist frei erfunden, könnte sich aber genauso zugetragen haben. Beim Schreiben habe ich mir das Ziel gesetzt, dass meine Leserinnen und Leser erkennen können, wie es zu Mobbing kommt und welche Bedeutung für das Geschehen all diejenigen haben, die glauben, sie würden sich heraushalten und hätten nichts damit zu tun“, schreibt die Autorin. 


Jeweils ein Exemplar der Bücher wird auf der Veranstaltung am 29. November 2023 verschenkt!